Mitgliederzahl und Kirchensteueraufkommen gesunken

Holzkreuze auf einem Haufen
epd-bild/Heike Lyding
Die evangelische Kirche hat im vergangenen Jahr in Deutschland erneut mehr als eine halbe Million Mitglieder verloren.
EKD-Statistik 2023
Mitgliederzahl und Kirchensteueraufkommen gesunken
Die evangelische Kirche hat im Jahr 2023 sowohl bei der Mitgliederzahl als auch beim Kirchensteueraufkommen einen Rückgang zu verzeichnen. Nach den aktuellen Berechnungen auf Basis der aus den Landeskirchen gemeldeten vorläufigen Zahlen gehörten zum Stichtag 31.12.2023 insgesamt 18.560.000 Menschen einer der 20 Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an. Das teilte die EKD am Donnerstag (02. Mai) mit. Auch aus Landeskirchen wurden erste Zahlen und Reaktionen darauf vermeldet.

Die Zahl ist zugleich ein neuer Rekord im Mitgliederverlust. Rund 21,9 Prozent der deutschen Bevölkerung sind demnach noch Mitglied einer der 20 evangelischen Landeskirchen (2022: 22,7 Prozent). Das sind rund 3,1 Prozent weniger als im Vorjahr 2022. Getauft wurden 2023 rund 140.000 Menschen. Zusätzlich gab es rund 20.000 Aufnahmen in die evangelische Kirche. Demgegenüber standen gleichbleibend zum Vorjahr rund 380.000 Kirchenaustritte sowie 340.000 Sterbefälle.

Einbußen verzeichnete die evangelische Kirche 2023 auch beim Kirchensteueraufkommen. Laut jüngster Kirchensteuerstatistik lag das Netto-Gesamtaufkommen an Kirchensteuern in 2023 mit ca. 5,9 Milliarden Euro rund 5,3 Prozent unter dem Vorjahresaufkommen. Im Vorjahreszeitraum gab es noch einen Anstieg von 4,1 Prozent.

"Wir werden eine kleinere und ärmere Kirche, dieser Tatsache müssen wir uns stellen. Auch mit weniger Mitgliedern bleibt es aber unsere Aufgabe, uns für Nächstenliebe, Menschlichkeit und die Weitergabe des christlichen Glaubens einzusetzen", so die amtierende Ratsvorsitzende der EKD, Bischöfin Kirsten Fehrs in der Erklärung. "Aus der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung wissen wir, dass viele Menschen nach wie vor hohe Erwartungen an die Kirchen haben. Sie wünschen sich von uns den Einsatz für sozial benachteiligte Menschen, für Bildung und für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, ist es wichtig, dass wir als Kirche wissen, wofür wir stehen und dass wir immer wieder kritisch unser Handeln und unsere Strukturen auf den Prüfstand stellen. Das ist auch wichtig im Blick auf die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie." 

Gesellschaftliche Erwartungen an Kirche bleiben hoch

Nach der im vergangenen Jahr veröffentlichten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU6) bleiben die gesellschaftlichen Erwartungen an die Kirche, insbesondere hinsichtlich ihres Einsatzes für Arme, Kranke und Bedürftige sowie für Solidarität und Gerechtigkeit in der Welt hoch. Die höchste Zustimmung zum gesellschaftlichen Wert eines kirchlichen Angebots erhält unter den evangelischen Kirchenmitgliedern, dass die Kirche Beratungsstellen für Menschen mit Lebensproblemen betreibt (95 Prozent). Auch unter Konfessionslosen ist hier die Zustimmung hoch (78 Prozent).

Laut der jährlichen Kirchenmitgliederstatistik der EKD sinken die Mitgliedszahlen der evangelischen Kirche erneut weiter.

Zahlen aus den Landeskirchen

Höher als der bundesweite Rückgang fällt der Mitgliederverlust bei der Evangelischen Kirche im Rheinland aus. Sie hat im vergangenen Jahr rund 74.000 Mitglieder verloren. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 gehörten damit noch gut 2,19 Millionen Menschen der zweitgrößten deutschen Landeskirche an, wie eine Sprecherin am Donnerstag erklärte. Das ist ein Minus von knapp 3,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bundesweit beträgt der Rückgang 3,1 Prozent. 

Laut vorläufiger Zahlen verließen 2023 47.700 Menschen die rheinische Kirche, gut 3.000 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Sterbefälle sank leicht auf 42.300. Getauft wurden im vergangenen Jahr 14.800 Menschen, neu aufgenommen wurden 2.400 Menschen. Beide Werte lagen unter den Zahlen des Vorjahres.

Diese Zahlen schmerzten, erklärte der leitende Theologe der rheinischen Kirche, Präses Thorsten Latzel: "Jeder Austritt ist einer zu viel, weil wir den Kontakt zu Menschen verlieren und weil er die Gemeinschaft schwächt." Die Evangelische Kirche im Rheinland werde aber auch als kleiner werdende Kirche "weltoffen für andere da sein, und wir werden den Kontakt zu unseren Mitgliedern stärken". In den Gemeinden und Kirchenkreisen sei aktuell vieles im Wandel, hin zu neuen Formen von Kirche. Strukturen würden schlanker, das Angebot werde vielfältiger und Kooperationen würden gestärkt.

