Frank Lampard fasste sich entsetzt mit beiden Händen an den Kopf, Wayne Rooney beschimpfte den Schiedsrichter schon in der Halbzeitpause und David Beckham wollte dem Referee nach dem Abpfiff sogar an die Gurgel gehen. Nach dem "Torklau" durch Jorge Larrionda fühlten sich die Kicker aus dem Mitterland des Fußballs trotz der am Ende klaren 1:4 (1:2)-Niederlage im WM-Achtelfinale gegen Deutschland betrogen. Der Unparteiische aus Uruguay und sein Gespann verwehrten Frank Lampard (38. Minute) einen klaren Treffer und lösten damit eine Welle der Empörung aus. "Wir haben Fehler gemacht, aber der Schiedsrichter hat den größten Fehler gemacht. Das darf nicht passieren", kritisierte Englands Coach Fabio Capello.
Statt binnen zwei Minuten aus einem 0:2 ein 2:2 gemacht zu haben, mussten die Engländer in der Halbzeit den psychologischen Tiefschlag verarbeiten. Dies gelang gegen eine bravourös aufspielende DFB- Auswahl nicht. Im Gegenteil: Am Ende setzte es für Capellos Team die höchste Niederlage in der WM-Historie. Nach den Halbfinal-Niederlagen bei der WM 1990 und der Heim-EM 1996 war es der dritte Niederschlag gegen den ungeliebten "Erzrivalen".
Den Fans verschlug es die Sprache
Nach Thomas Müllers Doppelschlag zum 3:1 und 4:1 (67./70.) verstummte die rot-weiße Wand englischer Fans auf der Gegentribüne des Free State Stadions in Bloemfontein völlig. Bis dahin waren die Anhänger der "Three Lions" akustisch und zahlenmäßig klar überlegen, doch danach sangen nur noch die deutschen Fans: "Ihr könnt nach Hause fahren." Kapitän Steven Gerrard sackte nach dem Abpfiff enttäuscht zu Boden. Der sehr bemühte aber erneut torlose Rooney verschwand wie alle anderen Mitspieler schnell in der Kabine.
Die Formschwächen von Stars wie Rooney und Gerrard oder die Ausfälle von Verteidigern wie Ferdinand und King zeigen, dass man Englands Ausscheiden nicht allein auf Larriondas Skandal-Entscheidung schieben kann. Capellos Mannschaft präsentierte sich während der gesamten WM nie wie ein Titelkandidat. Spielerisch war sie den Deutschen am Sonntag klar unterlegen. Und die wackelige Abwehr um John Terry und Matthew Upson tat alles dafür, dass die Löw-Elf das auch nutzen konnte. Beim 1:0 durch Klose (20.) lief Upson hinterher. Beim 2:0 durch Podolski (32.) schauten gleich alle Verteidiger zu.
Bezeichnenderweise war es Upson, der das einzige englische Tor köpfte (37.). Bei den "Three Lions" ging während dieser WM vieles durcheinander. Neun Siege in zehn Qualifikationsspielen hatten große Hoffnungen geweckt. Doch in Südafrika blieb der Weltmeister von 1966 nur ein Schatten vergangener Tage.