Der wohl letzte größere Jahrestag 2017 steht am Montag bevor: Am 18. Dezember vor 100 Jahren wurde die deutsche Filmfirma Ufa gegründet. Das ist interessant, weil es sie, dem Namen nach, immer noch gibt.
"Der Krieg hat die überragende Macht des Bildes und Films als Aufklärungs- und Beeinflussungsmittel gezeigt", hieß es im Brief Erich Ludendorffs, der diese Gründung initiiert hatte. Der General aus der Obersten Heeresleitung hegte den Plan, das Beeinflussungsmittel "für die fernere Kriegsdauer" aus deutscher Sicht zu optimieren. In fast dem Jahr, den der Erste Weltkrieg dann noch dauerte, hat das nicht mehr viel geholfen (außer wahrscheinlich: den Krieg zu verlängern). Wenige Jahre später aber konkurrierten Filme von Ernst Lubitsch, Friedrich Wilhelm Murnau oder Robert Wiene (der nie so bekannt wurde wie sein "Cabinett des Dr. Caligari") tatsächlich international kommerziell mit Hollywood. Nicht alle diese Regisseure arbeiteten von Anfang an für die Ufa, doch wurden sie und ihre Produzenten wie Erich Pommer von den Eigentümern, darunter der Deutschen Bank, eingekauft. Ganz falsch war Ludendorffs Idee also nicht. Sie klingt auch weiterhin plausibel in einer Zeit, in der täglich dutzende Millionen Bilder auf Instagram geteilt werden und die Bundeswehr auf Youtube sendet.
Heute zählt die Ufa zu den bekanntesten deutschen Film- und, was erheblich wichtiger ist: Fernseh-Firmen. Schlagzeilen auch jenseits der Medienressorts machte der für ZDF-Verhältnisse rasante Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter", der das trendige Kürzel "UMUV" erhielt. 2016 kam es deswegen sogar zu einem Prozess im Ausland. Polnische Veteranen hatten eine völlig andere Sicht auf den Zweiten Weltkrieg, um den es in "UMUV" geht, und be-klagten im wörtlichen Sinne "Propaganda". Macht die Ufa heute also, wofür sie 1917 gegründet wurde?
Natürlich hat die Ufa wie Deutschland überhaupt in den 100 Jahren eine unglaublich wendungsreiche Geschichte hinter sich. Einen einen filmästethisch-kulturhistorisch brillanten Überblick gibt ein Georg-Seeßlen-Beitrag für "epd film".
Fritz Lang und Deutsche Bank
Im Schnelldurchlauf: Die Konkurrenz mit Hollywood führte in den 1920ern zum Fritz-Lang-Film "Metropolis", der noch immer ikonisch ist, andererseits fast zur Pleite führte, die mit US-amerikanischem Geld verhindert wurde. Wer das Eigentum dann wieder "heim ins Reich" holte, war Alfred Hugenberg, der als Vorsitzender der DNVP zu jenen rechtsnationalen "Herrenreitern" gehörte, die in so etwas wie irrer Verblendung Adolf Hitler und die NSDAP 1933 an die Macht holten. Hugenberg wurde Wirtschaftsminister oder sogar "-diktator" , doch kurz darauf derart reibungslos entmachtet, dass er nach dem Krieg als "Mitläufer" eingestuft wurde. Bloß als warnendes Beispiel dafür, was integrierte Medienkonzerne, die auflagenstarke Presse mit "der überragenden Macht" bewegter Bilder kombinieren, anrichten können, blieb sein Konzern in Erinnerung.
Dabei entdeckte die Ufa das immer noch zuverlässigste Erfolgsrezept für deutsches Kino: um einen erfolgreichen Fernsehkomiker herum eine längere Handlung zu stricken. Mit Didi-Hallervorden-Filmen stieg sie wieder ins seinerzeit prestigeträchtigere Kinogeschäft sein.
Das Land der Väter und Mütter
Im Geschäft mit dem neuen Privatfernsehen, in dem Bertelsmann an RTL beteiligt war, diversifizierte Firmenchef Wolf Bauer innerhalb einer (wie immer bei der Ufa) komplizierten Firmenstruktur: Derzeit gehört die Ufa in Potsdam zu Fremantle Media in London, das zur RTL-Group in Luxemburg gehört, die zur Gütersloher Bertelsmann SE gehört. Eine Ufa-Firma produziert seit 1992 nach australischem Muster die Daily-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", und die deutsche Umsetzung berühmt-berüchtigter Castingshows gehört auch zum Markenbild. Und eine 1998 gegründete Firma trug den etwas albern buchstabierten Trendnamen "teamWorx". Ihr Chef war ein Filmstudent, der zunächst Filme mit Titeln wie "Der Krieg meines Vaters" und "Land der Väter, Land der Söhne" inszeniert hatte. Als Nur-Produzent, zu dem er dann umstieg – selten, denn dank der Autorenfilm-Theorie genossen Regisseure viel höheres Ansehen – initiierte Nico Hofmann (siehe auch hier nebenan) eine Menge Zwei- bis Dreiteiler über das Land seiner (und unserer) Mütter und Väter, dessen Kriege und ihre Folgen. Das konnte schon leicht generalstabsmäßig wirken, wenn Teamworx etwa 2005/06 in drei Zweiteilern für unterschiedliche Sender deutsche Geschichte aus den Jahren 1945, 1948 und 1962 jeweils in Eine-Frau-zwischen-zwei-Männern-Konstellationen erzählte ("Dresden"-Bombardierung, Berliner "Luftbrücke", Hamburger "Sturmflut"; dazu hatte ich damals Nico Hofmann für die "FAS" interviewt ...).