Wie die Lippische Landeskirche mitteilte, zähle sie zum Stichtag insgesamt 135.423 Mitglieder. Ein Jahr zuvor waren es noch 140.276 Mitglieder. 2.415 Menschen sind 2023 ausgetreten, das sind 229 mehr als im Jahr zuvor. Auch die Wiedereintritte sanken. Waren es noch 110 im Jahr 2022, gab es 2023 nur 99 Auf- und Wiederaufnahmen. 

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen ab. Sie haben im vergangenen Jahr zusammen mehr als 100.000 Mitglieder verloren. Ihnen gehören aktuell rund 3,23 Millionen Menschen an. 

Die Evangelische Landeskirche in Baden hat derzeit 1.004.393 Mitglieder (Stichtag 31.12.2023). Getauft wurden im vergangenen Jahr nur 7.689 Menschen, 2022 lag die Zahl noch bei 9.513 Taufen. 1.038 Eintritten standen 21.731 Austritte  gegenüber. Zusammen mit den Zu- und Wegzügen sowie den Todesfällen hat die Landeskirche damit im vergangenen Jahr 31.131 Kirchenmitglieder verloren. 

"Menschen geben der Kirche ein Gesicht. Jeder einzelne Mensch, der die Kirche verlässt, schmerzt", sagt Landesbischöfin Heike Springhart. "Zugleich freue ich mich über jeden, der im Rahmen einer Taufe, einer evangelischen Trauung, bei der Konfirmation oder ganz unerwartet Gottes Liebe erleben kann." Mit einem weit gefassten Zukunftsprozess namens "ekiba2032" reagiert die Landeskirche auf die zurückgehenden Mitgliederzahlen und die tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft.

Abflachende Austrittskurve bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau 

Zum Stichtag zählt die EKHN 1.318.549 Mitglieder. Im Jahr 2023 sind somit Hochrechnungen zufolge 29.000 Menschen ausgetreten, weitere 23.000 sind verstorben. Damit flacht die Kurve der Austritte im Vergleich zum Vorjahr leicht ab, 2022 waren knapp 31.000 Menschen ausgetreten. Die Zahl der Taufen liegt mit 10.500 voraussichtlich nur leicht unter dem Vorjahresniveau (2022: 10.592), während die Eintritte im vergangenen Jahr bei etwa 1.700 und damit ebenfalls leicht unter den Zahlen des Vorjahres (2022: 2.532) lagen. "Als Kirche wollen wir durch unsere Arbeit zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beitragen. Unsere Mitglieder entscheiden darüber, wie gut wir dieser Verantwortung gerecht werden können", sagte Landesbischof Volker Jung. "Natürlich beschäftigen mich die Austritte. Manche, die austreten, teilen uns ihre Beweggründe mit – oft sind sie auch finanzieller Natur. Deshalb ist mir daran gelegen, sichtbar zu machen, was ehrenamtliches Engagement, aber eben auch Kirchensteuern ermöglichen."

Höhere Taufzahlen bei der EKBO

Auch die Mitgliedzahl der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO) ist im Jahr 2023 gegenüber zum Vorjahr weiter gesunken. 804.487 Menschen waren Ende 2023 Kirchenmitglieder (2022: 833.846). Das sind 3,5 Prozent weniger als 2022. Erfreulich ist ein Anstieg der Taufen im Vergleich zum Vorjahr. Sie stiegen von 4.608 um 7,8 Prozent auf insgesamt 4.968 an. Wie die Kirche mitteilte könne das  auf die große und breit angelegte Taufkampagne der EKBO in 2023 zurückzuführen sein.

Bischof Christian Stäblein erklärte in der Pressemitteilung: "Jeder Austritt ist schmerzhaft, das ist für mich überhaupt keine Frage: Jeder einzelne Austritt schmerzt. - Die Gründe sind vielfältig. Wir erleben eine Zeit, in der die Bindung an Institutionen in wachsendem Maße nachlässt. Und wir als Kirche müssen uns der Verantwortung stellen, dass wir auch durch unser eigenes Versagen Menschen sehr enttäuscht und verloren haben. - Entscheidend ist immer wieder, ob es gelingt, dass Menschen eine Relevanz des Glaubens in ihrem Leben entdecken. Das ist die Aufgabe der Kirche, die wir verstärkt und neu ins Zentrum rücken müssen: die Relevanz des Glaubens vermitteln, gesellschaftlich und individuell."

Ausdrücklich dankt die amtierende Ratsvorsitzende Bischöfin Fehrs den Mitgliedern, Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in den Landeskirchen: "Sie alle tragen mit Ihrem Engagement dazu bei, dass Kirche durch Gottesdienste, Seelsorge- und Beratungsangebote weiterhin bei den Menschen vor Ort präsent ist. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Stärkung eines guten Miteinanders. Und das ist gegenwärtig notwendiger denn je."