TV-Tipp: "Alles in bester Ordnung"

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24. April, Arte, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Alles in bester Ordnung"
Das gemeinsam mit Martin Rehbock verfasste Drehbuch bringt zwei Menschen zusammen, die kaum unterschiedlicher sein könnten.

Ob sich Gegensätze wirklich anziehen, sei dahingestellt, aber jedenfalls bedingen sie einander: ohne Chaos kein Kosmos. Der Dialog "Ordnung ist das halbe Leben" – "Willkommen in der anderen Hälfte!" klingt zwar beinahe zu ausgedacht, um wahr zu sein, aber er ist die Basis, auf dem die einst als Teenager durch die Titelrolle von "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" (1981) bekannt gewordene Schauspielerin Natja Brunckhorst ihr Regiedebüt entwickelt hat.

Fynn (Daniel Sträßer), Mathematiker und IT-Experte, reist mit leichtem Gepäck. Er ist überzeugt, dass man nicht mehr als hundert Dinge zum Leben braucht; sogar noch weniger, wenn man ein Sockenpaar als Einheit betrachtet. Marlen (Corinna Harfouch) verkörpert das andere Extrem: Sie hat ein großes Herz für unbelebte Objekte, deshalb ist ihre Wohnung vom Fußboden bis zur Decke vollgestopft mit allem möglichen Krimskrams, den sie im Verlauf ihres Lebens am Wegesrand entdeckt hat; und jeder Gegenstand hat eine Geschichte. 

Der Reiz dieser Konstellation ist offensichtlich, nun müssen die beiden Königskinder nur noch zueinander finden: Fynn ist wegen eines Auftrags zu Gast in der Stadt, die Software einer Leergutsortiermaschine spinnt. Der Chef (Felix Vörtler) des Betriebs hat ihn in einer Mietwohnung untergebracht. Der Bruch eines Heizungswasserrohrs und die daraus resultierende Überschwemmung hat zur Folge, dass er Marlen kennenlernt. Äußerst widerstrebend gewährt sie dem vorübergehend obdachlosen Nachbarn Asyl, und nun beginnt eine Beziehung, die zwar Züge einer Romanze trägt, aber gänzlich platonisch ist: Aller Wahrscheinlichkeit und auch dem Altersunterschied zum Trotz finden Fynn und Marlen zueinander, denn beide entdecken in dem jeweils anderen Lebensentwurf Aspekte, die ihrem eigenen Dasein fehlen.

Damit die Kombination funktioniert, haben Brunckhorst und Rehbock auf eine allzu extreme Zuspitzung der Charaktere verzichtet. Marlen ist keiner jener Messies, die sich nicht von ihrem Müll trennen können. Ihre Wohnung ist ein heilloses Durcheinander, aber dank der vielen Lichtinseln durchaus heimelig und vor allem sauber, wie Fynn feststellt. Er wiederum hat eine Vorliebe für Systematik, ist jedoch weder Ordnungsfanatiker noch Kontrollfreak und räumt bereitwillig ein, dass es gewisse Unschärfen in seinem Dasein gibt: Wer wenig hat, ist darauf angewiesen, dass andere ihm aushelfen, wenn er was braucht. Eigenbrötlerisch sind allerdings beide. Kurze Stippvisiten an Marlens Arbeitsplatz verdeutlichen, wie sehr diese Frau sich selbst genügt. Ihr Chef hält große Stücke auf sie, doch sie lässt seine Avancen regelmäßig abprallen; Joachim Król versieht seine Rolle mit einer angenehmen Mischung aus freundlicher Beharrlichkeit und unterschwelliger Melancholie. 

"Alles in bester Ordnung" lebt ohnehin vor allem vom Schauspiel, zumal die Handlung vergleichsweise überschaubar ist, selbst wenn sich schließlich eine gewisse Dramatik abzeichnet: Fynn ist vermutlich seit vielen Jahren der erste Mensch, dem Marlen Zutritt zu ihrer Wohnung gewährt hat, aber wegen des Heizungsmalheurs müssen die Handwerker auch bei ihr vorbeischauen. Prompt fürchtet sie, dass der allerdings keineswegs unsympathische Hausverwalter (Simon Hatzl) einen Vorwand suchen wird, um sie als Mieterin loszuwerden; und wer wäre besser als Partner beim Aufräumen und Ausmisten geeignet als Fynn? 
Bei ihrer Inszenierung hat sich Brunckhorst sehr zurückgehalten; die Kamera begnügt sich über weite Strecken damit, dabei zuzuschauen, wie sich die Beziehung zwischen Fynn und Marlen entwickelt. Daniel Sträßer, als Kommissar im "Tatort" aus Saarbrücken ein kerniger Typ mit grimmigem Blick und mit mahlendem Kiefer, agiert hier sehr zurückgenommen und ist daher ein gutes Pendant zu Corinna Harfouch, der das Kunststück gelingt, Marlen gleichermaßen fragil und dennoch stark zu verkörpern. Dank des harmonischen Zusammenspiels der beiden funktionieren auch Dialoge wie jener über eine defekte, aber nach Ansicht Marlens dennoch als Geschenk geeignete  Brotschneidemaschine; der Humor ist mitunter durchaus skurril. Die zärtliche Musik des Jazzpianisten Lambert sorgt für die passende Untermalung dieser eigentlich unmöglichen Liaison. Die Bedeutung des Szenenbilds ist ohnehin offenkundig: Die Wohnung wirkt wie ein begehbares Kunstwerk; Ausstatterin Zazie Knepper hat für das buchstäblich kunterbunte Sammelsurium vermutlich diverse Flohmärkte leergekauft.