Der in Deutschland schwer trendende Hashtag #ZK2016 steht keineswegs, wie Trends-Kenner erst mal denken könnten, für #ZombieKillers, sondern für den Zeitungskongress 2016 des Bundes Deutscher Zeitungsverleger. Der neue Präsident des BDZV, Mathias Döpfner, hielt seine erste Rede. Jetzt
"muss der BZDV ein Kompetenzzentrum der Digitalisierung"
werden, heißt es darin gegen Ende. Und prompt gibt ein funkelndes Feuerwerk digitaler Medien Widerschein von dieser Rede.
Außer im schriftlichen Wortlaut zum Download als PDF (18 Seiten) gibt es sie, nachdem die Chance, sie via Periscope live anzusehen und -hören, verstrichen ist, als 56-minütiges Video auf dem bdzvtv-Kanal bei Youtube. Ein Storify ist überdies zu haben. Der text-basierte Blog von blog.politikorange.de ("Frisch, fruchtig, selbstgepresst"), einem Haufen fröhlicher junger Leute, füllt sich mählich. Und selbst die Fotogalerie "Der Zeitungskongress in Bildern" auf bdvz.de sieht deutlich frischer aus als Zeitungskongress-Klickstrecken früher auszusehen pflegten.
Klassische Berichterstattung, die zusammenfasst und interpretiert, was Döpfner in seiner "fulminanten" "Brandrede" (wuv.de), seiner "aufrüttelnden 'Regierungserklärung'" (meedia.de, wo Marvin Schade nicht nur einmal darauf hinweist, wie "gewaltig" Döpfner die eingeplante Redezeit "sprengte"), so sagte, gibt es natürlich auch noch. Bei turi2.de haben sie hastig "Kernthesen" extrahiert, bei horizont.net die DPA-Meldung mit Entgegnungen des unmittelbar angesprochenen EU-Kommissars Günther Oettinger übernommen. Döpfner
"erwähnte ... lobend die Namen möglichst vieler Lokalzeitungen, stichelte ein bisschen gegen Facebook, den 'digitalen Superverleger'. Döpfner erklärte, er wolle, dass guter Journalismus eine Zukunft hat, dass Verlage ihre 'wichtige gesellschaftspolitische Rolle behalten'",
fasst etwas gelangweilt und gegen den "Verlegerpräsident vom immer papierloseren Springer-Verlag" stichelnd, Gianna Niewel auf der SZ-Medienseite (unfrei online) zusammen. Dabei verdient zumindest das, was Döpfner rund um Facebook sagte, Beachtung, weil er da in eine auch sonst heftig geführte Debatte eingriff. Um noch mal meedia.de zu zitieren:
"Zwar würden Social-Media-Konzerne den Dialog mit Verlagen mittlerweile ernsthaft führen, allerdings bislang ohne befriedigende Ergebnisse. US-Unternehmen sammelten nach wie vor den Großteil der Umsätze ein, so Döpfner weiter. Ein funktionierendes Geschäftsmodell zu entwickeln, definierte er als eine Kernaufgabe des BDZV. Voraussetzung allerdings sei, dass sich die Unternehmen ausschließlich auf Distribution konzentrierten. 'Wenn diese quasi-monopolistischen Technologie-Plattformen auch inhaltliche Verantwortung übernehmen, sind die Folgen gravierend – für das Geschäft und für die Gesellschaft.' Die Rolle der sozialen Medien definierten dabei nicht nur sie selbst, sondern auch Verlage und Politik.
Man dürfe die Tech-Konzerne nicht überhöhen. Geschehen sei dies beispielsweise in der Diskussion um die so genannte Hate Speech bei Facebook, in der man an die inhaltliche Verantwortung des US-Konzernes appellierte. 'Wenn wir Facebook diese Rolle zumessen – oder wie oft geschehen sogar aktiv fordern! –, schaufeln wir den Verlagen ihr eigenes Grab.' Und weiter: 'Wer von Facebook die inhaltliche Verantwortung für jede Zeile verlangt, adelt das Unternehmen – übrigens gegen dessen Willen – zum Medienunternehmen. Und macht den Technologie-Konzern zum globalen Superverleger ...'"
[+++] Soll Facebook Hatespeech löschen, aber wenn ja, welche und durch wen? Darüber wurde in den letzten Wochen und Monaten viel diskutiert (siehe u.v.a. Altpapier, evangelisch.de). Gerade zog das Bundesjustizministerium Zwischenbilanz zum einjähriger Bestehen der von ihm initiierten "Taskforce" "Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet" und veranstaltete dazu eine Diskussion.
