Berlin (epd). Die Rehabilitierung von Männern, die in der Nachkriegszeit wegen ihrer Homosexualität verurteilt wurden, könnte noch in dieser Wahlperiode umgesetzt werden. Anlässlich des Deutschen Juristentags in Essen bekräftigte Maas am Dienstag seine Ankündigung, im Oktober einen Gesetzentwurf vorzulegen. "Ich finde es unerträglich, dass die Betroffenen bis heute mit diesem Strafmakel leben müssen", sagte Maas laut Redemanuskript. Seine Partei- und Kabinettskollegin Manuela Schwesig (SPD), die Grünen und der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüßten die Ankündigung.
Maas hatte bereits in seiner Haushaltsrede in der vergangenen Woche einen baldigen Gesetzentwurf angekündigt, der dann mit den Kollegen in der Bundesregierung abgestimmt und schließlich ins Parlament eingebracht werden müsste. Der Minister will dafür sorgen, dass die Urteile gegen Homosexuelle aus der Bundesrepublik und der DDR pauschal aufgehoben werden.
Entschädigungsfonds für Härtefälle
Nach einem im Juli bekannt gewordenen Eckpunktepapier will Maas zudem verurteilte Schwule für verbüßte Haftstrafen, Geldstrafen und Verfahrenskosten entschädigen. Geplant sind demnach außerdem ein Entschädigungsfonds für Härtefälle und eine Kollektiventschädigung in Form etwa einer Förderung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.
Konkret geht es um den früheren Paragrafen 175 im Strafgesetzbuch. Er galt seit der Kaiserzeit. In verschärfter Fassung bildete er die Grundlage für die Verfolgung und Ermordung Homosexueller in der NS-Zeit. In dieser Form bestand er noch in der Bundesrepublik fort und in veränderter Version auch in der DDR. Nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden auf dieser Grundlage in der Bundesrepublik bis 1969 rund 50.000 Männer verurteilt. Dann wurde der Paragraf entschärft, aber erst 1994 komplett abgeschafft. In der DDR, wo es weit weniger Verurteilungen gab, war das bereits 1968 der Fall.
Die pauschale Rehabilitierung war lange umstritten, weil erstmals damit Rechtsprechung aus der Zeit der Bundesrepublik aufgehoben würde. Familienministerin Schwesig sagte dazu am Dienstag, der demokratische Rechtsstaat habe es bisher immer verstanden, rechtliche Fehlentwicklungen zu korrigieren. "Auch für staatliches Unrecht im Rechtsstaat, dessen Tragweite erst im Nachgang erkannt wird, müssen Bundesregierung und Bundestag eine angemessene Antwort finden", sagte sie.
"Jugend gestohlen"
Begrüßt wurde die Ankündigung von Maas auch vom Grünen-Politiker Volker Beck und LSVD-Sprecherin Gabriela Lünsmann. Beide drangen gleichzeitig aber auch darauf, nicht nur die Zeit bis 1969, als der Paragraf in der Bundesrepublik entschärft wurde, zu betrachten, sondern auch spätere Urteile aufzuheben. "Hier darf es kein Stückwerk geben", sagte Lünsmann.
Auch wenn seit 1969 homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen nicht mehr strafbar gewesen seien, habe ein Sonderstrafrecht fortbestanden, sagte Beck: "Homosexualität wurde für junge Männer immer mit kriminellem Verhalten assoziiert." Auch spätere Urteile nach dem Paragrafen seien daher Unrecht. "Der Paragraf 175 hat uns unsere Jugend ein Stück weit gestohlen", sagte der schwule Politiker.