„Wir sollten denken wie Maschinen“

„Wir sollten denken wie Maschinen“
Die Arbeitsbedingungen für jene Menschen, die für Facebook anstößige Inhalte löschen, sind mit prekär nur unzureichend benannt. Der Mann, der #KeinGeldFürRechts initiierte, muss um sein Leben fürchten. Außerdem: Inwiefern ein von Hannah Arendt geprägter Begriff dazu geeignet ist zu beschreiben, was in „diversen Echo- und Meinungskammern der sozialen Medien“ vor sich geht. Und: Wurde „die Bedeutung von Social Media“ bei der US-Wahl überschätzt?

Hannes Grassegger dürfte, gemessen daran, was er mit einem Beitrag in den vergangenen zirka zwei Wochen ausgelöst hat, und daran, was er mit einem heute erschienenen Artikel auslösen wird, der Mann der Stunde sein im medienjournalistischen Milieu. Er ist einer der beiden Autoren der viel geteilten und teilweise auch stark angegriffenen, in der Schweizer Tageszeitungs-Beilage Das Magazin erschienenen Geschichte über die Rolle von Cambridge Analytica beim Ausgang der US-Wahl (siehe unter anderem dieses Altpapier). Und nun hat sich Grassegger, gemeinsam mit Till Krause, für das SZ-Magazin mehrere Monate „inside Facebook“ begeben, um einen Einblick zu bekommen in die vom Konzern geheim gehaltenen Bedingungen, unter denen die von der Bertelsmann-Firma Arvato zusammengestellten Content-Lösch-Trupps in Berlin arbeiten. Um die Tätigkeit dieses Dienstleisters ging es zuletzt in diesem Altpapier anlässlich eines mobilegeeks.de-Beitrags, der auf den Aussagen eines Arvato-„Insiders“ basierte.

Im Teaser-Text für die SZ-Magazin-Story, den es auch in englischer Übersetzung gibt, schreiben Grassegger/Krause:

„Den vom SZ-Magazin befragten Mitarbeitern ist es eigentlich verboten, mit Journalisten oder Behördenvertretern zu reden. Doch sie wollen ihre Arbeitsbedingungen öffentlich machen. Sie sind die unsichtbaren Leidtragenden, die für Facebook Inhalte möglichst schnell entfernen sollen - aber sich für diese Arbeit oft nicht ausreichend vorbereitet und psychologisch betreut fühlen.“

Zum einen geht es in der Geschichte um die den Autoren nach ihrer Auskunft weitgehend vorliegenden „Löschregeln, nach denen Inhalte bei Facebook entfernt werden müssen (…) Es ist eine Art firmenintern definierte Form der Meinungsfreiheit“. Demnach

„können etwa Sätze, die Migranten als ‚dreckige Diebe‘" bezeichnen (stehen bleiben) (…) Gelöscht werden müssen hingegen Sätze, die Migranten mit Dreck oder Ungeziefer vergleichen, aber nur, wenn dieser Vergleich als Substantiv erfolgt (‚Migranten sind Dreck‘).

Zum anderen vermittelt der Text ein, tja, sehr gutes bzw. möglicherweise sogar ein paar hartgesottene Marxisten schockierendes Bild von der Situation der in jeder Hinsicht ausgebeuteten Arvato-Mitarbeiter. Die mit der Videolöschung beauftragten „Content-Moderatoren“ - hierbei handelt es sich wohlgemerkt um eine gehobene Position - hätten „pro Fall acht Sekunden Zeit“, schreiben Grassegger/Krause, einer der Informanten erzählt, „sein Tagesziel seien mehr als 3.000 Fälle gewesen“. 

