"Richness in Diversity"

"Richness in Diversity"
Vorhang in Regenbogenfarben
Foto: Kerstin Söderblom
Vom 4. bis 8. Mai hat das Europäische Forum christlicher Lesben-, Schwulen-, Bi- und Transgruppen (LSBT-Gruppen) in Göteborg getagt. "Richness in Diversity" (Reich an Vielfalt) war das Thema der Jahrestagung.

Die Regenbogenfahne war vor dem Konferenzhotel gehisst. Aus Russland, Polen, Ungarn, Rumänien, Kyrgisien, Lettland, Estland, Tschechien, Spanien, Portugal, Frankreich, Italien, Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Dänemark und Schweden strömten die Teilnehmenden zur Konferenz. Gemeinschaft, Solidarität, gemeinsames Debattieren, Singen, Beten und Gottesdienst feiern gehört zu den wesentlichen Elementen der Tagungen. Sie werden seit 35 Jahren einmal im Jahr in einer anderen europäischen Stadt ausgerichtet. 135 Teilnehmende aus ca. 20 europäischen Ländern waren in diesem Jahr als Delegierte und Interessierte in Göteborg vertreten.

Seit zwanzig Jahren nehme ich an den Tagungen des Europäischen Forums als Delegierte teil. Sie haben mein Leben verändert. Ich bin dankbar für die Erfahrungen von Freundschaft, ökumenischer Gemeinschaft und grenzüberschreitender Solidarität. Das Europäische Forum gehört schon lange zu meiner Familie und ist meine geistliche Heimat geworden. Deshalb schreibe ich heute darüber.

Die Teilnehmenden wurden unter anderem von Erik Andersson, Moderator der schwedischen LSBT Vorbereitungsgruppe EKHO herzlich begrüßt. Im Anschuss daran sprach der Bischof von Göteborg Per Eckerdal zu den Teilnehmenden. Er fand in seiner Begrüßung klare Worte: Lesben, Schwule Bi- und Transsexuelle gehören in die christliche Familie wie alle anderen auch. Denn nur alle Menschen gemeinsam könnten die Glieder an dem einen Leib in Jesus Christus formen. Kein Glied dürfe verletzt werden oder verloren gehen. Und er wurde noch deutlicher: Ohne LSBT Mitglieder sei Kirche keine Kirche. Dass LSBT bis heute gerade in Kirchen und christlichen Gemeinschaften oftmals ausgegrenzt und verletzt wurden, tue Eckerdal sehr leid. Er entschuldigte sich dafür. Denn Kirchen sollten ein sicherer Ort für alle sein. Die Worte des Bischofs zu Beginn der Konferenz waren wohltuend und stärkend. Gerade für die Teilnehmenden aus Ost- und Zentraleuropa, die solche Sätze von ihren Kirchenführern bisher noch nicht gehört haben.

Die Tagungen des Europäischen Forums sind sichere Orte. Dort haben Erfahrungen von Hass und Ausgrenzung, Wut und Klage aber auch Freude und Dankbarkeit in Andachten, Gebeten, Beratungsgesprächen, Workshops und Vorträgen Platz. Genauso bedeutsam sind strategische und kirchenpolitische Planungen und Konzepte, wie Homo- und Transfeindlichkeit in den verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften abgebaut werden können. Am wichtigsten ist für die meisten, ökumenische und europäische Gemeinschaft zu erleben, sich gegenseitig zu unterstützen, theologisch und kirchenpolitisch zu debattieren und gemeinsam zu beten, zu singen, zu tanzen und Gottesdienste miteinander zu feiern.

Ein Schwerpunkt der Arbeit im Europäischen Forum ist das theologische und kirchenpolitische Engagement im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und in den katholischen und orthodoxen Kirchen in Europa. So haben Mitglieder des Europäische Forums gemeinsam mit einer internationalen Allianz von christlichen LSBT Gruppen im Jahr 2013 bei der Vollversammlung des ÖRK in Busan/Südkorea einen Informationsstand auf der Messe betreut und Worshops und Side-Events mit ausgerichtet. Die katholische Arbeitsgruppe des Europäischen Forums hat mit anderen weltweit organisierten katholischen LSBT Partnern letzten Oktober  an einer Vorkonferenz zur Familiensynode in Rom teilgenommen. Einige Mitglieder der Arbeitsgruppe Orthodoxe Kirchen werden im Juni 2016 an der Vollversammlung Orthodoxer Christinnen und Christen auf Kreta teilnehmen und sich für Respekt und Gleichberechtigung von LSBT einsetzen. Der Weg ist noch lang und die Vorurteile und Widerstände sind gerade in den Orthodoxen Kirchen in Osteuropa sehr hoch. Aber steter Tropfen hölt den Stein.

Hier noch einige Stimmen zur Tagung des Europäischen Forums, die ich gesammelt und übersetzt habe. Sie sprechen für sich selbst. Vielleicht können diese Zeugnisse den einen oder die andere ermutigen, selbst einmal auf eine Tagung des Europäischen Forums zu kommen. Nächstes Jahr findet das Treffen vom 24. - 28. Mai in Danzig/Polen statt. Herzlich willkommen!

