Den Begriff "Telemedien" bitte abschaffen

Den Begriff "Telemedien" bitte abschaffen
Erst mal könnte in der nächsten "Überwachungsoffensive" allerdings die Vorratsdatenspeicherung auch für Whatsapp, Skype und solche Telemedien eingeführt werden. Außerdem: Neues zum "Beben in der kirchlichen Medienszene" und überhaupt aus dieser ebenfalls vielfältigen Szene (sowie der Medienmetropole Wetzlar). Sinkt der Zeitungsverkauf aus solchen Gründen, aus denen in der DDR einst wenige Bananen verkauft wurden? Außerdem: DW jetzt mit "Kulturprofil"; bräuchte das Fernsehen mehr Carsten Sostmeiers?

"Telemedien ist einer der Begriffe, die in Medienalltag und Lebenswirklichkeit keine Rolle spielen, aber im deutschen Rundfunk-, also Medienrecht. Grob gesagt, sind Telemedien halt Internet ..."

stand hier vor genau einem Monat schon mal. Da ging es um online abrufbare fiktionale Webserien, für die in Deutschland z.B. in punkto Werbung andere Regeln gelten als für Fernsehserien, obwohl es sich aus Zuschauersicht um weitgehend dasselbe handelt. Serien sind Serien und werden im linearen Fernsehen gezeigt und/ oder sind online abrufbar.

Tagesaktuell kommt Bewegung in diese speziell deutsche Definitionsfrage, wenn auch nicht unter Fernseh-Aspekten, sondern von einer Seite, die mit Rundfunk- und Medienrecht gar nichts zu tun hat und haben darf:

"Die rechtliche Trennung von 'Telekommunikationsdiensten' und 'Telemediendiensten', soweit diese zur Kommunikation genutzt werden, ist überholt. Die Unternehmen beider Bereiche müssen denselben Verpflichtungen unterliegen. Es darf bei Straftätern keinen Unterschied machen, ob sie telefonieren, die Sprachtelefonie-Funktion von Messenger-Diensten nutzen, Nachrichten schreiben oder über soziale Medien kommunizieren",

heißt es im 16-seitigen "Handout des Innenministeriums", das netzpolitik.org unter seinem Artikel "Überwachungsoffensive: Innenminister de Maizière fordert Vorratsdatenspeicherung für WhatsApp, Twitter & Co" eingebunden hat.

In den meisten Kommentaren und Leitartikeln stößt Thomas de Maizières frisches, viele Maßnahmen-Ideen enthaltendes Paket oft auf Wohlwollen, schon weil es weniger und weniger scharfe Maßnahmen fordert als viele seiner Parteifreunde gerade erst forderten. Bei netzpolitik.org findet Markus Reuter die Sache aber "schwerwiegend":

"Telekommunikationsdienste wie Telefon- oder Internetanschluss fallen unter das Telekommunikationsgesetz (TKG) und damit unter die Vorratsdatenspeicherung (VDS) und die Telekommunikationsüberwachungs-Verordnung (TKÜV). Zu den Telemediendiensten hingegen gehören fast alle Angebote im Internet: Webshops, Messenger-Dienste, Suchmaschinen, Informationsdienste, Podcasts, Chatrooms, Dating-Communitys, Webportale, private Websites und Blogs. Sie alle fallen unter das Telemediengesetz (TMG). In der Pressekonferenz sagte der Innenminister, dass beide Bereiche denselben Verpflichtungen unterliegen sollten, wenn sie denn zur Kommunikation genutzt würden. Im Kern geht es ihm darum, die Vorratsdatenspeicherung und die die TKÜV auch auf Telemedien anzuwenden. Da fast alle Telemedien, von Onlinespiel bis zum Blog, auch zur Kommunikation genutzt werden können, würde dies die Ausweitung der VDS auf fast das gesamte Internet bedeuten."

Bei golem.de ergänzt Friedhelm Greis:

"Dies bedeutet, dass Anbieter wie Skype, Whatsapp oder Facebook künftig auch die Verbindungsdaten ihrer Nutzer zehn Wochen lang auf Vorrat speichern müssten. Zudem müssten sie Schnittstellen gemäß der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) bereitstellen. Da Whatsapp beispielsweise eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingeführt hat, wäre ein Zugriff auf die Inhalte allerdings nur direkt über das Handy von Verdächtigen selbst möglich."

Der wie immer postwendend rausgegangene Protest des Lobbyverbands Eco ist in beiden Artikeln bereits integriert.