In den Magazin-Fließtext sind ingesamt 34 kursiv gesetzte Zitatblöcke eingebaut, in denen die Mitarbeiter ihre psychische Lage beschreiben:

"Seit ich die Kinderpornovideos gesehen habe, könnte ich eigentlich Nonne werden - an Sex ist nicht mehr zu denken. Seit über einem Jahr kann ich mit meinem Partner nicht mehr intim werden. Sobald er mich berührt, fange ich an zu zittern“,

sagt zum Beispiel eine Frau. Oder:

"Die Regeln waren kaum zu verstehen. Ich habe meinem Teamleiter gesagt: Das gibt's doch nicht, das Bild ist total blutig und brutal, das sollte kein Mensch sehen müssen. Aber er meinte nur: Das ist deine Meinung. Aber du musst versuchen, so zu denken, wie Facebook es will. Wir sollten denken wie Maschinen.“

Gegen Ende schreiben Grassegger/Krause:

„Im Zuge unserer Recherchen haben wir unsere Quellen immer wieder gefragt, wie es ihnen geht. Einer hat seine Albträume überwunden, nur tagsüber kommen manchmal die Bilder wieder hoch. Als er kürzlich auf einer Leiter stand, um eine Glühbirne zu wechseln, blickte er nach unten - und sah plötzlich vor seinem inneren Auge den Boden, auf dem die angeblichen Homosexuellen aufschlagen, die IS-Schergen von einem Hausdach gestoßen haben. Eine hat das Land verlassen und lebt weit weg von Deutschland. Eine andere kämpft mit der Vorstellung, überall im Park Tierschänder zu sehen, am Strand Kinderschänder. Sie hat Arvato verlassen und nimmt nun psychologische Hilfe in einer Traumatherapie in Anspruch.“

Zum vollständigen Text, der natürlich kostenpflichtig ist, geht es hier. Wer im für Arvato zuständigen Aufsichtsrat sitzt, steht hier.

In ihrer aktuellen Zeitungsausgabe beschäftigt sich die SZ unter einem anderen Aspekt mit Facebook. Andreas Zielcke beschreibt im Feuilleton, dass sich „die sozialen Medien zu Echokammern entwickelt (haben), die von Autokraten hemmungslos befeuert werden“:

„Warum passen der autoritäre Anspruch von Autokraten und der tausendfach zersplitterte, antiautoritäre Reflex der Nutzer zusammen? Wenn die Nutzer in Facebook ihrem Eigensinn und Abgrenzungsverlangen freien Lauf lassen können - was ist das für ein Eigensinn, was für ein Identitätsanspruch, der sich an Autokraten abtreten und delegieren lässt? Wie auch immer diese Paradoxie zu erklären ist, sie kann nur funktionieren auf Kosten von Offenheit und Respekt vor Andersheit.“

Schließlich bringt Zielcke Hannah Arendt ins Spiel.

„‚Die Lüge impliziert Freiheit‘, hielt (sie) in ihrem ‚Denktagebuch‘ fest, ‚die Wahrheit zwingt zur Einsicht.‘ Lüge hat bekanntlich tausend Gesichter, Wahrheit nur eines. Und wo missfallende Tatsachenbehauptungen dann doch nicht aus der Welt zu schaffen sind, erklärt man sie zu bloßen Meinungen der Gegner. Auf diese Weise lassen die diversen Echo- und Meinungskammern der sozialen Medien eigene politische Realitäten entstehen, die untereinander keinen verbindlichen Wirklichkeitsbezug teilen. Da passt der geniale Begriff ‚Entwirklichung‘, ebenfalls von Hannah Arendt. Vor allem dieser Zug zur Entwirklichung macht soziale Medien für Populisten so anfällig. Würden Populisten nur Wut und Ängste oder patriotischen Furor aufwiegeln, wäre das schon gefährlich genug. Doch richtig leicht wird es ihnen von Massenmedien gemacht, in denen gemeinsame Wahrheiten obsolet sind.“

Des weiteren ist Facebook heute ein Thema, weil der Konzern gerade angekündigt hat, welche „Maßnahmen“ er gegen die Verbreitung von Fake News in den USA zu ergreifen gedenkt. Dennis Horn hat dazu Beiträge für tagesschau.de und den WDR-Blog Digitalistan verfasst. Im erstgenannten Text erwähnt er unter anderem

„eine verbesserte Meldefunktion: Dort, wo Nutzer dem sozialen Netzwerk bisher Beleidigungen oder andere Verstöße gegen die Facebook-Standards melden können, sollen sie demnächst auch Falschmeldungen zur Überprüfung einsenden können."

