Aber er ruft ja nicht an, der Herr Grube

Aber er ruft ja nicht an, der Herr Grube
Die Bahn fährt ihre Kunden auch in Gegenden, wo es nicht einmal mehr W-Lan gibt. Da kann man ganz nervös werden, wie unsere Kolumnistin dem Bahnchef Grube gerne persönlich sagen würde. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch.
29.05.2010
Von Ursula Ott

Woche vom 24. bis 28. Mai

Montag

Bahnchef Rüdiger Grube wird im neuen "Spiegel" interviewt. Er sagt, er rufe jeden Tag Bahnkunden an und frage, was sie so auf dem Herzen haben. Dabei ist er einmal sogar an den Vater von Heide Klum geraten. Wusste gar nicht, dass Heidi Klum so viel Zug fährt. Also, falls Herr Grube mal bei uns anruft, reich ich ihn gleich an meine Kinder weiter. Die hätten heute was zu erzählen.

Dienstag

Wir sind nämlich über Pfingsten mal wieder ganz viel Bahn gefahren. Hatten aber leider in dem niedersächsischen Dorf, in dem wir waren, keinen Handyempfang und kein W-Lan. Ja, so was gibt's, kein Handy, aber die Bahn fährt hin. Leider konnten wir dann für den Rückweg auch keinen Platz reservieren, weil wir ja offline waren, und das ist doof am langen Pfingstwochenende. Also sitzen wir zwei Stunden in Hannover fest und warten, bis ein ICE mit freien Plätzen in Richtung Köln kommt. Aber in Hannover, da gibt's wieder Netz, yuppie! Außerdem hat die Servicekraft in der DB Lounge gaaanz viel Zeit, weil keiner da ist außer uns. Und weil meine Großstadtkinder nach dem Dorf-Wochenende Heißhunger auf Subway haben – das ist eine Sandwichkette –, verbringen Leo, 13, und der Bahnkollege viel Zeit amit, dem Bahncomputer statt aktueller Fahrpläne den "Subway Finder" zu entlocken und auf Google Earth auch den nächsten Labberbrot-Laden zu spotten. Gut, am Ende stellt sich raus, dass auch ein Blick aus dem Fenster des Hauptbahnhofs genügt hätte, Subway ist gerade mal 100 Meter entfernt. Aber so war's lustiger. Und der junge Mann von der Bahn, der ganz offenbar auch vom Land kommt, hat in Hannover jetzt einen Snack-Tipp.

Mittwoch

Also, heute hätte er echt mal anrufen können, der Grube. Heute findet am Frankfurter Hautbahnhof eine Art Humanexperiment statt. Wegen eines Notfalls – nix Genaues weiß man nicht – können 20 Minuten lang keine Züge aus dem Bahnhof raus fahren. Und es ist faszinierend zu sehen, wie schnell sich so eine Bahnhofshalle mit Menschen füllt. Und in welche Richtungen sie rennen, wie kleine Männchen im Computerspiel. Ich hätte ihm eine kleine Livereportage liefern können, dem Herrn Grube. Aber mich ruft er ja nicht an.

Donnerstag

Heute wird in Deutschland der iPad ausgeliefert, das neue Wunderteil von Apple. Ich bin sicher, er wird im ICE massenhafte Verbreitung finden. Das wäre schön, dann gäbe es nie wieder solche Telefonate wie jenes, das mein Nachbar heute von Köln bis Frankfurt Flughafen führt. Er erklärt per Handy jemandem – der Sekretärin? Einem Kollegen? – wie man im Online-Fahrplan des Hamburger Verkehrsverbundes eine Verbindung raussucht. "Also, du gibst unter www.hvv.de den Startpunkt ein." Da sind wir ungefähr in Siegburg. Da sind Tunnels, der Empfang des Handys ist weg. Er ruft wieder an, diesmal kommt der unsichtbare Mensch am anderen Ende einen Schritt weiter – so geht das bis mindestens Limburg. Und alle müssen mithören. iPad für alle, ich bin dafür!

Freitag

Wir fahren schon wieder aufs Dorf, diesmal an den Bodensee, Oma wird 80. Leo leicht panisch, noch ein Wochenende ohne W-Lan. Angeblich kann man sich ein UMTS-fähiges Wifi-Gerät für solche Fälle beschaffen und ein eigenes W-Lan-Netz aufspannen. Dann könnte uns auch Herr Grube im Handyloch erreichen. Falls er anruft. Aber, Herr Grube – falls Sie nächste Woche anrufen wollen - da hab ich Urlaub. Bis dahin!


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de.

Neu im Buchhandel: Ursula Ott: "JA TOLL - Geschichten, die immer nur mir passieren", erhältlich im chrismon-shop!

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