Der Ärger aus Datenschutz-Sicht ist verständlich, schon weil die Vorratsdatenspeicherung für nicht als Telemedien eingestufte Telekommunikation noch gar nicht richtig angelaufen ist. Andererseits kann aus Politiker- und Polizeisicht verständlich erscheinen, dass Nachrichten per SMS oder per Whatsapp auszutauschen im Prinzip auch dasselbe ist. Wobei Politiker und Polizei wissen, dass sie bei der Deutschen Telekom oder Vodafone deutsche Gesetze eher durchsetzen können als bei Facebook, dem Whatsapp gehört und das im Zweifel gar keinen Firmensitz in Deutschland hat. (Und andererseits kaum Zweifel daran bestehen, dass Facebook ohnehin mehr Daten speichern dürfte, als Gesetze fordern würden ...).

"Manche Probleme im Umgang mit dem Internet haben einfach mit den unscharfen Begriffen zu tun", schrieb ich hier vor kurzem zu noch einem anderen Anlass. Insofern könnte es schon gut sein, wenn der Rechtsbegriff "Telemedien" durch das ersetzt wird, was er in unterschiedlichen Zusammenhängen bedeutet. Oder?

[+++] Dazu passt eine Meldung der FAZ von einem Distriktgericht in San Francisco, das eine Klage gegen Twitter abwies

"Der Internetdienst Twitter macht sich durch die Übermittlung von Botschaften radikalislamischer Gruppen nicht der Terrorunterstützung schuldig: ... Twitter diene lediglich als Forum für Meinungsäußerungen, für die Inhalte könne die Plattform aber nicht haftbar gemacht werden ..."

Geklagt hatten Hinterbliebene von Opfern der ISIS-Terroristen, ähnliche Klagen laufen in den USA auch gegen Facebook. Und dass US-amerikanische Internetunternehmen sich an US-amerikanisches Recht immer halten, liegt auf der Hand.

[+++] Harter Schnitt, anderes Thema. Zum breiten Meinungsspektrum in Deutschland tragen auch eine Menge christliche Medien bei.

Gerade ging (Altpapierkorb gestern, außerdem SZ vom Montag) die Meldung durch die Medienmedien, dass Die Zeit "Adieu zum Katholischen Medienhaus" sagt  (Patrik Schwarz' christundwelt.de-Editorial) - also zu dem Verlag in Bonn, der bisher noch ihre zubuchbare Beilage "Christ & Welt" herstellt. Ab Oktober macht das Die Zeit selbst über eine neugegründete Tochterfirma.

Über das, was Michael Hanfeld in der FAZ dazu schrieb, beschwerte sich Medienhaus-Geschäftsführer Theo Mönch-Tegeder bei kress.de und bekam die Gelegenheit, die von ihm vermisste Frage, "welche publizistische Strategie sie (die" katholischen "Bischöfe) verfolgen, ob sie denn eine haben", ausführlich zu beantworten. Medienmenschen, die etwas loswerden wollen, stellt kress.de immer gerne Platz zur Verfügung.

"Es ist gelungen, aus den Trümmern des 'Rheinischen Merkur' ein kleines, aber feines publizistisches Produkt zu entwickeln, das sich in der öffentlichen Wahrnehmung sehr wohl mit dem Rheinischen Merkur zu seinen besten Zeiten messen kann. 'Christ & Welt' hat laufen gelernt, und nun geben wir das Produkt in die besten Hände. Dort wird es hoffentlich noch selbstbewusster ...",

sagt Mönch-Tegeder über allerhand bildstarke Gleichnisse. Allerdings lässt er die in FAZ und Kölner Stadtanzeiger ("Bei einem Abo-Aufpreis zur 'Zeit' von 0,40 Euro pro Ausgabe, einer (geschätzten) Auflage von 13000 bis 15000 Exemplaren und einer geringen Anzeigen-Belegung liegt es auf der Hand, dass 'Christ&Welt' - für sich genommen - ein Minusgeschäft ist. Aus Verlagssicht aber erschließt die Beilage der 'Zeit' Abonnenten, die sie sonst nicht hätte ...") aufgeworfenen finanziellen Aspekte in netter Form derart völlig beiseite, dass die Fragen damit sicher noch nicht geklärt sind.

[+++] Von einem "Beben in der kirchlichen Medienszene" schreibt im selben Zusammenhang das pro-medienmagazin.de des Christlicher Medienverbunds KEP e. V. aus Wetzlar, der u.a. auch die Webseite israelnetz.com herausgibt.