Sollten diese Falschmeldungschecker unter arvatoesken Bedingungen arbeiten müssen, brächte das Ganze freilich eher wenig. Immerhin

„will Facebook besonders häufig gemeldete Beiträge externen Factchecking-Organisationen übermitteln. Dazu gehören in den USA zum Beispiel das Portal snopes.com oder das Fernsehnetzwerk ABC News."

Auch netzpolitik.org geht auf das Thema ein. Als Ergänzung empfohlen: „Facebook: Wo bleibt die Verantwortung?“, der rund zwölfminütige Schwerpunkt im NDR-Medienmagazin „Zapp“ am Mittwoch dieser Woche.

[+++] Um, zumindest für kurze Zeit, mal wieder etwas herunterzukommen in Sachen soziale Medien: Jenna Lowenstein, die „Digitalchefin von Hillary Clintons Kampagne“, war gerade in Berlin zu Gast, wo sie unter anderem gesagt hat:

„Es ist wichtig, dass wir die Bedeutung von Social Media bei dieser Wahl nicht überschätzen.“

Dirk Peitz hat dies für wired.de notiert, und natürlich schreibt er auch darüber, wie Lowenstein die Rolle von Cambridge Analytica sieht, jene Firma, die heute ganz oben schon Erwähnung fand:

„‚Cambridge Analytica hat eine sehr gute Marketingabteilung‘, sagt Jenna Lowenstein (…) sehr trocken. Und: ‚Wir wissen nicht, welche Auswirkungen die Arbeit von Cambridge Analytica hatte. Ich habe ihre Tools nie gesehen. Doch verschiedene Datensätze zu kombinieren, Umfragen dazu zu machen und darauf basierend ein Modell zu entwickeln – das klingt nach den üblichen Standardverfahren, die auch von anderen benutzt werden in Wahlkämpfen und in ähnlicher Form bereits seit Jahrzehnten in der kommerziellen Marktforschung. Ein Grund dafür, dass diese Methoden keine große Offenbarung sind, zeigt sich für mich darin, dass die Trump-Kampagne selbst bis zuletzt davon überzeugt war, dass sie die Wahl verlieren würde. Sie hatte keine Geheimwaffe.‘“

Und dennoch:

„Wie immer man auch das Ergebnis dieser Wahl findet – es stellt alles das in Zweifel, was wir bislang über die Rolle des Internet in Wahlkämpfen zu wissen glaubten.“

[+++] Wie ergeht es hier zu Lande jemandem, der Firmen darüber aufklärt, wie Anzeigenschaltungen online funktionieren, und ihnen empfiehlt, sich darüber zu Gedanken zu machen, neben welchen Inhalten ihre Namen auftauchen? Er muss sich verstecken.

„Herr Hensel, wo befinden Sie sich gerade?“

„Ich bin in einem Hotel an einer Stelle, die nicht in Berlin ist.“

Aus Sicherheitsgründen?“

„Ja, klar.“

So beginnt ein stern.de-Interview mit Gerald Hensel, dem Initiator der Aktion #KeinGeldFürRechts (siehe zuletzt Altpapier von Donnerstag).

„Ich bekomme seit sieben Tagen täglich Tausende von Hass-Tweets und Facebook-Messages, es wurden mehrere Fake-Profile mit meinem Namen angelegt“,

sagt Hensel. Auch Morddrohungen seien darunter, schreibt stern.de im Vorspann. Wenn schon jemand Morddrohungen bekommt, weil er ein paar Mechanismen des Werbegeschäfts aufgezeigt hat (In Hensels Worten: „Werbeleiter dieser Welt, schaut mal wieder hin, wohin ihr euer Geld gebt. Ihr habt nämlich keine Ahnung mehr, wie eure Budgets funktionieren“), was blüht dann jemandem, der in schärferer Form etwas formuliert, was dem rechten Milieu nicht gefällt?

