Kündigung wegen Ehebruch nicht rechtens

Kündigung wegen Ehebruch nicht rechtens
Geschieden, getrennt, außereheliche Beziehung und trotzdem weiter bei der Kirche angestellt? Ein katholischer Kirchenmusiker aus Essen ist erfolgreich gegen seine Kündigung vorgegangen. Eine Führungskraft der Mormonen durfte beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aber nicht auf die gleiche Milde hoffen.

Die katholische Kirche darf einem Angestellten nicht zwangsläufig kündigen, wenn er ein außereheliches Verhältnis hat. "Die Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages kann nicht als eindeutiges Versprechen verstanden werden, im Fall einer Trennung oder Scheidung ein enthaltsames Leben zu führen", heißt es in einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof vom Donnerstag. Die Straßburger Richter gaben damit der Klage eines Kirchenmusikers aus Essen statt. Diesem war gekündigt worden, weil er nach der Trennung von seiner Frau in einer neuen Beziehung lebte (AZ: 1620/03).

In einem ähnlichen Fall der Religionsgemeinschaft der Mormonen entschied der Europäische Menschenrechtsgerichtshof am Donnerstag gegenteilig. Führungskräften dürfe gekündigt werden, wenn sie Ehebruch begehen und dadurch die Glaubwürdigkeit des Arbeitgebers schädigen: "Eine Entlassung kommt dann einer notwendigen Maßnahme gleich, wenn dadurch das Ansehen der Religionsgemeinschaft gewahrt wird und der Schaden für den Beschuldigten gering bleibt", urteilten die Straßburger Richter.

Ehebruch und Bigamie als Kündigungsgrund

Im Fall des katholischen Chorleiters bewertete das Bistum Essen das Straßburger Urteil als Entscheidung in einem Einzelfall. Das Bistum wolle zunächst die deutsche Fassung der Urteilsbegründung abwarten, hieß es. Erst danach könne entschieden werden, welche möglichen weiteren Schritte unternommen würden.

Der Kirchenmusiker, der seit Mitte der 80er Jahre in einer Essener Pfarrgemeinde angestellt war, äußerte sich in der "Frankfurter Rundschau" (Freitagsausgabe) erleichtert über den Ausgang des Verfahrens. Wie die Zeitung berichtete, will der 53-Jährige wieder zurück auf seine frühere Stelle. Er kritisierte zudem eine "sehr große Kirchenhörigkeit" deutscher Gerichte. Ihm steht eine Entschädigung zu.

Der Mann hatte sich 1994 von seiner Frau getrennt. Nachdem die Leitung der Kirchengemeinde erfahren hatte, dass der Mann in einer neuen Beziehung lebte und seine neue Lebensgefährtin ein Kind erwartete, kündigte sie ihm ohne vorherige Abmahnung. Da er zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war, warf die Kirchenleitung dem Mann Ehebruch und Bigamie vor.

Kirchenautonomie dadurch nicht gefährdet

Der Mann strengte nach seiner Entlassung eine Klage über die deutschen Instanzen gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber an. Die Straßburger Richter sahen jetzt in der Kündigung einen klaren Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Durch die Entlassung sei zudem die Existenz des Mannes gefährdet worden, da er nur schwer eine neue Arbeit außerhalb der Kirche finden könne.

Der Berliner Arbeits- und Kirchenrechtsexperte Utz Andelewski hält das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs nicht für wegweisend. "Die Kirchenautonomie wird immer über dem Recht auf Privatheit stehen", sagte Andelewski dem epd. Das Urteil sei nur ein vermeintlicher Paukenschlag gegen die Kirche, weiter werde nichts passieren. "Die deutschen Gerichte werden lediglich angewiesen, stärker im Einzelfall abzuwägen", sagte der Jurist.

Bei Führungskräften liegt der Fall etwas anders

Im Fall der Klage eines Mormonen aus dem hessischen Neu Anspach wiesen die Straßburger Richter die Klage zurück. Der Mann war seit 1986 als Gebietsdirektor Öffentlichkeitsarbeit einer Mormonenkirche tätig. 1993 vertraute der Mann seinem Seelsorger an, dass er Eheprobleme habe und deshalb eine Liebschaft mit einer anderen Frau eingegangen sei. Auf den Rat des Seelsorgers hin informierte der Mann auch seinen Vorgesetzten. Nur wenige Tage danach wurde ihm ohne Abmahnung gekündigt.

Die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" begrüßte die Entscheidung. Sie entspreche der Haltung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts und unterstreiche das im Grundgesetz verankerte Recht der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten selbstständig zu ordnen und zu verwalten, innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes, erklärte ein Sprecher.

Die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" entstand im 19. Jahrhundert in den USA. Der Glaubensgemeinschaft sollen weltweit mehr als zwölf Millionen Menschen angehören, in Deutschland leben den Angaben zufolge etwa 36.000 Mitglieder.

epd