Überhaupt ist Wetzlar eine kleine Metropole christlicher Medien. Dem ebendort, aber von ganz anderer Seite ("idea e.V., Evangelische Nachrichtenagentur (auf der theologischen Basis der Evangelischen Allianz)") herausgegebenen Heft (und Internetauftritt) Idea Spektrum widmet der Blogger Philipp Greifenstein auf theologiestudierende.de eine Online-"Blattkritik", die wiederum an einen viel diskutierten FAZ-Artikel von Liane Bednarz im Februar über "Konservative Christen" und die AfD anknüpft. Ist dieses Idea so ein Medium der Neuen Rechten? Jein. Es sei

"die inhaltliche Nähe zur AfD greifbar und der Leserschaft gewürzt mit dem üblichen EKD-Bashing untergeschoben. Will man diese Ausgabe der idea Spektrum einfach einmal auf der gängigen politischen Skala einordnen, dann handelt es sich dabei ganz eindeutig um ein rechtes Blatt. Und rechte Blätter darf es geben ...",

lautet ungefähr die Antwort. Falls Sie das nicht auf Anhieb wissen: Bei der EKD handelt es sich um die Evangelische Kirche in Deutschland, die wiederum auch evangelisch.de herausgibt. Auch in der kirchlichen Medienszene gibt es eben eine vielfältige Landschaft, und es lohnt sich, auch mal solche Medien genau anzuschauen, die nicht die eigene Haltung widerspiegeln, um darüber diskutieren zu können.

[+++] Noch mal Theo Mönch-Tegeder bei kress.de:

"Ich persönlich glaube an die gedruckte Zeitung, sie muss sich aber ein neues Alleinstellungsmerkmal erobern ..."

Für die an dieser Stelle nun wieder vertrautere Diskussion, wielange es noch gedruckte Zeitungen geben wird, kommt verblüffender Input von Ulrike Simon in ihrer Madsack-RND-Medienkolumne. Es würden gar nicht nur deshalb immer weniger Zeitungen verkauft, weil sie niemand mehr braucht oder will, sondern auch aus solchen Gründen, aus denen einst in der DDR wenige Südfrüchte verkauft wurden: Immer wenn man mal Lust auf eine hat, sei sie schon ausverkauft, lautet hier die These. Simon hat das mitten in Berlin zwar nur an einem Kiosk, aber über eine längere Zeitspanne hinweg:

"Am 4. August war der letzte Tagesspiegel um 11.12 Uhr weg, der letzte 'Berliner Kurier' um 12.25 Uhr. Und am 5. August ergatterte ein Kunde die letzte 'Berliner Zeitung' um 10.54 Uhr, obwohl im Laufe des Tages noch drei weitere Kunden gerne zugegriffen hätten. Kurze Zeit darauf waren auch 'B.Z.', 'Bild' und um 13.21 Uhr auch die 'Berliner Morgenpost' ausverkauft",

belegen Fotos von Kassenbelegen. Und wenn sogar die Berliner Morgenpost ausverkauft war, muss wirklich enorm hohe Nachfrage nach irgendwelchen Tageszeitungen geherrscht haben.

Simon ist dem Problem natürlich nachgegangen und beim Pressegrosso gelandet, das im Großen und Ganzen ja wie alle Mediengewerke auch gerne seine Bedeutung für die Pressefreiheit betont (und auch vorm Bundesgerichtshof dafür kämpft; siehe etwa dieses Altpapier), im Alltag aber wohl auch manche Probleme erzeugt.
 


Altpapierkorb

+++Neu bei medienkorrespondenz.de (die im oben erwähnten Katholischen Medienhaus erscheint): Infos, wie der deutsche Auslandssender Deutsche Welle sich ab 2017 ein "Kulturprofil" zulegen möchte. Etwa mit den "halbstündigen Magazinen 'Kultur 21' und 'Euromaxx' sowie" der Reihe "Sarah’s Music – Klassik erleben" - in der weder Sarah Wiener noch Sarah O'Connor performen werden ... +++

