Bischöfe zu Pfingsten: Mehr Mitmenschlichkeit

Bischöfe zu Pfingsten: Mehr Mitmenschlichkeit
Zu Pfingsten haben evangelische und katholische Bischöfe für mehr Mitmenschlichkeit und einen offensiven Umgang mit dem Missbrauchskandal geworben. Der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Präses Nikolaus Schneider forderte mehr sozialen Zusammenhalt, der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, einen "unablässigen Einsatz für eine Kultur des Lebens".

Der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich sagte mit Blick auf die Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen: Endlich hätten die Opfer den Mut gefunden, von ihren Erfahrungen zu erzählen, und endlich hätten die Kirchen den Mut gefunden, die nötigen Konsequenzen zu ziehen. "Dort, wo Missstände und Verbrechen mutig angesprochen werden, dort, wo Täter und Opfer beim Namen genannt werden, dort ist der Geist wie ein reinigendes Feuer", sagte Friedrich in der Münchner Matthäuskirche.

Pfingsten ist das "Fest des Heiligen Geistes" und nach Weihnachten und Ostern das dritte Hauptfest des christlichen Kirchenjahres. In Erinnerung an die in der Bibel geschilderte Ausgießung des Heiligen Geistes wird Pfingsten auch als Geburtstag der Kirche und Beginn der weltweiten Mission verstanden.

Zollitsch schrieb am Sonntag in seiner Internet-Pfingstbotschaft, Gottes Geist motiviere, sich um das menschliche Leben zu sorgen in all seinen Phasen und ohne jede Einschränkung. "Ich meine, das Pfingstfest zeigt uns klar und deutlich, was einen christlichen Menschen auszeichnet: Wir sind nicht - wie viele meinen - rückwärts orientiert, nein, wir leben in der Gegenwart, in der Gegenwart des Heiligen Geistes und schauen in seiner Kraft in die Zukunft", so Zollitsch.

Der Paderborner Erzbischof Heinz-Josef Becker erinnerte vor diesem Hintergrund an die Pflicht der Kirche zur Verständigung. Die Kirche stehe nun vor der Aufgabe, sich im Sinne des Pfingstgeistes der Opfer, der Leidenden und Bedrängten anzunehmen.

Erneuerung des Glaubens nach dem ÖKT

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge äußerte sich besorgt über die gesellschaftlichen Entwicklungen. "Die atemlose Raserei treibt unsere Welt in ein Labyrinth der Ratlosigkeit, in dem die Maßstäbe verloren gehen, in dem Gier und Zynismus wachsen, in dem aber nicht gut zu leben ist", erklärte der Geistliche in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Als Auswüchse solcher gesellschaftlicher Fehlentwicklungen nannte Dröge unter anderem sexuelle Gewalt an Kindern, von der so getan werde, als sei es ein Kavaliersdelikt.

Nach Auffassung des Hildesheimer Regionalbischofs Eckhard Gorka ist Pfingsten ein Fest der Gemeinschaft, Begegnung, Aufbruchstimmung und Begeisterung. Im ARD-Gottesdienst aus der zum Weltkulturerbe zählenden St. Michaeliskirche in Hildesheim rief Gorka am Pfingstsonntag zu einer Erneuerung des Glaubens auf. Beim Ökumenischen Kirchentag in München seien einige Christen enttäuscht gewesen, weil die Einheit der Kirchen zwar beschworen, aber nicht gefeiert worden sei. Andere seien dagegen froh gewesen, dass trotz fehlender Einheit gemeinsam gefeiert werden konnte, sagte Gorka.

Schneider: Mehr sozialer Zusammenhalt!

Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat in seiner Pfingstbotschaft mit Blick auf Inflationsangst und Währungskrise zum sozialen Zusammenhalt aufgerufen. Zwar biete die biblische Pfingstgeschichte "keine volkswirtschaftlichen Ratschläge für den Umgang mit der Euro-Krise", erklärte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland am Freitag in Hannover. Sie gebe aber den Hinweis, "dass jede Gemeinschaft langfristig geistige und auch geistliche Fundamente braucht, will sie Stürmen rauer Zeiten trotzen."

In diesen Tagen seien viele beunruhigt, so Schneider: "Inflationsangst geht um. Scheitert der Euro, dann scheitert Europa - so prophezeit es die Bundeskanzlerin. Die europäischen Regierungen basteln an immer neuen Schutzschirmen, die sich alsbald als löcherig erweisen." Von Krediten und Bürgschaften in schwindelerregender Milliardenhöhe sei die Rede. "Und das Eurobarometer, das die Begeisterung der EU-Bürger für den Staatenverbund erkunden soll, sinkt auf einen Tiefpunkt."

"Europa ist durch diese Krise herausgefordert", fügte der EKD-Ratsvorsitzende hinzu. Die Politiker würde erkennen, "dass der Zusammenhalt gefährdet ist und der Glaube an die Vision von Europa schwindet". Schneider: "In diesen Wirrnissen trifft uns die Botschaft von Pfingsten: Gott befreit Menschen." Pfingsten verändere "uns und mit uns die Welt zu einer Schöpfung, wie Gott sie will."

"Bibel kein Navigationsgerät"

"Die Bibel ist kein Navigationsgerät, das uns sicher zu politischen oder gar ökonomischen Zielen führt", räumte Schneider ein. Auch der Mensch könne nicht alles bis zum Letzten abschätzen. "Doch Gott steht uns bei und schenkt uns seinen Geist. Dieser Geist ist die Kompassnadel, die uns den Weg durch dieses Leben weist".

Die Visionen von "einer Welt ohne Krankheit, ohne Tränen, ohne Todesmächte und Todesgewalten" könnten die Menschen durch die Zeit tragen. Sie inspirierten dazu, Frieden und Gerechtigkeit zu üben. Schneider rief dazu auf, sich für Ordnungen und Gesetze einzusetzen, die wirklich allen Menschen dienen und auch die Kleinen respektieren und schützen."

Die Pfingstbotschaft erinnere daran, dass die ersten Christen verbunden waren im gemeinsamen Glauben. Das gemeinsame Wirtschaften, das Teilen und die Solidarität mit den Hilfsbedürftigen sei nicht Grundlage und Ziel der frühchristlichen Gemeinsamkeit gewesen, "sondern ihre notwendige Folge". Die ersten Christen hätten in herausgehobener Weise "die geistliche wie soziale Kraft ihrer Gemeinschaft" erlebt.

epd