Vielleicht ist diese Entwicklung mit "UMUV" kulminiert. "Es ist der glücklichste Moment in meinem Berufsleben als Produzent", ließ sich Hofmann jedenfalls zitieren, als er damit den International Emmy gewann (der nicht mit dem US-amerikanischen Emmy zu verwechseln, aber dennoch wichtig ist). Seither werden die großen Zeitgeschichts-Zwei- bis Dreiteiler weniger. Die 70er-Jahre-Berlin-Geschichte "Der gleiche Himmel" fand im März bei Publikum und eigentlich meist Ufa-freundlicher Kritik gedämpfte Aufnahme, vielleicht weil sie sichtlich mehr als aufs ZDF auf Netflix zugeschnitten war.
Was schon auf die jüngste und nächste Prestige-Produktion deutete , auf die die Ufa tatsächlich stolz sein kann: "Deutschland 83" und die 2018 zu sehende Fortsetzung. "Deutschland 86" mochte der alte Haupt-Auftraggeber RTL nicht mehr finanzieren, weil die "83"-Serie im werbefinanzierten linearen Free-TV nicht gut lief. Dafür stieg Amazon ein. Der kalifornische Konzern rechnet nun wirklich mit globalen Zuschauern, die, wenn das funktioniert, bald darauf "Deutschland 89" zu sehen bekommen werden – das die Ufa zwischen "Bornholmer Straße", "Das Wunder von Berlin" und "Der Turm" ja gründlich verfilmt hat.
Das fernsehfiktionale Bild der deutschen Geschichte hat die Ufa in Deutschland mindestens entscheidend mit-geprägt.
"Die abscheulichste Erscheinung des Neo-Ufa-Stils sind die nationalen Feelgood-Movies, in denen Vergangenheit geschönt, bereinigt und symbolisch 'vermenschlicht' wird, komplett mit Ufa-Beleuchtung, Ufa-Schauspiel, Ufa-Dramaturgie",
schreibt Georg Seeßlen im oben verlinkten Text (worüber sich streiten ließe). Und inzwischen speist die Ufa ihre tendenziell natürlich attraktiven Deutschland-Bilder auch in den globalen Diskurs ein. Sie tut sozusagen, wofür sie 1917 gegründet wurde.
Kaiser Wilhelm und Guido Westerwelle
Ist das schlimm? Nein, schließlich haben sich Deutschland und die Ufa enorm gewandelt, und über ihre Produktionen kann gut und soll auch diskutiert werden. Kritiker müssen Nico Hofmann lassen, dass er auf Kritik eingeht und auch lernt.
"Ein Learning, was ich gemacht habe" (so klingen Sätze international umtriebiger Manager halt), sei, dass es so eine "Verwischung der Grenzen zwischen Tätern und Opfer", wie sie in "UMUV"-Szenen anhand von Antisemitismus im deutsch besetzten Polen zu sehen war, in künftigen Produktionen nicht mehr geben werde. Das sagte Hofmann in einem Dokumentarfilm, den Arte im Sommer sendete und die ARD am Montag noch mal zeigt.
Dass deutsche Geschichten für globalisierten Unterhaltungsindustrie-Markt auf internationalem Niveau (was viel eher ökonomische als künstlerische Kategorie ist) auch von Deutschen erzählt werden, statt nur von Hollywood-Prominenten, wenn die steuerfinanzierten Subventionen sie hinlocken, ist schon in Ordnung. Es zählt ja zu den Vorzügen von Netflix und sogar Amazon, dass sie zumindest theoretisch viel breitere Chancen bieten, wirklich internationale Filme zu sehen, als das Kino und das lineare Fernsehen, die überall von jeweils nationalen und US-Produktionen dominiert werden. Sogar polnische Perspektiven bietet Netflix an.
Produktionen, über die sich streiten lässt, sind von der Ufa natürlich zu erwarten, auch wenn sie immer viel schon im Projekt-Status ankündigt. Das birgt zwar die Gefahr, dass Projekte dann doch scheitern, lässt aber den sonst nur von Hollywood-Studios gewohnten Nimbus mitschwingen, dass immer an vielen Ideen gearbeitet wird, von denen nur einige, idealerweise die besten verwirklicht werden. Gegenwartsnah könnte es da um Guido Westerwelle gehen, eher in Richtung 1917 in einer seit Jahren angekündigten, seit dem RTL-Ausstieg wieder ungewisse Serie um den frühen Hitler und den "letzten Kaiser", der vor 100 Jahren ja noch regierte. Grundsätzlich ist Fernsehen, über das sich gut streiten lässt, ja interessanter als solches, über das nicht.
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Eine Ufa-Ausstellung läuft noch bis April im Berliner Filmmuseum; einen bunten Mix von Ufa-Filmen fast aller Zeiten gibt's (aber nicht gratis) auf ufafilm.de.