Gütersloh, Berlin (epd). Immer mehr Kinder von Alleinerziehenden sind einer Studie zufolge von Armut bedroht. Sie seien fünf Mal häufiger gefährdet als Kinder mit zusammenlebenden Eltern, teilte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh mit. Rund 970.000 Kinder wachsen laut der Untersuchung in einer Familie mit nur einem Elternteil auf, die Hartz IV bezieht. Die Hälfte der Alleinerziehenden erhalte überhaupt keinen Unterhalt vom Ex-Partner für ihre Kinder, ergab die Studie. Weitere 25 Prozent bekämen nur unregelmäßig Unterhalt oder weniger als den Mindestanspruch.
Schwesig für Reform des Unterhaltsvorschusses
In Reaktion auf die Studie sprach sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) für eine Reform des Unterhaltsvorschusses aus. Sozialverbände forderten eine allgemeine Kindergrundsicherung.
Zentrale Ursachen dafür, dass Ein-Eltern-Familien oft unterhalb der Armutsgrenze lebten, seien nicht gezahlter Unterhalt und Arbeit in Teilzeitjobs, heißt es in der Studie. Zwar seien mit mehr als 60 Prozent die Mehrheit der alleinerziehenden Mütter erwerbstätig. Weil sie aber häufig allein die Verantwortung für die Kinder tragen würden, arbeiteten viele in Teilzeitjobs.
"Kinderarmut ist ganz wesentlich auf die Armut von Alleinerziehenden zurückzuführen", sagte der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger. Er mahnte eine bessere Durchsetzung der Unterhaltsansprüche an. Wenn der nicht betreuende Elternteil nicht zahlen könne, müsse der Staat für den Unterhalt der Kinder aufkommen.
Verbände fordern Grundsicherung für Kinder
Bundesfamilienministerin Schwesig (SPD) sprach sich dafür aus, die Altersgrenze für den Bezug des Unterhaltsvorschusses auf 14 Jahre anzuheben. Mit dem Unterhaltsvorschuss springt der Staat ein, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil keinen Unterhalt zahlt. Allerdings wird diese Leistung nur für Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren und maximal über sechs Jahre gezahlt.
Sozialverbände mahnten neben einer Reform des Unterhaltsvorschusses eine allgemeine Grundsicherung für Kinder an. Nötig sei eine Bündelung unterschiedlicher Leistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss, sagte die Bundesvorsitzende Solveig Schuster vom Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Für eine bessere Grundförderung aller Kinder und Jugendlichen sprach sich auch die Diakonie Deutschland aus. Alleinerziehende benötigen flexible Arbeitszeitmodelle und auf sie zugeschnittene Kinderbetreuungsangebote, sagte Vorstandsmitglied Maria Loheide dem epd. Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe sprach sich für existenzsichernde Grundleistungen bis zu 300 Euro pro Kind aus. Zudem müsse die Kita und die Angebote der Ganztagsschule kostenfrei sein, sagte der Fachreferent Remi Stork in Münster dem epd.
Mehr Hilfen bei der Jobsuche gefordert
Die Awo forderte eine Reform der Arbeits- und Steuerpolitik sowie eine gute Kinderbetreuung. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Alleinerziehende aufs Abstellgleis gestellt werden", sagte der Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.
Das Deutsche Kinderhilfswerk warb für eine Anpassung des Steuersystems. Bislang würden Alleinerziehende ähnlich besteuert wie Singles, während verheiratete Paare vom Ehegattensplitting profitieren könnten, kritisierte Bundesgeschäftsführer Holger Hohmann in Berlin. Nötig seinen auch "armutsfeste Hartz IV-Regelsätze".
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön fordert unterdessen auch von der Agentur für Arbeit mehr Hilfen für Alleinerziehende bei der Jobsuche. "Jobcenter sollen Alleinerziehende nicht länger als schwer vermittelbar ansehen", erklärte sie in Berlin. Die Sprecherin der Grünen für Kinder- und Sozialpolitik, Franziska Brantner, forderte die Bundesregierung auf, "endlich Gesetze für Alleinerziehende zu machen".