Frankfurt a.M. (epd). Der Auftakt zum 500. Reformationsjubliäum hat Hoffnungen auf Fortschritte in der Ökumene geweckt. Nachdem Franziskus als erster Papst in einem gemeinsamen Gottesdienst mit Lutheranern an den Beginn der Reformation im 16. Jahrhundert erinnert hatte, sprachen evangelische Ökumene-Experten am Dienstag von einem historischen Ereignis der jüngsten Kirchengeschichte.
Franziskus rief bei seinem Besuch im schwedischen Lund am Montag die Christen zur Einheit auf: "Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurden." In einer Gemeinsamen Erklärung bekunden Katholiken und Lutheraner ihre Absicht, gemeinsame Abendmahlsfeiern für Eheleute unterschiedlicher Konfession zu ermöglichen, allerdings ohne konkrete Schritte zu benennen. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte bei einem staatlichen Festakt in Berlin die von Martin Luther (1483-1546) angestoßenen Veränderungen.
Reformation positiv würdigen
Zum Abschluss seiner zweitägigen Schwedenreise forderte Franziskus am Dienstag erneut verstärkte Bemühungen für die Ökumene. "Selig, die für die volle Gemeinschaft der Christen beten und arbeiten", sagte er in seiner Predigt bei einer Messe im Stadion von Malmö vor seinem Rückflug nach Rom. An der Allerheiligen-Messe nahmen Vatikanangaben zufolge 15.000 Gläubige teil. Der Papst begrüßte dabei ausdrücklich den Präsidenten des Lutherischen Weltbundes (LWB), Munib Younan, und LWB-Generalsekretär Martin Junge, die mit ihm am Vortag den ökumenischen Gottesdienstes in der Kathedrale von Lund gefeiert hatten.
Der Catholica-Referent des Konfessionskundlichen Instituts im südhessischen Bensheim, Martin Bräuer, sprach mit Blick auf Lund von einem historischen Ereignis. Er sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Zum ersten Mal feiert ein Papst am Reformationstag einen ökumenischen Gottesdienst. Und zum anderen: Gemeinsam haben der Vatikan und der Lutherische Weltbund zu diesem Gottesdienst eingeladen und gemeinsam sind sie in der Lage, die Reformation positiv zu würdigen."
Die vor allem bei konfessionsverbindenden Paaren in Deutschland bestehende Frage der gegenseitigen Zulassung zum Abendmahl beziehungsweise der Eucharistie sei jedoch nicht gelöst worden. "Davon war auch realistisch nicht auszugehen", fügte der evangelische Theologe Bräuer hinzu: "Dennoch finde ich es bemerkenswert, dass in der gemeinsamen Erklärung das Problem benannt und die 'pastorale Notwendigkeit' betont wird, in dieser Frage zu einer Lösung zu kommen." Es bleibe zu hoffen, dass sich durch diesen Besuch die Bischöfe der betreffenden Länder ermutigt sehen, "hier kreative Lösungen zu suchen und zu finden".
Eine Gesellschaft braucht Gnade
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte bereits am Montag, die Worte des Papstes hätten ihn sehr berührt. Franziskus spreche mit seinem Wunsch nach mehr Einheit der Kirchen vielen Christen in Deutschland aus dem Herzen. Die Erklärung von Lund unterstreiche die gemeinsame Verantwortung beider Kirchen für die noch ausstehende volle Abendmahlsgemeinschaft. "2017 ist eine historische Chance auf dem Weg zur Einheit der Kirchen."
Das Reformationsjubiläum wurde in Deutschland mit einem Festgottesdienst und einen staatlichen Festakt in Berlin eröffnet. Bundespräsident Gauck sagte am Montag im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt: "Die heutige Gestalt unseres Gemeinwesens ist ohne die christlichen Kirchen nicht denkbar." Das Staatsoberhaupt erinnerte an Luthers Lehre von der Gnade Gottes. Gerade heute habe die Gesellschaft "nichts so nötig wie Gnade". Gauck beklagte, es mache sich "ein Ungeist der Gnadenlosigkeit breit, des Niedermachens, der Selbstgerechtigkeit und Verachtung". Er forderte "Agenten der Entängstigung".
Das Festjahr endet am 31. Oktober 2017, genau 500 Jahre nach dem legendären Thesenanschlag Luthers in Wittenberg. Die Veröffentlichung der Thesen gegen die Missstände der Kirche jener Zeit gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.