„Die schweigende Masse, das deutsche Bürgertum, das den Mund nicht aufkriegt, (bekommt) durch diese Geschichte mal mit, was das für Leute sind, die sich hier als Verteidiger des Abendlandes aufspielen (…) In dieser einen Woche haben sich Menschen demaskiert. Wer bisher noch nicht den Schuss gehört hat, da kann ich nur sagen: Guckt mal, was hier passiert“,

sagt Hensel im Inteview des weiteren. Abgesehen davon, dass ich bei den erwähnten Abendland-Verteidigern auch vorher keine Maske habe entdecken können, die sie sich vom Gesicht hätten reißen können: Ich befürchte, dass dieser Fall zu „nischig“ ist, um von nennenswerten Teilen des „deutschen Bürgertums“ wahr genommen zu werden. Vielleicht befürchtet Hensel das auch, denn bei Facebook schreibt er:

„Wenn mir Deutschland einen Gefallen tun möchte. Dann durch eines: Schreibt über diesen Fall!“ 

Möglich, dass die Angriffe auf Hensel bei jenen, die er hier ansprechen will, eine kämpferische Haltung gegenüber dem digitalen Mob und den Mobaufwieglern und Mobverstehern aus dem publizistischen Milieu hervorruft, es ist aber auch die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass sich der eine oder andere für die Selbstzensur entscheidet, weil er sich dem verbalen Terror, dem Hensel derzeit ausgesetzt ist, nicht aussetzen will oder kann.

In einem weiteren Facebook-Post äußert sich Hensel folgendermaßen:

„Wenn mich Leute fragen, ob ich wegen der Morddrohungen und des einwöchigen digitalen Hatemobs schon bei der Polizei war, kann ich ernsthaft nur fragen, was ich da tun soll. Soll ich einem Polizisten mit einer Schreibmaschine und Aktenordnern ernsthaft erzählen, dass mir letzte Woche von tausenden von Bots und Twitter-Fake Profilen der Tod angedroht wurde? Was genau wird er dann tun? Eine Anzeige aufnehmen und weiterleiten? Was für eine romantische Vorstellung von Meinungsbildung im öffentlichen Raum 2016.“ 

Sich bei Facebook wegen Morddrohungen zu melden, brächte womöglich auch eher nicht so viel. Margarete Stokowski zum Beispiel hat es aus ähnlichen Gründen gerade getan.

[+++] Ob das folgende Thema in einem direkten Bezug zum vorigen steht, ist Auffassungssache. Jörg Friedrich schreibt in einem Beitrag für den Blog Die Kolumnisten

„Im Zusammenhang mit dem Erstarken radikaler politischer Kräfte, die mittlerweile in Parlamenten ernst zu nehmenden politischen Einfluss bekommen, wird gern über die sozialen Medien im Internet, über Anonymität und Hasskommentare geklagt.“ 

Es stelle sich aber die Frage,

„ob wir unseren analytischen und argumentativen Eifer nicht auf eine ganz falsche Stelle der Medienwelt konzentrieren“.

Das ist auch insofern ein guter Gedanke, als jene, die sich heute in den „diversen Echo- und Meinungskammern“ aufhalten (Andreas Zielcke, siehe oben), durch die etablierten Medien sozialisiert wurden. Friedrich befasst sich in seinem Text mit dem Hörfunkprogramm WDR 2

„(das) ich jeden Morgen ca. zwei Stunden lang und im Laufe des Tages hin und wieder beim Autofahren höre. WDR 2 ist einer der reichweitenstärksten Radiosender Deutschlands, täglich schalten dreieinhalb Millionen Menschen diesen Sender ein, pro Stunde hören im Schnitt mehr als eine Million Menschen diesen Sender. Aufmerksamen Hörern dürften in den letzten Monaten einige Veränderungen aufgefallen sein. So dauern die Hauptnachrichten zur vollen Stunde, die früher einmal fünf Minuten gedauert haben, inzwischen nur noch vier Minuten. Zweimal wechselt der Sprecher, jeweils mit einer kurzen Anmoderation verbunden, die keine echte Information enthält. Zur halben Stunde, wenn zu den kurzen Regionalnachrichten gewechselt wird, ist die Informationsleere noch mehr zu spüren, wenn die ‚Station Voice‘ mit dramatischer Stimme verkündet: ‚Und jetzt, immer um Halb, von morgens 6 bis abends 6, Ihre Lokalzeit …‘ Was darunter leidet, ist die Menge sachlicher echter Information, die tatsächlich in den Nachrichten gebracht wird. Statt Details zu nennen, gibt es nur noch Überschriften und Teaser, für mehr reicht die Zeit in diesen verkürzten Nachrichtensendungen nicht mehr.“

Der Text ist bereits am vergangenen Wochenende erschienen, aber es gibt einen aktuellen Anlass, ihn heute anzugreifen: ein großes epd-medien-Interview, das Diemut Roether mit WDR-Intendant Tom Buhrow geführt hat

Roether bemerkt: 

„Ich vermisse (…) bei WDR 2 Information. Ich habe das Gefühl, das wird immer weniger.

