"Die Alten beuten die Jungen aus." So lautet einer der provokanten Sätze über das Alter, die bei den Mitmachangeboten im Zentrum Älterwerden an der "Papierknüllmaschine" symbolisch vernichtet werden können. "Der Spruch empört mich", sagt eine 82-jährige, mit vier Kindern und geringer Rente, und legte den hellblauen Zettel in die Maschine, die – eine Mischung aus Kunst und Technik – nach mehreren Minuten den perfekt geknüllten Papierball ausspuckt.
Was tun, "ohne sich im Geflecht hunderter Reformvorschläge zu verheddern?" Bildung gehört laut Klingholz zum wichtigsten, und zwar vor allem im frühkindlichen Bereich, um benachteiligten Kindern gerechte Startchancen mitzugeben. Und weil Bildung hilft, produktiver und länger zu arbeiten, die Kriminalitätsraten senkt und die Gesundheit fördert. "Familienförderung" würde falsch verstanden. Wer Kinder habe, fördere die Restgesellschaft. Bis zu Bismarcks Sozialgesetzgebung waren Kinder die Altersvorsorge. Heute investierten Eltern doppelt in die Rentenversicherung, durch Steuern und die Kosten für die Kinder, ohne es doppelt zurück zu bekommen.
Die Wachstumsglaube müsse aufhören. Statt sich für Wohlstand weiter zu verschulden, müssten Gesellschaftsmodelle gesucht werden, die möglichst vielen ein Wohlergehen ermöglichen, auch bei wirtschaftlicher Stagnation.
40 Jahre Lebensarbeitszeit, 20 Jahre Ruhestand
"Heute haben wir vierzig Jahre Lebensarbeitszeit und zwanzig Jahre Ruhestand", rechnet Klingholz vor: "Wenn die Lebenserwartung alle zehn Jahre um zwei bis drei Jahre steigt, können wir nicht erwarten, dass die Zeit der Freizeit dient, die von einer kleiner werden Gruppe finanziert wird. Zwei Drittel Arbeit, ein Drittel Ruhestand, das ist transparent. Dann sind wir 2060 bei einem Renteneintrittsalter von 70 Jahren. Es braucht sehr viel höhere Mathematik, die Rente mit 63 zu rechtfertigen. Der Sozialstaat ist die Kriegskasse für die Wiederwahl, weil ein wachsender Teil der Wähler profitiert." Raunen und wieder Applaus im Publikum. "Ich würde auch gern früher aufhören, aber wir machen uns Sorgen um die Zukunft unserer fünf Kinder", so hatte ein Zuhörer seine Wahl des Podiums begründet. Die Sorge um die "Generation Praktikum" wurde wiederholt geäußert.
Alle müssen länger aktiv bleiben, vielleicht auch in einem neuen Beruf in der Phase jenseits der fünfzig, wie Podiumsgast Ursula Weidenfeld, Wirtschaftsjournalistin, riet. Oder im freiwilligen Ehrenamt? Franz Müntefering, früherer Arbeits- und Sozialminister, formulierte klar: "So lange dein Kopf klar ist, bist du mitverantwortlich für das, was passiert. Helfen, wer Lust hat, das funktioniert nicht. Ob das Arbeiten bezahlt wird, ist egal."
Lebenserwartung von 100 Jahren
So egal doch nicht: "Welcher Arbeitgeber nimmt mich mit Ende 50?", fragte jemand aus dem Publikum. Nein, es werde keinen Kriege der Generationen geben, sagt Franz Müntefering: "Es werden sich nicht die reichen Alten mit den armen Alten gegen die Jungen verbünden, oder alle Jungen gegen alle Alten." Denn nur 70 Prozent seien im Alter abhängig von Renten und Steuern, 30 Prozent nicht. "Wer ein bestimmtes Einkommen hat, der schiebt das Problem den anderen zu. Der macht seinen Weg."
Ulrich Fischer, bis vor einem Jahr badischer Landesbischof, der für den erkankten Ex-Ratspräsident Wolfgang Huber eingesprungen war, erinnerte an das 1997 verabschiedete ökumenische Sozialwort. Hier war deutlich von der wachsenden Kluft zwischen arm und reich die Rede gewesen. Die zeigt sich auch im Alter. Was muss passieren, damit die Konsequenzen aus dem demographischen Wandel gezogen werden? "In der Ökologie brauchten wir erst die Fukushima-Katastrophe, bis es voran ging", überlegt er. Vielleicht sei es hier ähnlich. "Die Alten beuten die Jungen aus", dieser Satz lädt zum Weiterdenken ein.