Vater des modernen Kirchenbaus

Als erste Notkirche wurde die Pforzheimer Auferstehungskirche vor 65 Jahren eingeweiht, am 26. Oktober 1948. Das neue Gotteshaus auf dem Weiherberg wurde nach den Plänen von Otto Bartning erstellt, der heute als bedeutendster protestantischer Kirchenarchit
Foto: epd-bild/Christine Süß-Demut
Als erste Notkirche wurde die Pforzheimer Auferstehungskirche vor 65 Jahren eingeweiht, am 26. Oktober 1948. Das neue Gotteshaus auf dem Weiherberg wurde nach den Plänen von Otto Bartning erstellt, der heute als bedeutendster protestantischer Kirchenarchitekt des 20. Jahrhunderts in Deutschland gilt.
Vater des modernen Kirchenbaus
Berliner Ausstellung widmet sich dem Architekturvordenker Otto Bartning
Otto Bartning setzte Maßstäbe für die protestantische Sakralarchitektur der Moderne. Trotzdem ist er einer der wenig bekannten Architekten der Epoche. Eine Ausstellung in Berlin möchte das nun ändern.
03.04.2017
epd
Sigrid Hoff

Für den Architekten Otto Bartning (1883-1959) waren Kirchen sein Lebensthema. So wurde er 1928 mit einer ganz auf geometrische Formen reduzierten wuchtigen Stahlkirche international bekannt, einem Experimentalbau für die Kölner Ausstellung PRESSA. In mehr als 50 Berufsjahren setzte Bartning mit seinen Entwürfen Maßstäbe für die protestantische Sakralarchitektur der Moderne. Nun wird er mit einer Retrospektive unter dem Titel "Otto Bartning - Architekt einer sozialen Moderne" von der Akademie der Künste in Berlin als ein wichtiger Künstler des 20. Jahrhunderts gewürdigt, der die Architektur von der Kaiserzeit bis zur jungen Bundesrepublik nachhaltig prägte.

Bis heute gehört Bartning zu den wenig bekannten Architekten der Moderne. Das will die Schau, die mit rund 400 Fotos, originalen Zeichnungen und Architekturmodellen auf 1.500 Quadratmetern alle Facetten seines Schaffens beleuchtet, jetzt ändern. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Otto-Bartning-Archiv der TU Darmstadt, wo auch der private Nachlass aufbewahrt ist. Werner Durth, Leiter des Archivs und einer der Ideengeber der Ausstellung betont: "Dadurch, dass er ein breites und vielschichtiges Werk hinterlassen hat, ließ er sich in keine Kategorie einordnen. Wir stellen einen Architekten vor, der die jeweils richtigen Antworten auf die Herausforderungen der verschiedenen Zeiten, die er durchlebt hat, suchte."

"Der geistige Vater der neuen Kunstschule"

Otto Bartning, um 1930, Fotograf unbekannt.

Otto Bartning, 1883 in Karlsruhe geboren, studierte Architektur in seiner Geburtsstadt und in Berlin. Bereits während des Studiums erhielt er erste Aufträge für Kirchen und Landhäuser, viele der weitgehend unbekannten Arbeiten sind in der Ausstellung erstmals zu sehen. 1905 gründete er sein erstes Architekturbüro in Berlin. Zudem publizierte er Schriften zur Reform von Liturgie und Kirchenbau und der Ausbildung von Architekten.

Mit Kollegen wie Bruno Taut und Walter Gropius engagierte er sich im revolutionären Arbeitsrat für Kunst, der die Zusammenführung aller Künste anstrebte. Bartnings programmatische Ideen flossen in das Konzept des 1919 von Walter Gropius gegründeten Bauhauses ein. "Er war der geistige Vater der neuen Kunstschule", sagt Werner Durth.

Bis 1944 fünf Kirchen im Ausland errichtet

Nach dem Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau, wurde Bartning als ein gemäßigter Moderner zum Direktor der neu gegründeten Weimarer Bauhochschule berufen. Zahlreiche Dokumente in der Ausstellung belegen, wie er ihr durch die Beteiligung von Studenten an Projekten ein eigenes Profil gab.

1930 wurde auch diese zweite Weimarer Kunstschule auf politischen Druck geschlossen, Bartning kehrte nach Berlin zurück und war unter anderem mit Wohnungsbauten an der Errichtung von Reformsiedlungen in Berlin-Siemensstadt und Haselhorst beteiligt. Während der NS-Zeit trat er, um sein Büro weiterführen zu können, der Reichskulturkammer bei. Er wurde jedoch nicht Mitglied der NSDAP und ging in den "stillen Widerstand", wie Bartning es selbst beschrieb.

Seine Arbeit für den Kunstdienst der Evangelischen Kirche bot eine Nische, eine andere seine Tätigkeit für das Kirchliche Außenamt, für das er bis 1944 immerhin fünf Kirchen im Ausland errichten konnte. Kurz nach Kriegsende, ab Sommer 1945 entwickelte er für das Hilfswerk der Evangelischen Kirche ein "Notkirchenprogramm" zur Versorgung der Millionen Flüchtlinge aus dem Osten.

Die Berliner Ausstellung zeigt nun kleine Modelle und Zeichnungen dieser seriellen Typenbauten, die von den Gemeinden selbst errichtet wurden. Über eine interaktive App können Besucher herausfinden, wo sich in ihrer Nähe eines der bis 1953 in ganz Deutschland errichteten über 50 Beispiele befindet, von denen die Mehrzahl noch erhalten ist. Für Bartning waren sie keineswegs eine Notlösung, wie die Ausstellung dokumentiert, er strebte dauerhafte Bauten an.

In den 1950er-Jahren erlangte Bartnings Schaffen einen neuen Höhepunkt mit weiteren Kirchenbauten, Wohnhäusern, aber auch Krankenhäusern. Die Ausstellung erinnert an einen zu Unrecht wenig bekannten Protagonisten der Moderne, dessen noch erhaltene Bauten als Zeugnisse wegweisender Architektur ihrer jeweiligen Epoche heute unter Denkmalschutz stehen.

Einblick in die Otto-Bartning-Kirche der Matthäusgemeinde in Darmstadt:

Dieses eingebettete Video wird von YouTube bereitgestellt.

Beim Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern von YouTube hergestellt.

Dabei wird YouTube mitgeteilt, welche Seiten Sie besuchen. Wenn Sie in Ihrem YouTube-Account eingeloggt sind, kann YouTube Ihr Surfverhalten Ihnen persönlich zuordnen. Dies verhindern Sie, indem Sie sich vorher aus Ihrem YouTube-Account ausloggen.

Wird ein YouTube-Video gestartet, setzt der Anbieter Cookies ein, die Hinweise über das Nutzer:innenverhalten sammeln.

Weitere Informationen zum Datenschutz bei YouTube finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters unter: https://policies.google.com/privacy

Video abspielen