Woraufhin Buhrow entgegnet: 

„Das hat aber nichts mit Sparmaßnahmen zu tun, das ist eine der immer mal wieder notwendigen Reformen in einer Hörfunkwelle für ein Massenpublikum. Eine Breitenwelle muss sich dem anpassen, was Hörer wollen.“ 

Abgesehen davon, dass der Hörerwille zu einem wesentlichen Teil etwas ist, was die Sender selbst vorher geformt haben, könnte man darauf mit Jörg Friedrich antworten:

„Ein Radiosender, zudem ein öffentlich-rechtlicher Informations- und Unterhaltungssender, sollte nicht einer imaginierten Dummheit der Hörer hinterherlaufen, sondern seinen Auftrag als Anspruch verstehen.“

In der aktuellen Ausgabe von epd medien geht Diemut Roether zudem auf ein der Redaktion vorliegendes internes ARD-Papier zu „Auftrag und Strukturoptimierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten in Zeiten der Digitalisierung der Medien“ ein:

„Die ARD-Anstalten befänden sich derzeit in einem ‚tiefgreifenden Veränderungsprozess zu crossmedialen Medienhäusern‘, heißt es in dem Papier. Ein mediengattungsübergreifendes Angebot auf unterschiedlichen Ausspielwegen erfordere ‚eine stärkere Präsenz im nicht- linearen Bereich, ohne dabei die Stärken in der linearen Welt zu verlieren.‘ (…) Gefordert wird auch, den Telemedienauftrag für die ARD-Sender ‚zeitgemäß‘ zu gestalten. So sollten unter anderem sendungsbezogene Telemedienangebote zu sportlichen Großereignissen wie etwa Spiele der Fußball-Bundesliga bis zu 30 Tage nach Ausstrahlung der Sendung verfügbar sein (…) Es müsse auch sichergestellt werden, dass ein Angebot künftig auch Inhalte aufgrund direkter gesetzlicher Beauftragung enthalten könne und ‚nichtsendungsbezogene Inhalte auf der Grundlage eines Telemedienkonzepts und gegebenenfalls eines Drei-Stufen-Tests.‘“ 

Dass diese Inhalte des Papiers (siehe dazu auch eine epd-Meldung in der Berliner Morgenpost) einen Aufruhr auslösen werden bei Michael Hanfeld, Privat-TV-Lobbyisten und Verlegerverbänden, ist nicht schwer vorherzusehen.


Altpapierkorb

+++ Auf eine Studie der Universität Wien zu der Frage, „welche Auswirkungen die zunehmende Überwachung auf investigative Journalisten“ habe, geht netzpolitik.org ein. Fazit: Die „Grenze zwischen autokratischen Regimen und westlichen Demokratien“ verwische. „Befragte Journalisten aus Polen und Ungarn seien sich sicher, dass ihre Telefonate jederzeit abgehört werden können. Die türkische Journalistin Sevgi Akarçe?me sagte zum Einfluss der Überwachung auf ihre Arbeit: ‚When you know you are being monitored by Big Brother you watch your words.‘“

+++ „Der gewaltige Datenklau beim Internet-Provider Yahoo, die Hackerangriffe im US-Wahlkampf, die Fake-News-Manipulationen in Deutschland - das Netz wandelt sich in rasantem Tempo zum eigentlichen Schlachtfeld der Geopolitik. Es geht um Destabilisierung von Systemen, um die Zerstörung von Glaubwürdigkeit, um die Manipulation von realen Ereignissen, konkret: von Wahlen.“ Das schreibt Stefan Kornelius auf der SZ-Meinungsseite.