Die ministerielle Bilanz fällt mau aus ("Facebook, Google und Twitter löschen nach wie vor zu wenig strafbare Hassbotschaften, die ihnen von Nutzerinnen und Nutzern gemeldet werden ..."). Ob das Maue tatsächlich darin besteht, dass zu wenig gelöscht wird, oder aber im Gefühl, dass es zu intransparent geschieht und wohin sich das noch entwickeln könnte - darüber gehen die Meinungen zusehends noch weiter auseinander.
"Die von Justizminister Maas geforderte und in der Vereinbarung von Dezember so freundlich zugesagte Transparenz im Umgang der Unternehmen mit Hassbotschaften bleibt bislang aus. Wie viele Botschaften werden überhaupt gemeldet? Wie viele davon tatsächlich gelöscht? Wie viele Menschen arbeiten daran und wie werden sie geschult? Informationen dazu liefert bislang keines der Unternehmen, am allerwenigsten Facebook, dessen deutsches Löschzentrum unter der Leitung des Dienstleisters Arvato bislang kein Journalist betreten durfte",
beklagt Chris Köver bei wired.de.
Der Tagesspiegel notierte auf der Diskussionsveranstaltung die Aussage des Taskforce-Leiters und Justizministeriums-Staatssekretärs Gerd Billen "Ich habe das Gefühl, man muss sozialen Netzwerken die Wahrheiten wie Würmer aus der Nase ziehen", heise.de eine aufschlussreiche von einer eingeflogenen Google-Managerin:
"Heute teilte die YouTube-Vertreterin Juniper Downs auf einer Zwischenbilanz-Veranstaltung des deutschen Bundesjustizministeriums zu Maßnahmen gegen 'Hate Speech' mit, dass die Inhalte, die am häufigsten als 'Hass' gemeldet werden, Videos des Sängers Justin Bieber sind."
Auch Facebook ließ einen Manager herbeijetten - schließlich schert sich Mark Zuckerbergs Konzern zwar um Wünsche deutscher Zeitungsverleger einen Dreck, hat aber längst den Wert der von Döpfner aus völlig anderen Gründen geforderten Position erkannt, überhaupt kein inhaltlich verantwortliches Personal in Deutschland zu beschäftigen.
"Ich bin ganz ehrlich: Es ist sehr schwierig, transparent mit jemandem zu sein, der kurz davor ist, dich zu verklagen oder zu regulieren",
hat wired.de den höherrangigen Facebooks-Repräsentanten Richard Allan sagen hören.
"So droht eine Situation zu entstehen, in der jeder jeden wegen 'Hassrede' denunzieren kann, weil niemand weiß, was 'Hassrede' eigentlich sein soll",
meint Johannes Boie in der grundsätzlichsten Analyse der "verfahrenen Situation" heute im SZ-Feuilleton ("Das große Dreckschleudertrauma", unfrei online; 0,79 Euro bei Blendle). Die Situation sei bereits am
"Punkt, an dem die Sache kompliziert, vielleicht sogar zu einer Art Stresstest demokratischer Prinzipien wird. Denn 'Hassrede' ist kein Straftatbestand. Am Montag sprach Maas betont häufig von 'strafbarer Hasskriminalität'. Doch stellt sich in Anbetracht vieler dafür sprechender Anzeichen die Frage, ob das Konstrukt, das er mit Unterstützung seiner Kollegin Manuela Schwesig aus dem Familienministerium und der EU-Kommissarin V?ra Jourová schafft, nicht dazu dienen kann, auch legale Äußerungen im Netz zu unterdrücken. Wird hier Moral womöglich mit Recht verwechselt, ausgerechnet im Justizministerium?"
"Wer gehört hat, wie Heiko Maas sagte, er könne 'an Facebook nur appellieren', strafrechtliche Inhalte auch dann zu löschen, wenn sie von normalen Nutzern gemeldet würden, der weiß, wer am längeren Hebel sitzt."
