Urteil im Zivilprozess Erdogan gegen Böhmermann im Februar 2017

Urteil im Zivilprozess Erdogan gegen Böhmermann im Februar 2017
Für den Anwalt des ZDF-Moderators ist das Schmähgedicht auf Erdogan "in Kunstform gegossene Satire", der Anwalt des türkischen Staatschefs sieht das ganz anders. Das Landgericht Hamburg entscheidet im kommenden Jahr über die Unterlassungsklage.
02.11.2016
epd
Von Julia Fischer (epd)

Hamburg (epd). Ob das sogenannte Schmähgedicht von ZDF-Moderator Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan komplett verboten wird, will das Hamburger Landgericht am 10. Februar 2017 verkünden. Am Mittwoch erörterten die Anwälte in der mündlichen Verhandlung zur Unterlassungsklage ihre Positionen. Staatsoberhaupt und Moderator waren nicht persönlich anwesend. Die zuständige Richterin Simone Käfer wird sich bis zur Urteilsverkündung mit der Frage befassen, ob Böhmermann den Präsidenten am 31. März in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" bewusst beleidigen wollte oder ob das Gedicht als Kunst anzusehen ist.

Böhmermann habe Erdogan zu keinem Zeitpunkt ernsthaft diffamieren wollen, stellte sein Anwalt Christian Schertz fest. Er habe dem türkischen Präsidenten damit lediglich zeigen wollen, was Meinungsfreiheit ist. "Das war in Kunstform gegossene Satire", sagte er. Es sei geradezu absurd, das ernst zu nehmen, denn die im Gedicht aufgelisteten Vorwürfe schlössen sich teils gegenseitig aus. Die anschließende große Diskussion habe Erdogan durch seine Reaktion selbst ausgelöst.

Entscheidung noch einmal überdenken

Man dürfe das Gedicht nicht losgelöst vom Kontext betrachten und schon gar nicht einzelne Passagen daraus, sagte Schertz. Auch Richterin Käfer betonte bereits in der Erläuterung der Sachlage, man müsse das Schmähgedicht im Gesamtkontext sehen. Böhmermann hatte in der besagten Sendung erklärt, dass er den Unterschied zwischen erlaubter Satire und auch in Deutschland verbotener Schmähkritik erklären wolle. Anwalt Schertz sagte, er selbst werde das Gedicht in seine Vorlesung zum Thema "Schmähkritik" einbringen. Schertz lehrt an der Technischen Universität Dresden und an der Berliner Humboldt-Universität.

Richterin Käfer hatte Mitte Mai bereits im Eilverfahren untersagt, bestimmte Passagen des Gedichts zu wiederholen. Weil der ZDF-Satiriker die Entscheidung nicht hinnehmen wollte, setzte er Erdogan daraufhin eine Frist zur Klageeinreichung in der Hauptsache. Nun geht es um ein Komplettverbot des Gedichts auf zivilrechtlicher Ebene. "Überdenken Sie Ihre Entscheidung noch einmal", forderte Schertz die Vorsitzende Richterin auf. Die Strafermittlungen gegen Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts wurden Anfang Oktober eingestellt. Die Mainzer Staatsanwaltschaft hatte dem Satiriker "strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen" können.

Ein paar Plätze blieben leer

Schertz zweifelte zu Beginn mittels einer Rüge der Vollmacht an, dass sein Kollege Michael-Hubertus von Sprenger der rechtmäßige Anwalt Erdogans sei. Daraufhin sicherte Käfer ihm Akteneinsicht zu, damit er sich von der Echtheit der Urkunde überzeugen könne. Zwei weitere Anwälte hatten sich zum Verfahren geäußert, was den Schluss zulasse, dass sie ebenfalls ein Mandat hätten, sagte Schertz. "Der einzige und zuständige Anwalt von Erdogan in dieser Sache sitzt hier", entgegnete Sprenger.

Sprenger bezeichnete das Schmähgedicht als "schwerste Verletzung der Menschenwürde unter dem Deckmäntelchen der Kunst". Eine kritische Auseinandersetzung mit anspruchsvollen Themen traue er den Zuschauern der Sendung "Neo Magazin Royale" schon wegen der späten Sendezeit nicht zu. Sie laufe spät nachts, wenn das Publikum bereits relativ müde sei. "Das Publikum, das sich nachts etwas anguckt, seziert nicht", so Sprenger. Es könne nicht mehr differenzieren, "ob das Wirklichkeit oder Ga-Ga ist." Schertz entgegnete, dass die Zielgruppe der Sendung nicht "die Masse" sei und sich häufiger "mit den hier diskutierten Themen befasst".

Die Verhandlung war aus organisatorischen Gründen ins Strafjustizgebäude verlegt worden, obwohl es sich um einen Zivilrechtsstreit handelte. Der Andrang der Pressevertreter war nicht ganz so groß wie angenommen: Nachdem in einem komplizierten Akkreditierungsverfahren 45 Plätze für die schreibende Presse auf deutsche, türkische und andere ausländische Medien verteilt worden waren, blieben jetzt sogar ein gutes Dutzend Sitze leer.