Diese ließen sich nicht als direkte Effekte der Reformation nachweisen, schreibt der Forscher in einem neuen Buch, wie das Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Universität Münster am Montag mitteilte. Je größer der zeitliche Abstand von Ereignissen und Phänomenen zur Reformation, umso weniger lasse sich wissenschaftlich ein direkter Zusammenhang herstellen.
Die gerade im Jubiläumsjahr 2017 gängige Verknüpfung der Reformation mit guten wie schlechten Erscheinungen der Moderne sei "hochgradig problematisch", sagte Pohlig. Vielleicht hätte es tatsächlich ohne die Reformation die Anfänge einer Trennung von Politik und Religion so nicht gegeben. Ob dies aber Deutschland auf den Weg zu Toleranz, Säkularisierung und modernem Verfassungsstaat gebracht habe, sei kritisch zu diskutieren, führt der Autor aus.
Kurzfristigere historische Wirkungen nachweisbar
Auch die Aufklärung, den Kapitalismus oder das moderne Individuum hätten Luther und die Reformatoren nicht angestrebt, schreibt Pohlig. Vieles, was heute mit dem Protestantismus assoziiert werde, widerspreche "ziemlich deutlich dem, wofür die Reformation historisch steht". Demgegenüber hätten Vertreter aus Politik und Kirche die Reformation im Jubiläumsjahr als Teil der europäischen Freiheitsgeschichte und Urheberin vieler moderner Errungenschaften beschrieben, erklärte das Exzellenzcluster "Religion und Politik".
Nachweisen lassen sich Pohlig zufolge jedoch kurzfristigere historische Wirkungen der Reformation. Ohne die Reformation undenkbar seien Ereignisse des 16. Jahrhunderts wie die Kirchenspaltung, der Bauernkrieg oder "die Entstehung einer komplizierten religiösen Friedensordnung im Heiligen Römischen Reich". Auch dürfe Luthers Bibelübersetzung "als Grundtext einer deutschen Hoch- und Literatursprache" gelten. Zudem wäre der Buchdruck ohne Reformation nach Ansicht des Historikers nicht so schnell zum Massenmedium geworden.