Sausende Seelsorger

Sausende Seelsorger
Über das richtige Fahrzeug für Pfarrerinnen und Pfarrer kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein.

Deutschland, Land des Autobaus! Wo sonst gibt es sie noch, die freie Autobahn, auf der man im Stau mit einer selbstgewählten Geschwindigkeit hinter dem Vordermann hertuckeln kann! Ohne irgendwelche Einschränkungen. Freie Fahrt für freie Bürger, diese Aufkleber zierten schon vor Jahrzehnten manche Autohecks. Allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkungen auf deutschen Autobahnen? Kaum vorstellbar. Wo sonst noch sollte man seine 1002 PS starken Geräte bis zur Höchstgeschwindigkeit ausfahren? Wo sonst sollte man so richtig zeigen, was man drauf hat? Also, motormäßig, versteht sich.

Die Frankfurter Allgemeine berichtete nun über einen neuen Sportwagen. Von einer eher nicht ganz so bekannten Marke names Lexus. Mir war bisher eher Nexus bekannt, aber das ist einerseits eine Smartphone-Reihe von Google und andererseits eine Energieverzerrung des Raum-Zeit-Kontinuums im Film „Star Trek: Treffen der Generationen“. Da sich bei entsprechend hoher Geschwindigkeit die Raumzeit verzerrt, wären wir damit auch schon wieder bei den schnellen Autos angelangt. Und ja, natürlich kenne ich auch den Lexus. Allerdings nicht den Lexus RCF, das „individuelle Hochleistungsauto“ für schlappe 100.000 Euro. Gerade mal 477 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h, also knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit.

Aber halt kein Porsche oder so was. Also ein absolutes „Understatement-Auto“ für die stillen Genießer, die nicht so gerne angeben wollen.

Wer kauft so was? Offenbar gerade mal 100 Menschen in Deutschland. Einer der ersten laut Bericht: Ein Pfarrer. Ja, richtig: Ein Pfarrer. Also, ich weiß nicht. Unsere Bezahlung entspricht etwa der von Gymnasiallehrern. Das ist durchaus ordentlich, aber ein Auto für knapp 100.000 Euro ist definitiv nicht drin. Nun ja vielleicht, wenn man ein paar Prioritäten anders setzt, keine Kinder hat und sonst nicht allzu viele Ausgaben hat.

Natürlich hat so ein Fahrzeug auch seine Vorteile, vor allem in der Diaspora, wo man schon mal 50 Kilometer zu einem Seelsorgebesuch düsen muss. Stefan, der sausende Seelsorger sieht stündlich siebzehn Schäfchen seiner Seelsorgeeinheit. Super, sagt sein Superintendent.

Tja, lieber Herr Kollege (ich nehme irgendwie stark an, dass es keine Kollegin war): Das ist natürlich klasse. Aber was sagen Sie der Konfirmandengruppe, die unbedingt von A nach B kutschiert werden muss? Und wie bringen Sie 17 Plakatständer an die Ausfallstraßen, 20 Bierbänke zum Gemeindefest? Dafür braucht's das einzig wahre Dienstauto für einen Pfarrer, eine Pfarrerin: Einen VW-Bus oder das entsprechende Modell einer anderen Autofirma.

Und, lieber Herr Kollege, was sagen Sie eigentlich dem Umweltausschuss Ihrer Gemeinde? Ein Auto mit um die 500 PS? Ob das so umweltfreundlich ist? Ich weiß ja nicht. Das wäre nämlich noch die zweite Alternative zum großen Allzwecktransporter: Ein kleines, feines, umweltfreundliches Fahrzeug. Ausreichend, um jemanden möglichst umweltunschädlich zum Einsatzort zu befördern. OK, möglicherweise macht das nicht so viel Spaß wie mit 500 PS zum Taufgespräch zu rauschen. Aber besser für die Schöpfung ist es auf jeden Fall. Fahre hin in Frieden!

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