Ich bete an die Macht des Mammons

Ich bete an die Macht des Mammons
In Berlin machte die Polizei vor einigen Tagen einen interessanten Fund an einem Geldautomaten …

„Woran du nun, sage ich, dein Herz hängst und [worauf du dich] verlässest, das ist eigentlich dein Gott.“ So klar formulierte es Martin Luther in der Auslegung zum ersten Gebot in seinem Großen Katechismus. Ein Satz, der in seiner Einprägsamkeit und Deutlichkeit bis heute weiterwirkt. Unzählige Male in Relistunden, Predigten, Konfirmandenunterrichten zitiert, zielt dieser Satz ja auf die Frage, die auch Jesus stellte: Was ist dir wirklich wichtig?

Wir wussten zunächst nicht, was jene unbekannte Person in Berlin umtrieb, als er oder sie im U-Bahnhof Berlin-Güntzelstraße eine Gebetsbank direkt vor einem Geldautomaten abstellte. Vielleicht hatte er sie da auch einfach nur vergessen. Kommt ja mal vor, beim U-Bahn-Fahren, dass man sein Handgepäck irgendwo liegen lässt. Wir hielten das angesichts des hier liegen gelassenen Gegenstands aber doch für eher unwahrscheinlich. Wollte die Person vielleicht gerade im Lutherjahr (möglicherweise haben Sie von diesem epochalen Ereignis schon mal gehört, so am Rande, Sie wissen, vor 500 Jahren …) auf den Satz Luthers aufmerksam machen? War es ein stiller Protest gegen den G20-Gipfel und den Kapitalismus? Quasi ein Zeichen: Das hier, das ist euer wahrer Gott? Oder war es vielleicht sogar gewissermaßen ein Zitat des Segensroboters, der ja aus einem umgebauten Geldautomaten besteht und auf der Weltausstellung in Wittenberg Passanten segnet?

Die Polizei Berlin staunte jedenfalls nicht schlecht, als sie zu diesem seltsamen Ding gerufen wurde, und twitterte ein Foto: „Ungläubige Blicke der Streife unseres #A26 nach Anzeige dieser "Entweihung" eines EC-Automaten am U-Bhf. Güntzelstraße. #OMG

Mit unserer Vermutung lagen wir aber in der Tat nicht ganz falsch: Die Künstlergruppe „Rocco und seine Brüder“, die schon öfters mit außergewöhnlichen Kunstinstallationen auffiel (etwa ein komplett möbliertes Zimmer in einem BVG-Tunnel), hatte diese Gebetsbank installiert – nicht einfach nur hingestellt, nein: richtig professionell am Boden festgeschraubt, das leuchtende „EC“-Schild auf dem Automaten durch ein leuchtendes Kreuz ersetzt und außerdem noch Kerzenhalter mit (elektrischen) brennenden Kerzen an der Wand angebracht.

Die Künstlergruppe hat sich mittels eines Videos quasi zu der Tat bekannt. Und selbst das „Bekennervideo“ nimmt das Verhältnis von Glaube und Geld aufs Korn: Das extra eingerichtete Benutzerkonto bei Vimeo hat den Namen Franz-Peter Tebartz-van Elst.

In dem Video  dokumentieren sie die Reaktionen der Passanten: Jemand kniet tatsächlich nieder zum Gebet. Ein anderer hebt ganz ungerührt Geld ab. Einer fragt: „Ist hier jemand gestorben?“ und rätselt über den „Sterbeautomaten“. Ein Kind fragt: „Was ist das?“ und Mama verlegt sich auf die einfache Antwort: „Ein Geldautomat“. Gruppen stehen herum und diskutieren. Die Unsicherheit ist groß. Was soll das hier? Rocco und seine Brüder stellen dem Video kein Bibelzitat vorweg, aber eines von Henry Fielding, das doch ganz ähnlich klingt: „If you make money your god, it will plague you like the devil“. Wenn du Geld zu deinem Gott machst, wird es dich plagen wie der Teufel.

Eine gelungene Aktion. Viele Menschen irritiert, zum Nachdenken gebracht. Vielleicht theologisch nicht hundertprozentig einwandfrei, aber darum geht es doch gar nicht in diesem Fall.

Warum gelingt das uns von der Kirche so selten? Warum steht unser Segensroboter in einer Weltausstellung, die fast keinen interessiert, statt in der U-Bahn?

IN GOD WE TRUST | Rocco and his brothers from Franz-Peter Tebartz-van Elst on Vimeo.

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