Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach hat ihre Kritik am Deutschland-Beauftragten der polnischen Regierung zurückgenommen. "Ich bedaure meine Äußerungen über Herrn (Wladyslaw) Bartoszewski, die in Polen und Deutschland für so viel Aufsehen gesorgt haben, und ziehe sie zurück", sagte sie der "Bild am Sonntag". Die CDU-Politikerin hatte Bartoszewski einen "schlechten Charakter" vorgeworfen und damit in beiden Ländern scharfe Reaktionen ausgelöst.
Ihren Angriff auf den 88-jährigen früheren polnischen Außenminister begründete Steinbach mit aufgestauten Emotionen: "Oft wurde ich in den letzten Jahren gefragt, warum ich mich gegen seine Angriffe nicht wehre. Die Tatsache, dass Bartoszewski ein besonders schlimmes Schicksal unter den Nationalsozialisten erlitten hat und seine Leistungen für das deutsch-polnische Miteinander ließ mich alles hinnehmen. In der vorigen Woche hat sich das bei mir - eher ungewollt - Luft verschafft. Das war aus vielerlei Gründen verkehrt."
Steinbach forderte zugleich Bartoszewski auf, sein Verhalten zu überdenken: "Auf der anderen Seite wünsche ich mir, dass Wladislaw Bartoszewski in stiller Stunde all das überdenkt, was er zu meiner Person in den letzten Jahren gesagt hat."
Steinbach auch politisch weiter unter Druck
Steinbach steht wegen ihrer Äußerungen weiter unter Druck. Die SPD forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die Vertriebenenpräsidentin aus der Unions-Fraktionsspitze abzuberufen. "Frau Steinbach tanzt der Bundeskanzlerin ununterbrochen auf der Nase herum. Sie mischt weiter Gift für die deutsch-polnischen Beziehungen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Fraktion, Thomas Oppermann, der "Welt am Sonntag". Steinbach sei "eine schwere außenpolitische Belastung".
In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag) bedauerte Merkel, dass Steinbach den CDU-Vorstand verlassen will. Sie trat dem von Steinbach vermittelten Eindruck entgegen, man dürfe in der CDU seine Meinung nicht frei äußern. "Jedes Mitglied kann sich mit seiner Persönlichkeit in unserer Partei voll entfalten."
Der Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, verteidigte Steinbach. Zwar habe sie nicht die richtigen Worte gewählt, "aber dennoch Wahrheiten ausgesprochen", sagte Pawelka der "Rheinpfalz am Sonntag". Das tue den Vertriebenen gut. Die Position Steinbachs im Bund der Vertriebenen sei keinesfalls geschwächt. Sie bleibe eine anerkannte Präsidentin. Der Vertriebenen-Landesverband Sachsen sprach von einem "unverschämten Kesseltreiben" gegen Steinbach. Ihre Kritiker auch aus der eigenen Partei würden versuchen, sie ähnlich wie Thilo Sarrazin "mundtot" zu machen, sagte der sächsische BdV-Vorsitzende Peter Mühle der "Leipziger Volkszeitung".
Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" stellt Ausstellung vor
Der Direktor der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung", Manfred Kittel, erläuterte am Samstag bei einer Tagung in Berlin erstmals Grundlinien für das geplante Ausstellungs- und Dokumentationszentrum. Die Stiftung habe den Auftrag, nicht nur das Schicksal der deutschen Vertriebenen in den Blick zu nehmen, sondern Opfer "ethnischer Säuberungen" während des gesamten 20. Jahrhunderts in Europa.
Die Ausstellung werde "ethnische Säuberungen" ausführlich schildern, die exemplarischen Charakter hätten. Hierzu gehörten auch die Schicksale der Griechen und Türken vor und nach dem Vertrag von Lausanne 1923 ebenso wie die der vom nationalsozialistischen Deutschland vertriebenen Polen ab 1939. Kittel wandte sich gegen den Einwand, ein solcher europäischer Ansatz in der Ausstellung würde die Vertreibung der 14 Millionen Deutschen nach dem Krieg relativieren. Das Schicksal der Vertriebenen müsse jeweils im historischen Kontext gesehen werden.
Nach dem neuerlichen Eklat um Steinbach kündigte auch der Historiker Julius Schoeps, Leiter des Moses Mendelssohn Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien an der Universität Potsdam, seinen Rückzug aus der Stiftung an. Er fühle sich durch die Einlassungen Steinbachs hintergangen, sagte Schoeps dem "Handelsblatt-Online". Er möchte deshalb von der Liste der Unterstützer gestrichen werden.