TV-Tipp des Tages: "Tatort: Die Heilige"

TV-Tipp des Tages: "Tatort: Die Heilige"
Heute ermitteln die Kommissare aus München. Dieser "Tatort" ist weniger Krimi. Eine Gefängnisaufseherin verhilft einen Häftling zur Flucht, weil sie meint, dieser sei in Freiheit besser aufgehoben. Ob sie recht hat, darum geht es in diesem Film.
01.10.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Die Heilige", Sonntag, 3. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten


Die meisten Zuschauer werden die Sonntagsfilme im "Ersten" nach zwei Kategorien aufteilen: guter Krimi/schlechter Krimi. Es gibt allerdings noch eine dritte Gruppe: gar kein Krimi. Hier finden sich Geschichten, die vor lauter gesellschaftlicher Relevanz mitunter vergessen, dass das Publikum in erster Linie spannend unterhalten werden will.

Ebenfalls in diese Kategorie gehören jene Werke, die sich vor allem als Kunst verstehen; und dazu zählt der Film "Die Heilige", ein "Tatort" aus München. Man merkt das schon an der Bildsprache: grobkörnige Rückblenden, Zeitlupe, Springschnitte und zweigleisige Erzählweise, wenn beispielsweise eine Frau auf dem Weg zur Tür ist und Zwischenschnitte vorwegnehmen, dass sie sich gleich dem Mann hingeben wird, dem sie zur Flucht aus dem Gefängnis verholfen hat.

Sie ist die Titelfigur dieser Geschichte, die auf einer Vorlage von Friedrich Ani beruht, dem Schöpfer des wunderbaren Kommissar Süden: Marie Hoflehner (Anneke Kim Sarnau) arbeitet in einer Justizvollzugsanstalt und gilt als guter Geist vom Knast. Weil sie überzeugt ist, dass der Algerier Hassan (Medhi Nebbou) in der Freiheit besser aufgehoben ist, verhilft sie ihm zur Flucht. Zunächst aber stirbt sein Zellengenosse Schuster an einer Überdosis Heroin, und deshalb müssen Leitmayr und Batic (Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec) erneut ins Gefängnis: Tags zuvor hatte Schuster einen Mithäftling als Geisel genommen.

Wer den Mann dann später umgebracht hat, ist eigentlich egal. Leitmayr führt zwar viele lustige Vernehmungen durch, aber die Aufklärung des Mordes steht erst an zweiter Stelle. Der Film interessiert sich viel mehr für die Frage, ob sich Hassan der selbstverleugnenden Tat seiner Befreierin als würdig erweisen wird oder ob er im Umfeld seiner alten Kumpel einen Rückfall erleidet. Sehenswert ist "Die Heilige" vor allem wegen der Leistungen von Nemec, Wachtveitl und vor allem Nebbou. Regie führte Jobst Oetzmann (das Drehbuch schrieb er mit Magnus Vattrodt), dem der Münchener "Tatort" einige große Filme verdankt, zuletzt "Wir sind die Guten"; für "Im freien Fall" gab"s einen Grimme-Preis. 


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).