+++ Klagen zwischen Deutschland und der Türkei (I): Was ein Sprecher des Auswärtigen Amts, die Grüne Tabea Rößner und der Deutsche Welle-Rundfunkrats, Karl Jüsten, zur DW-Klage gegen die türkische Regierung sagten, steht hier nebenan. +++ "We are for unlimited press freedom", übersetzt hurriyetdailynews.com Jüstens "Wir treten für die uneingeschränkte Freiheit der Presse ein". +++
+++ "Das vielleicht interessanteste Interview des Jahres" nennt Michael Hanfeld Michel Friedmans Minister-Interview in seinem eigenen, fast fünf Sechstel der FAZ-Medienseite füllenden Interview mit dem DW-Intendanten Peter Limbourg. "Ist das symptomatisch? Dass die Deutsche Welle mit ihrem unabhängigen Journalismus dauernd ausgebremst wird?", lautet eine seiner Fragen. Wer die Antwort online lesen will, muss abwarten oder bei Blendle schauen. +++ Im Tagesspiegel porträtiert Joachim Huber Friedman, der also kontrovers wie eh und je agiert. "Aber mehr auf den Hinterbühnen als auf der Vorderbühne des deutschen Fernsehens. Ein ARD-Talker Friedman ist so wenig vorstellbar wie die Rückkehr von Jörg Kachelmann an die Wetterfront im Ersten". +++
+++ Klagen zwischen Deutschland und der Türkei (II): Am 2. November in Hamburg geht's weiter zwischen R.T. Erdogan und Jan Böhmermann (Standard, dwdl.de). +++
+++ Wer hat denn nun das erste US-amerikanische Fernsehduell (Altpapier gestern) gewonnen, das größere Übel oder das kleinere? "Viel Neues und Erhellendes ist in diesen 90 Minuten nicht zu erleben - in gewisser Weise bestätigen beide das Klischee-Bild von sich" (Johannes Kuhn, sueddeutsche.de). +++ "Clinton hat die bessere Figur gemacht und war kenntnisreicher. Damit hat sie aber lediglich die Erwartungen erfüllt und nicht unbedingt Wähler hinzugewonnen. Trump dürfte es erst recht nicht gelungen sein, neue Wähler von sich zu überzeugen. Und das ist ihr eigentlicher Erfolg" (Christoph von Marschall bei tagesspiegel.de). +++ Viiiiiiele weitere deutsche Betrachtungen dürften keinem Nutzer textbasierter Nachrichtenportale entgehen. +++
+++ Vom Mord am jordanischen Journalisten Nahed Hattar berichtete faz.net via DPA. Dies ist (auf Twitter) die Karikatur, derentwegen er ermordet wurde. +++
+++ Noch mal eine aufschlussreiche Pro Quote-Initiative: den Anteil der Chefredakteurinnen der "100 Regionalblätter, die noch den Mantel selber produzieren", zu berechnen und in Form einer Deutschland-Karte darzustellen. +++
+++ Die SZ-Medienseite bespricht tmz.com, das "amerikanische Klatschportal, das zu den meistzitierten Medien der Welt gehört", und natürlich was von Netflix. +++
+++ Für die TAZ interviewte Christian Rath den Rechtshistoriker Ralf Oberndörfer zu Fragen der Videoaufzeichnung von Gerichtsprozessen. +++
+++ Hardcore-Feuilletonismus gab es bislang noch kaum bei uebermedien.de. Aber jetzt: Stefan Schulz bespricht den Roman "Umbruch" des ehemaligen FAZ-Theaterkritikers Gerhard Stadelmaier auf eine Weise, die zumindest Stadelmaier selbst das eine oder andere donnernde Schmunzeln entlocken dürfte. +++
+++ So manches donnernde Miriam-Meckel-Lächeln gibt es auf club.wiwo.de zu sehen, einer neuen Geschäftsidee der Verlagsgruppe Handelsblatt. Das Wirtschaftswoche-Jubiläumsheft hat Ex-Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer für Springers bilanz.de gelesen: "Immerhin fehlt es nicht an Platz für Miriam Meckel im Jubiläumsheft. Die jetzige Chefredakteurin ... verewigt sich mit zwei Meinungsbeiträgen, mehreren Interviews und fünf Fotos im Sonderheft", lobt er. Und kritisitert einiges, was "der alten Tante dabei leider entfallen" sei, vor allem, was zwei ihrer ehemaligen Chefredakteure angeht. +++
+++ Die Otto-Brenner-Stiftung haut eine Studie nach der anderen raus. Die jüngste (Pressemitteilung,Download-Link) stammt von Bernd Gäbler, u.a. einst Grimmeinstituts-Chef, und verneint die These, dass "Satiresendungen wie die 'heute-show' oder 'extra 3' die Politikverdrossenheit" befeuern würden. Ja, "wenn es bei uns noch einen Hort der Hochachtung vor dem Journalismus gibt, dann ist er in den Satire-Redaktionen zu finden", schrieb Gäbler sogar in seiner Tagesspiegel-Zusammenfassung (oder meint er das satirisch?) +++
+++ Bannig gespannt sind alle aufs junge Angebot von ARD und ZDF (Altpapier). Eine App, die weiteren Vorgeschmack gestattet, beschreibt broadmark.de und zitiert einen der Vertreter des Angebots, Malte Blumenberg: "Bei uns wird man fertig. Man kann die App leer sehen", das Angebot wolle "sagen, dass es auch noch was anderes gibt, als immer weiter durch die Facebook-Timeline zu scrollen. Bei uns gibt es das gute Gefühl auch einmal fertig zu sein." +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Mittwoch.