+++ „Es könne ja auch jemand für eine bestimmte Partei sogenannte Social Bots als Meinungsmaschinen einsetzen, ohne dass sie das wisse und möchte. ‚Und diese Partei muss dann erstmal nachweisen, dass sie es nicht war.‘“ Mit diesen Worten zitiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland den CDU-Politiker Peter Tauber.

+++ „Ein simulierter Anschlag, ein Beschuss am Checkpoint und eine Entführung als Berufsvorbereitung“ - wie Journalisten „auf ihre Einsätze in Krisen- und Kriegsgebieten vorbereitet werden“, beschreibt ein Beitrag des EJO.

+++ Ein bisschen Kitsch gefällig? „(Jürgen) Todenhöfer ist 76 Jahre alt und befindet sich in seinem dritten Leben. Das schreibt Jakob Augstein, der Verleger des Freitag, in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung über seinen neuen Buddy. In dieser fehlen, dies sei am Rande bemerkt, zwei regelmäßige Rubriken: die Kulturkolumne und das Medientagebuch.

+++ Die Jungle World schreibt über die Über-Journalismus-Serie „Good Girls Revolt“ (Amazon): Dass Journalistinnen in einer Redaktion mal als Puppen bezeichnet wurden, ist heutzutage schwer vorstellbar. Aber genau so, nämlich 'the Dollies', wurden Frauen Ende der sechziger Jahre beim US-amerikanischen Nachrichtenmagazin Newsweek genannt. Irgendwann hatten die Journalistinnen die Nase voll und begannen eine Revolte. Um sie geht es in der Amazon-Serie ‚Good Girls Revolt‘, die dieses weitgehend unbekannte und unrühmliche Kapitel der US-amerikanischen Pressegeschichte beleuchtet.“ Die Rezensentin Annette Walter kritisiert zwar, dass die Drehbuchautoren allzu pädagogisch an das Thema herangingen. Aber: „Auch wenn das Setting historisch ist, sind die Themen immer noch aktuell. Noch immer sind Frauen in Führungspositionen von Medien, ob Print, Online, Radio oder Fernsehen, deutlich unterrepräsentiert. Ein Frauenanteil von 30 Prozent, wie ihn etwa der Verband Pro Quote anstrebt, erscheint in naher Zukunft mehr als unrealistisch.“

+++ Aufmacher auf der FAZ-Medienseite: Anlässlich des Auftakts der Darts-WM schreibt Christian Palm darüber, welche Randsportarten im Fernsehen gut funktionieren. Football bei Pro Sieben Maxx zum Beispiel. Gemessen an den dortigen Zuschauerzahlen sei „der für Deutsche bisher weitgehend unbekannte Sport in kürzester Zeit beliebter als Handball, Basketball und Eishockey geworden. Und die nächsten Fernsehsport-Phänomene sind schon in Planung. Beflügelt von den Erfolgen, produzieren die Sender im Akkord."

+++ Thomas Gehringer hat für die Stuttgarter Zeitung mit Jürgen Domian gesprochen, der „seinen nächtlichen Dienst als Zuhörer, Ratgeber und Seismograf der Republik“ in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember beendet. Um 1 Uhr läuft sein Telefontalk, parallel im WDR-Fernsehen und bei Radio 1Live gesendet, zum letzten Mal. Dazu Hans Hoff (SZ): „Nach 21 Jahren und etwa 25 000 Gesprächen endet sein Call-in-Format, schließt eine Institution ihre Pforten, gibt es abgesehen von ein paar Stöhndamen mit sehr teuren Telefonnummern niemanden mehr, den man nachts einfach so anrufen kann, dem man von seiner Verzweiflung berichten kann, von Ausweglosigkeit, von Krankheiten, die nur noch wenige Tage Leben übrig lassen.“

+++ Das deutsche Fernsehen sei wohl das beste der Welt, hat gerade Heiner Lauterbach (!) im Bundestag (!) gesagt (bei dieser Veranstaltung), und anstatt dem viel zu entgegen, ließe sich auf eine „Tonight Show“-Performance von Childish Gambino verweisen, die im hiesigen Fernsehen wohl nie möglich wäre. Andererseits - und um bei Musik zu bleiben: Dieses Medley aus dem gestrigen „Neo Magazin Royale“ ist wahrlich auch nicht übel.

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.

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