Umweltskandale: Recherchen können gefährlich werden

Umweltskandale: Recherchen können gefährlich werden
Überschwemmungen in Brasilien und ein Waldbrand in den USA – zwei Meldungen vom Mittwochmorgen. Berichte über Naturkatastrophen begleiten uns täglich. Gute Umweltberichterstattung aber, die über das einzelne Ereignis hinausgeht, findet sich selten. Wer Hintergründe herstellt, begibt sich manchmal sogar in echte Gefahr.

Tamer Mabrouk ist ein bekannter ägyptischer Blogger. Dass er diese Woche in Deutschland sein kann, ist den Organisationen "Reporter ohne Grenzen" und "Committee to Protect Journalists" zu verdanken – und den Organisatoren des Global Media Forums in Bonn. Dort trafen sich drei Tage lang Umweltjournalisten, Wissenschaftler und Entwicklungshelfer aus aller Welt, um über Klimawechsel und Medien zu sprechen. Tamer Mabrouk traf zu seinem Vortrag verspätet ein. "Ich hatte große Probleme, überhaupt hierher zu kommen", sagt Mabrouk. Seine Informationen musste er außer Landes schmuggeln.

Umweltskandal am Suez-Kanal

Bis vor wenigen Jahren arbeitete Mabrouk in einer Fabrik von Trust Chemical Industries. Dort erlebte er, wie die Chemiefabrik ihre Abfälle in den benachbarten Manzala See entsorgte, der fast unmittelbar in den Suez-Kanal mündet. Er fing an zu bloggen, dokumentierte die Verunreinigungen mit Fotos und schrieb auch für lokale Zeitungen. Daraufhin bedrohte ihn die Firma, Mabrouk verlor seinen Job, musste die Stadt verlassen und wurde von einem Gericht sogar zu einer Geldstrafe verurteilt. "5.000 Euro Strafe. Trotz perfekter Dokumentation und der Berichterstattung der Medien. Für einen ägyptischen Arbeiter ist das sehr viel Geld", sagt Mabrouk. Der Staat, so Mabrouk, habe die Firma unterstützt.

Umweltberichterstattung, die Zusammenhänge herstelllt und Hintergründe aufzeigt, wird nicht nur in Ägypten bestraft. Auch Liu Jianqiang aus China und Roosevelt Jean Francois aus Haiti haben ähnliche Geschichten zu erzählen. Sobald sie aufdecken, wer für Umweltverschmutzung und -zerstörung verantwortlich ist, gibt es Druck. Von den lokalen und nationalen Behörden oft genauso wie von den beteiligten Firmen. Wirtschaftliche Interessen, geheime Absprachen und Bestechungszahlungen sind harte Gegner für Umweltjournalisten.

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Probleme auch mit BP

"Natürlich ist es kein Problem, über die globale Erwärmung zu schreiben", sagt Jean Francois Julliard, Generalsekretär der Organisation Reporter ohne Grenzen. "Aber in vielen Ländern ist es ein Problem, die Gründe dafür aufzudecken." Im Jahr 2010 seien Umweltjournalisten in der gleichen Situation wie politische Journalisten in den 1980er Jahren. So konnten zwei Berichterstatter aus Russland und Brasilien, die Julliard in Bonn gern dabei gehabt hätte, erst gar nicht anreisen. Sie werden, so Julliard, in ihrer Heimat körperlich und juristisch bedroht. "Um Klimawandel und Umweltzerstörung zu stoppen, müssen Journalisten ihre Rolle als Aufpasser aber ungehindert ausüben können", sagt der Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen.

Dass freies Recherchieren auch in westlichen Ländern längst nicht immer möglich ist, zeigt das Beispiel der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Nicht nur, dass die Ölfirma British Petroleum in den vergangenen Monaten die Öffentlichkeit häufig falsch informierte. Zuletzt berichteten immer mehr Journalisten, dass sie daran gehindert wurden, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. Boote schnitten den Reporten den Wasserweg ab und Strände wurden abgeriegelt.

In Bonn beklagten sich viele Journalisten zudem darüber, dass Umweltberichterstattung – abgesehen von den großen Katastrophen – längst noch nicht den nötigen Stellenwert habe. So berichtete die pakistanische Journalistin Rina Saeed Khan, dass in ihrer Heimat die Umweltberichterstattung von Terror, Politik und Wirtschaft überlagert werde. "Bomben auf dem Titel, Klimawechsel auf der letzten Seite" überschrieb Khan ihren Vortrag. Sie solle sich nicht so viel Sorgen um die paar Bäume machen, bekomme sie von ihrem Chefredakteur zu hören, Pakistan habe viel größere Probleme.

Wenig Interesse an Hintergründen

Teilnehmer aus Uganda oder den Philippinen berichteten davon, dass in ihren Ländern an hintergründigen Berichten kaum Interesse gezeigt werde. Um ihre Artikel zu verkaufen, müssten sie schon das "blame game" spielen, also jemanden konkret beschuldigen. Nur die großen Skandale schafften es prominent ins Blatt oder die Sendung. Analysen hingegen seien nicht gefragt. Das Global Media Forum, ausgerichtet unter anderem von der Deutschen Welle, soll die Umweltberichterstattung deshalb stärker verbreiten. Und es soll sie verbessern. Die Umweltberichterstattung sei ein perfektes Beispiel dafür, wie in einer globalisierten Welt mit immer komplizierteren Themen umgegangen werden müsse, sagt Antonia Koop, Gründerin des Peace and Conflict Journalism Network (PECOJON/links, Foto: DW/M. Müller).

Journalisten müssten bei ihren Recherchen zu Umweltthemen viele Aspekte beachten, von Politik über Soziologie bis hin zu Biologie. "Es darf nicht nur über den aktuellen Zustand berichtet werden. Stattdessen muss der Ursprung der Probleme beschrieben werden. Und es muss gezeigt werden, welche Entwicklungsmöglichkeiten es gibt", sagt Koop. Statt zu dramatisieren und zu vereinfachen sollten die Medien alle verfügbaren Informationen darstellen und die einzelnen Punkte verbinden.

Hochwertige Umweltberichterstattung, das ist in Bonn klar geworden, ist ein schwieriges, manchmal auch gefährliches Feld. Viele Teilnehmer werden das nach ihrer Rückkehr wieder am eigenen Leib erfahren. Auch Tamer Mabrouk, der ägyptische Chemie-Blogger. Doch obwohl er Haus, Job und jede Menge Geld verloren hat: Tamer Mabrouk will weiter berichten.


Daniel Drepper (twitter.com/danieldrepper) ist freier Journalist und lebt in Mainz.