Odenwaldschule: Fonds für Missbrauchsopfer

Odenwaldschule: Fonds für Missbrauchsopfer
Schon bald nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals verlangten Opfer von der Odenwaldschule eine Entschädigung. Der Vorstand sah sich finanziellen Forderungen ausgesetzt. Nun hat das Elite-Internat einen Fonds zugesagt.
30.07.2010
Von Joachim Baier

Nach den vielen Missbrauchsfällen hat die Odenwaldschule Hilfe für die Opfer angekündigt. "Es wird einen Entschädigungsfonds geben", sagte der Sprecher des Schulvorstands, Johannes von Dohnanyi, am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Zeitpunkt sowie Art und Umfang seien aber noch unklar. "Dieser Anerkennungsfonds wird eher eine von der Schule abgekoppelte Form haben." Es seien noch zahlreiche juristische Fragen zu klären. Der Opfer-Anwalt Thorsten Kahl hatte laut Radiosender hr-info beklagt, das Internat im südhessischen Heppenheim wolle sich aus der Verantwortung stehlen.

Ein Zwischenbericht geht von mehr als 50 Opfern zwischen den 1960er Jahren und Anfang der 1990er aus. Neben dieser Zahl, die als gesichert gilt, gebe es etwa 28 noch nicht geklärte Fälle, sagte die ehemalige Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt, Brigitte Tilmann. Sie ermittelt zusammen mit der Wiesbadener Anwältin Claudia Burgsmüller im Auftrag der Schule das Ausmaß der Übergriffe. Der Vorstand rechnet mit dem Bekanntwerden weiterer Fälle.

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hatte etwa ein Dutzend Ermittlungsverfahren geführt, diese aber unter anderem wegen Verjährung eingestellt. Im Mittelpunkt des Skandals stand der frühere Schulleiter Gerold Becker. Der 1936 geborene Pädagoge, der von 1969 bis 1985 an dem Privatinternat arbeitete, starb am 7. Juli. Er soll allein 17 Jungen im Internat missbraucht haben.

"Die Opfer sind sauer und hilflos", sagte Kahl der dpa. "Wir haben eine Schule, die hat 100 Jahre missbraucht." Es gibt Hinweise, dass sich schon bald nach der Gründung der Reformschule 1910 Missbrauchsfälle ereigneten. Kahl vertritt nach eigenen Angaben zehn Opfer. Überlegt werde, einen Verein zu gründen, um Interessen gemeinsam vertreten zu können.

Von Dohnanyi bat um Geduld. "Der neue Vorstand hat vor zwei Monaten einen Riesenberg an Arbeit und Problemen geerbt." Der alte Vorstand war Ende März wegen des Skandals zurückgetreten. "Den Betroffenen zu signalisieren, man könne mit Hauruck-Lösungen Unrecht über Nacht wieder gutmachen, ist unseriös." Der neue Vorstand sei an einer Aufarbeitung und an Lösungen interessiert. "Hier herrscht nicht mehr der alte Schlendrian."

Mit welcher Geldsumme der Anerkennungsfonds ausgestattet werden könne, sei noch unklar. "Wir setzen auf Spenden, auch von den Altschülern", sagte von Dohnanyi. "Ob die Odenwaldschule direkt etwas einzahlen kann, werden wir sehen." Nach einem dem hr vorliegenden Schreiben des Vorstands der Schule ist diese im Augenblick überhaupt nicht in der Lage, eine finanzielle Entschädigung zu zahlen.

Zu Forderungen, die Odenwaldschule zu schließen, sagte von Dohnanyi dem Fernsehsender RTL Hessen: "Was heißt hier zumachen? Auch die Frage, die Herr Kahl so in den Raum stellt, ob man nicht einfach - wenn man die Schule zumacht - das Geld dann für die Opfer verwenden könnte, ist zu kurz gedacht." Dies seien "populistische Argumente".

dpa