Hilfe! Die Christen kommen!

Hilfe! Die Christen kommen!
Foto: epd-bild/Hanno Gutmann
Eine besorgte Anruferin berichtete vor kurzem über Notruf von seltsamen Menschen, die sich vor ihrem Haus versammelten. Eine wirklich gruselige Angelegenheit ... oder doch eher komisch?

Diese Christen sind schon ein seltsames Volk. Treffen sich ausgerechnet am Sonntagmorgen, wo man doch den Sonntag extra zum Ausschlafen erfunden hatte. Singen seltsame Lieder. Reden mit jenem unsichtbaren Wesen, das sie verehren, und lassen sich nicht mal so richtig festlegen, ob das nun drei sind oder eines.

Dass das Verständnis für christliche Traditionen in unserem angeblich so christlichen Abendland langsam, aber sicher verlorengeht, zeigte dieser Tage der Anruf einer jungen Frau aus Aachen beim Notruf.

Stellen Sie sich vor: Da läuft eine Gruppe zum Teil seltsam gekleideter Menschen auf der Straße vor Ihrem Haus vorbei! Einer spricht in ein Mikrofon, die anderen wiederholen, was er sagt. Irgendwelche komischen Dinge aus der Bibel oder so, was mit Hirte, und dann Muttergottes. Eine Verschwörung? Irgendwelche Terroristen? Die junge Frau ruft ihren Mann. „Getz mach wat, Hans! Der macht die Kuh tot!“ (Entschuldigung, wir sind kurzzeitig in den falschen Film abgerutscht. Das war Hannilein.)

Was können Sie nur tun in einer derart extremen, aufgeheizten Situation? Wie können Sie mit dieser ultimativen Gefahr umgehen, die von einem Mikrofonsprecher ausgeht? Die junge Frau tat das einzig Richtige:

Sicherheitshalber rief sie als brave Bürgerin natürlich die Polizei an, es war ja wirklich gruselig, falls mal was passieren sollte. Es entspann sich der folgende Dialog, den die Polizei freundlicherweise als Pressemitteilung zur Verfügung gestellt hat:

Beamter am Polizeinotruf (BAP): "Polizeinotruf!"

Anruferin: "Guten Tag; mein Name ist .........., ich möchte einen Hinweis geben auf eine größere Gruppe Menschen, die mit einem Mikrofon gerade die Straße hochgehen. Einer von denen hat einen biblischen Spruch aufgesagt und die Menschen haben diesen Spruch wiederholt.....Es war ziemlich gruselig."

BAP: "Welchen Spruch denn?"

Anruferin: "Einen biblischen Spruch, so...dass sie sich von der Welt verabschieden..irgendwas von der Hirte und so...!"

BAP: "Wie viele Personen waren das denn?"

Anruferin: "Das konnte ich leider nicht sehen. Mein Mann hat geguckt....warten sie mal...

Ehemann jetzt im Hintergrund in den Hörer rufend: "20 Leute!"

Anruferin: "20 Leute sagt er."

BAP: "Die laufen durch den Ort?"

Anruferin: "Im Moment haben die noch nichts gemacht, aber es macht einfach einen komischen Eindruck. Falls mal irgendetwas passieren sollte."

BAP: "Was haben die Leute denn genau gesagt?

Anruferin: "Auf jeden Fall diesen Spruch von dem Herrn mein Hirte...ich kenne das ja nicht...das könnte ja was von einer Kirche sein..."

Ehemann im Hintergrund: "...heilige Maria Muttergottes..."

Anruferin dazwischen: "was man da schon mal hört...und die Frucht deines Leibes...., den Spruch, den man da immer sagt...ich bin ja nicht von der Kirche..."

BAP: "Das ist wahrscheinlich eine Prozession, die da durch ihren Ort geht."

Anruferin: "Eine was?"

BAP: "Eine Prozession. Also nichts, wovor sie Angst haben müssen."

Anruferin: "Also, dass die hier eine Wanderung machen und dabei diese Sprüche machen?

BAP: "Ja, das ist ein feierlicher, kirchlicher Umzug. Das nennt man hier Prozession."

Anruferin: "Ach so, das kenne ich nicht. Ich dachte, weil die so Sprüche machen..."

BAP: "Ja genau. Das ist eine Prozession."

Es folgten noch ein paar nette kleine Erläuterungen des Beamten, die der Anruferin das kirchliche Brauchtum näher brachte.

Anruferin: "Ok, danke, Tschüss."

BAP: "Gerne."

Offensichtlich hatte die junge Frau noch nie eine katholische Prozession gesehen oder überhaupt davon gehört, dass es solche Dinge gibt. Gruselig, in der Tat.

Ich meine: Gruselig, dass wir (beziehungsweise unsere katholischen Brüdern und Schwestern) Dinge tun, die Menschen, die nichts damit zu tun haben, sogar dazu bringen, bei der Polizei anzurufen. Wie wird das weitergehen? Wird irgendwann jemand die Polizei rufen, weil sich verdächtige Gestalten am Ostersonntagmorgen früh um fünf in der dunklen Kirche versammeln? Oder weil sich jemand, sagen wir mal, in diesem großen Kulturdenkmal, sprich: Der örtlichen Kirche, vorne hinstellt und einfach anfängt, irgendwelche Dinge zu sagen?

Ich habe die Hoffnung aber immer noch nicht aufgegeben, dass wir Christinnen und Christen weiter eine wichtige Rolle, vielleicht sogar wieder größer werdende Rolle spielen werden in unserer Gesellschaft. Dass wir uns aus in unserem Glauben wurzelnder Überzeugung überall für die Menschen einsetzen, die es nötig haben. Für die Schwachen der Gesellschaft. Für die Flüchtlinge. Für die Armen. Und dass es dann nicht schlimm ist, wenn mal irgendwelche Traditionen, die wir so pflegen, komisch oder gar gruselig daherkommen. Weil die Leute wissen: Diese Christen, das sind Leute, auf die Verlass ist, weil sie aus ihrem Glauben heraus leben. Weil die Leute wissen: Wenn es jemandem schlecht geht, dann rufen wir nicht die Polizei – sondern die Christen. Und die kommen.

Ja, ich weiß: So läuft es nicht überall. Aber träumen kann man ja mal.

Und jetzt alle: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln ...“

 

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