Misha aus Russland. Er lebt seit einiger Zeit in Polen:

„Das Europäische Forum ist eine große Gemeinschaft. Es ist ein Ort, in dem ich fühle, dass wir mehr sind als die Summe der einzelnen Mitglieder. Beim Forum teilzunehmen, ist eine wundervolle Erfahrung. Vor allem für diejenigen, die in schwierigen und feindlichen Kontexten leben und sich sonst nicht so zeigen können, wie sie sind. Es ist so erleichternd zu wissen, dass es Menschen gibt, die meine Kämpfe kennen und meine Herausforderungen solidarisch teilen.
(… ) Seit ich beim Europäischen Forum bin, hat sich mein Horizont erweitert – und auch mein Herz. Und ich werde auch weiterhin daran mitarbeiten, dass diese bunte Gemeinschaft in Liebe wachsen kann. So wie es Jesus Christus mit seiner radikalen Liebe vorgelebt hat.“

Olga aus Estland:

„Das Europäische Forum war bedeutet eine Lebenswende für mich. Seit ich im Europäischen Forum bin, kann ich endlich als die leben, die ich bin. Mit meiner Sexualität und mit meinem Glauben. Ich fühle mich persönlich akzeptiert und gestärkt, mein Leben verantwortlich und im Glauben an Gott zu leben. Das Europäische Forum hat mir die Möglichkeit gegeben, die Lebensgeschichten anderer ohne Bewertung kennen zu lernen. Ihre Geschichten haben Gesichter und keine Eticketten.
(…) Es hat mich dazu gebracht, Lebensgeschichten mit Respekt, Zärtlichkeit und Bewunderung zu hören. Außerdem hat es mir geholfen, selbst mehr in meinem Leben und mit meinen Werten verwurzelt zu sein. Ich habe gemeinsames Lernen und Unterstützung im Europäischen Forum kennen gelernt. Seit neun Jahren nehme ich am Osteuropäischen Forum teil. Seit einigen Jahren bin ich nun auch beim Europäischen Forum dabei. Ich habe erlebt, wie offen das Europäische Forum für die Bedarfe von Osteuropäischen Teilnehmenden ist. Wir haben Ermutigung, Teilhabe, Unterstützung und Solidarität erlebt und durch Trainings und Mentoringprojekte viel gelernt. Dieses Wissen kann ich in meiner Heimat an die Mitglieder unserer christlichen LSBT Gemeinschaft weitergeben. Vor allem im Hinblick auf die Arbeit mit den Orthodoxen Kirchen ist diese gegenseitige Unterstützung enorm wichtig. Ohne sie wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin!“

Tatjana aus Russland:

„Das Europäische Forum bedeutet mir und meine Schwestern und Brüdern in Russland sehr viel. Ich kann darüber stundenlang reden: wunderbare Begegnungorte, um miteinander zu arbeiten, Freude und Schmerzen zu teilen. Aber zuallererst ist das Europäische Forum für mich Energie- und Glaubensquelle. Da ich in einem Land lebe, in dem alle: Kirche, Staat und Menschen gegen LSBT sind, ist es leicht, den Glauben und das Gefühl für Gottes Liebe zu verlieren. Das Europäische Forum hat mir geholfen, meine Glaubens- und Liebesbatterien wieder aufzuladen. Die Erinnerungen an die Tagungen helfen mir, daran zu glauben. Bis zur nächsten Tagung.“

Bettina aus Stuttgart:

„Es war schön, in Göteborg beim Europäischen Forum nach einigen Jahren Bekannte, Freundinnen und Freunde aus ganz Europa wieder zu sehen. Gespräche, Austausch, Andachten und Gottesdienst mit so unterschiedlichen Menschen haben gut getan. Die Freundlichkeit, die Unterstützung und Aufmerksamkeit füreinander waren sehr bewegend. Ein Highlight war für mich der Workshop mit Pastor Johannes Mokgheti-Heath, der für die Schwedische Kirche in der Ökumene arbeitet. Ich war die einzige Teilnehmerin aus Deutschland in diesem Workshop. Es ging darum, wie die schwedische Kirche ihre ökumenischen Beziehungen pflegt nach dem Beschluss der Schwedischen Kirche zur völligen Gleichstellung von LSBT-Mitgliedern. Zudem gibt es in Schweden ja auch eine lesbische Erzbischöfin. Das ist für ökumenische Beziehungen nicht einfach. Trotzdem, die klare Positionierung gegen jede Diskriminierung und die gleichzeitige konsequente Dialogbereitschaft mit den ökumenischen Partnerkirchen wünsche ich mir für alle christlichen Kirchen.“

Heleen, Leny, Jenni und Ineke aus den Niederlanden:

"Als wir das erste Mal zum Europäischen Forum kamen, lernten wir Freundinnen und Freunde kennen. Seitdem hatten wir die Möglichkeit, uns in ganz verschiedener Weise für LSBT Glaubensthemen einzusetzen. Wir sind in dieser europäischen Gemeinschaft seit ca. 15 Jahren und hoffen, dass wir noch viele Jahre bleiben werden."

Matijs aus Lettland. Er lebt seit einem Jahr in Berlin:

„Meine erste Konferenz vom Europäischen Forum habe ich 2004 besucht. Seitdem war ich in verschiedenen Projekten aktiv. Ich schätze die Arbeit des Europäischen Forums. Sie hat langsame aber stetige Veränderung in der Europäischen und weltweiten Gesellschaft bewirkt. Sie trägt dazu bei, dass sich sexuelle Minderheiten und Kirchen an vielen Orten versöhnen können. Außerdem fühle ich eine starke emotionale Verbindung zu den Teilnehmenden des Europäischen Forums. Einige von ihnen kenne ich schon seit vielen Jahren. Die Konferenz ist wie ein großes Familientreffen, das mich inspiriert und meine Batterien mit Liebe und Energie auflädt, sodass es für eine ganze Weile hält. Das Europäische Forum ist Teil meines Lebens geworden.“

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