+++ Alle sind gegen Carsten Sostmeier, den Reitsportreporter der ARD (AP vom Mittwoch)? Jein, Michael Ridder schreibt im epd medien-Tagebuch nach dem Ansehen einer nicht im Fernsehen gesendeten, bloß online gestreamten (Telemedien!-) Reportage: Der "kann auch ganz anders: Wer am Dienstag länger seiner Kommentierung des Spring-Wettbewerbs zuhörte, konnte vieles über die Faszination des Reitsports lernen. Der 56-Jährige ist ein Kommentator, der nicht - wie viele Fußballreporter - nur das sagt, was sowieso alle sehen, sondern der die Feinabläufe in der Motorik betrachtet, analysiert und in originelle Sätze packt. Was der ganze Skandal leider überdeckt: Eigentlich bräuchte das deutsche Fernsehen mehr Sostmeiers, die sich trauen, robust kritisch mit Sportlern und Trainern umzugehen, freilich in einer sprachlich angemessenen Weise". +++ Dieses Tagebuch-Folge steht noch nicht frei online, aber inzwischen die vorherige, in der Diemut Roether u.a. schreibt: "Als die Autorin dieser Zeilen im Jahr 2000 von der Redaktion der 'Tagesschau' in die von 'Tagesschau.de' wechselte, weil sie ahnte, dass aus dem neuen Medium etwas großes werden würde, wurde sie von besorgten Kollegen gefragt, ob sie zwangsversetzt worden sei ..." +++

+++ Ein Prozess vor dem Landgericht ­München gegen eine Hamburgerin, über die man in Bild-Zeitung und Spiegel mehr erfährt als in der normalen Gerichtsberichterstattung üblich, könnte noch medienjuristische Folgen haben (Hamburger Abendblatt). +++

+++ Ärger über die ARD-Filmfirma Degeto nicht wegen der Qualität ihres unglaublichen Ausstoßes, sondern weil sie keine Krimis aus Sachsen-Anhalt mehr ausstoßen möchte, äußerte der Linken-Abgeordnete Stefan Gebhardt gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung. +++

+++ "Ina Müller hat durch die Moderation größerer Sendungen wie der Gala zum 100. Geburtstag von Heinz Erhardt gezeigt, dass ihr diese Formate nicht liegen. Dass ihre derbe Art, ihre freche Klappe auf der großen Bühne nicht funktionieren. Das ist nicht schlimm ...": bedingtes Lob der ARD-Entertainerin anlässlich des 100-Folgen-Jubiläums durch Silke Burmester in der Süddeutschen. +++

+++ Print wirkt, zeigen die Folgen von Claude Lanzmanns Artikel gestern im FAZ-Feuilleton über die Internationale-Vorwahlen-Liste in einem bekannten Berliner Hotel. Heute verknüpft ebd. Michael Hanfeld die Sache mit den "vielen kleinen Anzeichen virulenten Antisemitismus ..., die in den Alltag eingezogen sind". +++

+++ Auf der FAZ-Medienseite geht die Radiodebatte mit einem Beitrag des schweizerischen SRG/SSR-Vertreters Rudolf Matter weiter: Die "Errungenschaft eines freien, unentgeltlichen Radioempfangs darf nicht aufgegeben werden. Auch der Sicherheit wegen. Internetradio ist von der Kapazität des Netzes abhängig. Wenn bei großen Veranstaltungen oder in Krisensituationen ungewöhnlich viele Menschen gleichzeitig auf ein (Mobilfunk-)Netz zugreifen, kann es wegen Überlastung zusammenbrechen. Nach den Anschlägen in Paris und Brüssel war das Rundfunknetz der zuverlässigste Weg, um Menschen vor Ort rasch und breit zu erreichen", plädiert er für das in der Schweiz bereits viel weiter eingeführte Digitalradio DAB+. +++

+++ Und einen Angriff auf einen deutschen Privatsender-Kameramann in der Türkei, auf den das öffentlich-rechtliche "Zapp" aufmerksam machte, meldet die FAZ. Es gebe "eine zunehmend skeptische bis unfreundliche Haltung gegenüber deutschen Journalisten in der Türkei, so [ARD-Korrespondent Reinhard] Baumgarten. 'Die Armenien-Resolution des Deutschen Bundestags mit der ausdrücklichen Bezeichnung als 'Völkermord' hat die Stimmung schwer belastet.' Vorher schon habe das 'gute Bild' Deutschlands durch das sogenannte Schmähgedicht von Jan Böhmermann in der Türkei Schaden genommen, meint der Korrespondent" bei ndr.de. +++

+++ Dann noch: mehr Dazn-Stoff (Altpapier gestern). "Die neue Rechtesituation betrifft ... ebenso den Bezahlkanal von Sport 1. Auf Sport1+ fehlen künftig die Ligen aus Italien, Frankreich und der Türkei. Die Fans der türkischen Süper Lig werden allerdings auch von Dazn nicht bedient", weiß der Tagesspiegel. +++ Und am Ende eines dwdl.de-Interviews beantwortet Managing Director Kay Dammholz auch die Frage nach dem Namen: "Wir wollen den Fan gewissermaßen", im US-amerikanischen Slang, "in die Zone führen". +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Montag.

 

 

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