Der Geist Robert Kochs schwebt noch heute über jeder Petrischale mit Nährboden. Vor 100 Jahren, am 27. Mai 1910, starb der Mitbegründer der modernen Bakteriologie und Mikrobiologie und hinterließ der Nachwelt einen Schatz medizinischer Weisheiten und Methoden. Berühmt machte ihn zu seinen Lebzeiten die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers. Dafür bekam Koch 1905 den Nobelpreis für Medizin.
Fotos zeigen Robert Koch als ernsten Herrn mit Glatzkopf, Vollbart und Nickelbrille. Sein Grab in Berlin ist auch nach 100 Jahren noch etwas Besonderes. Kochs Urne ist nicht etwa auf einem Friedhof bestattet, sondern auf seinen Wunsch hin in seinem Berliner Forschungsinstitut. Ein Marmorsaal dient bis heute als kleines Mausoleum. Diesen "Luxus" leiste sich sonst nur noch Kollege Louis Pasteur in Paris, sagt Susanne Glasmacher, Sprecherin des Berliner Robert Koch-Instituts (RKI).
Zudem gibt es noch viele Erinnerungen an den berühmten ersten Hausherrn: sein Schreibtisch, seine Mikroskope und seine Bücher, die er in blauer Tinte mit einem großen "K" zu kennzeichnen pflegte. Es ist vor allem das Robert Koch-Institut, das den Namen des Wissenschaftlers lebendig hält. Ob Schweinegrippe, SARS, Milzbrand- Briefe, Masern oder Norovirus - das Haus im Berliner Norden ist als Bundesbehörde für die Gesundheit der Nation zuständig. Droht ihr eine Gefahr belagern Kamerateams den Eingang des ehrwürdigen Backsteingebäudes aus dem Jahr 1900.
Zu Kochs Zeiten mag es hier ruhiger zugegangen sein. Sein Institut lag damals am Stadtrand. Die Stadt Berlin begann im Industriezeitalter gerade erst schnell zu wachsen. Die gesundheitlichen Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Tuberkulose und Cholera: Kochs Probleme lagen quasi vor der Haustür.
Methodische Grundlagen für bakteriologische Forschung
Susanne Glasmacher sieht Kochs größte Leistung heute in dem Beweis, dass Erreger Krankheiten verursachen. Diese Schlussfolgerung war gegen Ende des 19. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit. Damals glaubten viele Menschen, dass ansteckende Krankheiten von Geistern, durch üble Ausdünstungen oder verseuchten Böden übertragen würden. Koch entwickelte entscheidende methodische Grundlagen für die bakteriologische Forschung. Dazu zählen zum Beispiel feste Nährböden zur Züchtung von Bakterien. Er war es auch, der die Fotografie in der Bakteriologie einführte. "Anfangs hat sich dadurch den Vorwurf der Manipulation eingehandelt", berichtet Glasmacher. "Zeichnen galt damals noch als Königsdisziplin." Heute sei es umgekehrt.
Koch, am 11. Dezember 1843 im Harz (Clausthal) geboren, hatte nach seinem Medizinstudium in Göttingen schon früh Forschungserfolge. Als Kreisarzt in der damaligen Provinz Posen entdeckte er 1876 die Milzbrandsporen als Ruheform des Erregers und erklärte so die bis dahin unverstandene Infektionskette. Damit wies er als erster einen Mikroorganismus als Ursache einer Infektionskrankheit nach. Das gelang ihm trotz einfachster Bedingungen in einem dürftig ausgestatteten Labor in seinem Wohnhaus.
Nach diesem Durchbruch machte Landarzt Koch Karriere. 1880 wurde er an das Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin berufen. Später erhielt er an der Berliner Universität einen Lehrstuhl. Seinen internationalen Ruhm begründete er bereits 1882. In einem Vortrag erbrachte er den Nachweis, dass auch die Volksseuche Tuberkulose auf einen Krankheitserreger zurückzuführen ist - ein Bakterium.
Wenige Jahre später wollte Koch bereits mit einem Impfstoff dafür sorgen, dass weniger Menschen an Tuberkulose sterben. Doch sein "Tuberkulin" erfüllte die Erwartungen nicht - eine bittere, öffentliche Niederlage für Koch. Er konnte noch nicht ahnen, dass sein Stoff bis heute für die Diagnose der Krankheit nützlich ist. Wundern würde Koch sich vielleicht nur, dass Tuberkulose auch 100 Jahre nach seinem Tod weiter zu den großen Killern der Menschheit zählt, mit weltweit zwei Millionen Toten im Jahr. Auch moderne Medikamente können multiresistenten Bakterienstämmen nichts anhaben.
1905: Nobelpreis für Koch
Nach seinem Misserfolg mit der Tuberkulose-Impfung gab Koch seine Professur auf und übernahm die Leitung des extra für ihn gegründeten Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten. Auch privat gab es Veränderungen. Koch und seine Ehefrau Emmy, die er 1867 geheiratet hatte, ließen sich 1893 scheiden. Die gemeinsame Tochter Gertrud war da schon erwachsen. Nur wenige Monate später heiratete Koch die 30 Jahre jüngere Hedwig Freiberg.
Sie begleitete ihn mit ihrem ausgezeichneten Englisch auf seinen Forschungsreisen an die Infektionsherde der Welt: zur Pest nach Indien oder an die Malariafront in Afrika. Am Viktoriasee erreichte Koch Mitte September 1905 die Nachricht vom Nobelpreis. Die Briten in Afrika und die kaiserliche Marine sorgten dafür, dass Koch es gerade noch rechtzeitig zur Verleihung am 12. Dezember nach Stockholm schaffte.
Koch machte sich in seiner Berliner Zeit neben der Tuberkulose auch einen Namen als Cholera-Forscher und Experte für Tropenkrankheiten. Seine Studienreisen in Infektionsgebiete hat er gesund überstanden. Zum Verhängnis wurde ihm im April 1910 ein klassisches Leiden: ein Herzinfarkt. Wenige Wochen später starb er so, wie er es sich gewünscht hatte: Er fiel während seiner Kur in Baden-Baden einfach tot um. Sein Berliner Institut wurde von Anfang an das "Koch'sche" genannt. Offiziell erhielt es seinen Namen erst im Jahr 1912 - und trägt ihn bis heute mit Stolz.