Berlin (epd). Journalistenorganisationen haben am Montag mit Empörung auf die Festnahmen von Mitarbeitern der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" reagiert. "Reporter ohne Grenzen" erklärte, die Schikanen zeigten die Geringschätzung der türkischen Regierung für abweichende Meinungen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die Freilassung der Festgenommenen, unter ihnen Chefredakteur Murat Sabuncu. Scharfe Kritik kam auch vom Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz.
"Das Vorgehen türkischer Behörden gegen 'Cumhuriyet' und andere kritische Medien ist nicht tolerabel", sagte Schulz Berliner "tageszeitung" (Dienstagsausgabe). "Wo Pressefreiheit beschnitten wird und Journalisten in Angst leben, da ist die Demokratie am Ende." Zuvor hatten die türkische Staatsanwaltschaft dem Bericht zufolge die Festnahme von 14 Mitarbeitern der Zeitung angeordnet.
Bundesregierung muss Stellung beziehen
Der Geschäftsführer der deutschen Sektion von "Reporter ohne Grenzen", Christian Mihr, erklärte, der Ausnahmezustand in der Türkei dürfe Grundrechte wie die Pressefreiheit nicht aussetzen. "Wir fordern die türkische Regierung auf, die inhaftierten Journalisten unverzüglich freizulassen."
Die DJV forderte, die Bundesregierung müsse Stellung beziehen und sich für die Freilassung der festgenommenen Journalisten einsetzen. "Die erneuten Festnahmen von Journalisten sind ein weiterer Schritt zur Austrocknung der spärlichen Reste von Pressefreiheit in der Türkei, da kann die Politik nicht einfach zuschauen", erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall.
Die Bundesgeschäftsführerin der dju, Cornelia Haß, erklärte, es mache "jedes Mal erneut fassungslos, wenn wieder kritische Medien mundtot gemacht werden". "Die Schäden, die daraus für das Land und seine Gesellschaft entstehen, sind nachhaltig." Es sei unverständlich, dass die EU und die Bundesregierung diesem Entkernen einer Demokratie keinen stärkeren Widerstand entgegensetzten.
Ehemaliger Chefredakteur verurteilt
Auch die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Tabea Rößner, forderte ein entschiedeneres Handeln der Bundesregierung. "Die erneuten Festnahmen von oppositionellen Journalisten zeigen: Erdogan setzt seine Entdemokratisierungsstrategie fort und formt die Türkei immer weiter zu einem autokratischen Staat", erklärte sie. "Im Dialog mit der Türkei müssen die Bundesregierung und die EU andere Saiten aufziehen und sich endlich mit voller Deutlichkeit hinter Pressefreiheit und Menschenrechte stellen."
"Cumhuriyet" wurde erst kürzlich mit dem "Alternativen Nobelpreis" ausgezeichnet. Der frühere Chefredakteur Can Dündar wurde wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen zu fast sechs Jahren Haft verurteilt. Er hatte über geheime Waffenlieferungen der Türkei an islamistische Milizen in Syrien berichtet. Er legte Berufung gegen das Urteil ein und lebt inzwischen in Deutschland.