Bisher waren Abtreibungen im Schaumburger Kreiskrankenhaus, das jetzt aufgelöst wird, auch in sozialen Notlagen möglich. In Einzelfällen wolle die neue Klinik aber auch eine seelische Gefährdung der Mutter als Abtreibungsgrund anerkennen, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit und bestätigte damit Medienberichte.
"Wir sind der Überzeugung, dass jede Frau ein individuelles Recht zur Entscheidung über ihre Schwangerschaft hat", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Schwangere Frauen würden im neuen Krankenhaus "selbstverständlich auch angehört und beraten". Eine Entscheidung müsse vor einem möglichen Eingriff noch von einem zweiten Arzt bestätigt werden.
In dem neuen Haus werde sich alles Handeln auf "die christlichen Prinzipien von Nächstenliebe, auf die Achtung von Würde und die Individualität des Einzelnen" gründen, sagte ein Agaplesion-Sprecher. Er wies zudem darauf hin, dass die Rechtslage in Deutschland ambivalent sei: Ein Schwangerschaftsabbruch ohne die Gefahr schwerer körperlicher oder psychischer Schäden für die Schwangere sei noch immer rechtswidrig, auch wenn auf eine Strafverfolgung verzichtet werde. Dies gilt dem Gesetz zufolge, wenn ein Beratungsgespräch und 72 Stunden Bedenkzeit eingehalten werden.
Die Agaplesion AG ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft. Sie betreibt als Einrichtung der evangelischen Kirche gemeinsam mit diakonischen Unternehmen Krankenhäuser und Altenpflege-Einrichtungen in Deutschland. Agaplesion ist Mitglied der Diakonischen Werke in Hessen und Nassau sowie Kurhessen-Waldeck. Den Bau des neuen Klinikums, der im kommenden März abgeschlossen sein soll, hatte der Landkreis Schaumburg mit 95 Millionen Euro mitfinanziert.
Über die Weigerung des künftigen Krankenhausbetreibers, Abtreibungen auch bei sozialen Notlagen vorzunehmen, hatten unter anderem Lokalzeitungen, die "taz" und der NDR berichtet. Demnach sorgte der Fall inzwischen auch im Schaumburger Kreistag für Kontroversen. Bürger hätten in der Sitzung gefragt, wie dieses Thema bei den Verhandlungen über die Zusammenlegung von Kreiskrankenhäusern und einem kirchlichen Haus übersehen werden konnte. Landrat Jörg Farr (SPD) wolle nun mit dem Agaplesion-Konzern darüber verhandeln, ob in dem neuen Gesamtklinikum auch Schwangerschaftsabbrüche aufgrund sozialer Notlagen möglich seien.