Rund um Weihnachten haben Religionsthemen Hochkonjunktur im Blätterwald. Dieses Jahr macht sogar "Spektrum der Wissenschaft" mit: Die lesenswerte, online verfügbare Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe dreht sich um das Verhältnis von Glaube und Vernunft.
"Sind Wissenschaft und Religion vereinbar?" fragt die Titelseite der Januar-Ausgabe von "Spektrum", noch eine Spur grundsätzlicher zieht der Hauptartikel mit seiner Überschrift "Vernunft und Glaube?" gar in Zweifel, ob (christlicher) Glaube überhaupt rational sein kann. Die Antwort, zu der Christian Tapp – studierter Theologe, Philosoph und Mathematiker – in dem Artikel kommt, ist eindeutig: Ja – er kann nicht nur, er muss sogar.
Man sollte sich dabei nicht davon abschrecken lassen, dass die Hauptfrage des Textes lautet: Ist Theologie eigentlich eine Wissenschaft? Denn so akademisch, wie das klingt, ist der Artikel nicht. Vielmehr setzt sich Tapp ganz anschaulich mit den grundlegenden Zweifeln auseinander, die man an der Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft haben kann, und behandelt dabei, knapp und gut, zentrale Begriffe (die verschiedenen Aspekte von "Glaube" etwa) ebenso wie Grundfragen des Textverständnisses oder das Theodizee-Problem (Wie kann ein allmächtiger und gütiger Gott Leid zulassen?).
Wem das als Leseempfehlung noch zu abstrakt ist, hier noch zwei konkrete Gedanken aus dem Text, die ich spannend finde:
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Man kann durchaus die Frage stellen, ob Glaube denn überhaupt \tvernünftig sein und versuchen muss, alle Widersprüche etwa \tzur Wissenschaft aufzulösen. Diese Frage, so Tapps These, lasse \tsich aber nicht "von außen" beantworten, sondern nur \taus dem christlichen Glauben heraus. Zwei wesentliche Gründe, \twarum die Vernunft nicht außen vor bleiben darf, führt \tTapp dann an: Christlicher Glaube will für den ganzen Menschen, \tinklusive Intellekt, da sein. Und: Gott selbst, so wie Christen an \tihn glauben und wie es etwa der erste Satz im Johannesevangelium auf \tden Punkt bringt, ist logos – \talso Wort, Vernunft, Sinn. Und gerade dadurch, dass er dank seiner \tVernunft Dinge erkennen kann, hat der Mensch Anteil am Göttlichen.
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Zur \tunendlichen Kreationismus-Debatte (auch in diesem Blog schon hier \tund hier \tThema) hat der Kirchenvater Augustinus (354-430) eigentlich \tschon alles gesagt: dass es nämlich der Bibel um einen Heilsweg \tgehe, nicht um Erklärung von Naturphänomenen. Tapp zitiert \tAugustinus' Schrift "Über den Wortlaut der Genesis":
"Oft \tgenug kommt es vor, dass auch ein Nichtchrist ein ganz sicheres \tWissen durch Vernunft und Erfahrung erworben hat, mit dem er etwas \tüber die Erde und den Himmel (...), über die Umläufe \tder Jahre und Zeiten, über die Naturen der Lebewesen, \tSträucher, Steine und dergleichen zu sagen hat. Nichts ist nun \tpeinlicher, gefährlicher und am schärfsten zu verwerfen, \tals wenn ein Christ mit Berufung auf die christlichen Schriften zu \teinem Ungläubigen über diese Dinge Behauptungen aufstellt, \tdie falsch sind und, wie man sagt, den Himmel auf den Kopf stellen, \tso dass der andre kaum sein Lachen zurückhalten kann."
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