Heute sei zu fragen, "ob die Kirche sich als Gegenüber zum Staat oder als Teil einer lebendigen Zivilgesellschaft versteht", schreibt Ueberschär in einem Beitrag für das evangelische Monatsmagazin "zeitzeichen". Auf manchen Dörfern Brandenburgs sei der Einfluss der Christen größer, wenn sie sich als ein gesellschaftlicher Akteur unter mehreren verstünden. "Das mag sich in Hannover und Stuttgart anders anfühlen, aber das staatsförmige Kleid der Kirchen ist mancherorts längst zu weit geworden", argumentiert die Theologin.
Die evangelische Kirche habe sich von der Staats- zur Volkskirche entwickelt, aber auch dieses Modell scheine gerade an sein Ende zu kommen. Auch in Deutschland würden die Kirchen auf einen Markt gedrängt, auf dem sie sich behaupten müssten. Dies stelle die Kirchen auch auf eine Glaubwürdigkeitsprobe. "Glaubwürdigkeit, das eigene Tun zum Maßstab des eigenen Redens zu machen - das ist im zivilgesellschaftlichen Umgang normal, für die Kirchen ist es relativ neu und vor allem existenziell."
Die bestehende staatsnahe Gemeinwohlverpflichtung, wie sie etwa in der "Ökumenischen Sozialinitiative" der beiden großen Kirchen von 2014 zum Ausdruck komme, könne "Kräfte freisetzen, die nach neuen, politiknahen, aber staatsferneren Formen der Verantwortungsübernahme" suchten. "Die Kirchen werden - so die Prognose - staatsferner werden, aber politiknah bleiben", schreibt die Kirchentags-Generalsekretärin.