In München ist ein wichtiges, wenn auch vermutlich noch nicht endgültiges Was-mit-Medien-Urteil gefallen:
"Das Landgericht München I hat entschieden, dass der BR die Frequenzen von Puls und BR Klassik tauschen",
berichtet die SZ-Medienseite. Das heißt, das Gericht hat nichts dagegen, dass der Bayerische Rundfunk im Jahr 2018 seine junge Popwelle namens Puls zu den lange schon alternden Popwellen im UKW-Radio, das auf allen Radiogeräten läuft, auf die Frequenzen verlegt, die er frei macht, indem er seinen Sender für klassische Musik ins Digitalradio abschiebt. Ob dieses Digitalradio, dessen Übertragungsstandards DAB und DAB+ heißen, sich überhaupt noch so durchsetzen wird wie ARD-Vertreter lange glaubten, ist inzwischen umstritten (siehe dazu etwa den jüngsten Beitrag zur "Digitales Radio"-Debatte in epd medien, in dem der Vorsitzende der ARD-Arbeitsgruppe noch mal betont, dass eigentlich auch im Radio digital besser sei).
Gegen den Plan geklagt hatten "60 lokale und regionale Radiosender sowie ... Antenne Bayern" - nicht etwa des Klassik-Senders wegen, sondern weil die werbefinanzierten Privatradios befürchten, dass der öffentlich-rechtliche Rivale ihnen mit noch mehr Popsendern auf UKW ihr Geschäftsmodell kaputt machen wird. SZ-Gerichtsreporter Ekkehard Müller-Jentsch zitiert am Ende des Artikels einen Klägeranwalt mit "Das letzte Wort hat voraussichtlich erst der Bundesgerichtshof."
Wie sämtliche offenen medienpolitischen Fragen dürfte also auch diese erst in der letzten Instanz geklärt werden. Das ist aber auch angemessen. Meine Meinung dazu hatte ich schon mal geäußert: Der Bayerische Rundfunk kann argumentieren, wie er will - wenn es zu diesem Frequenztausch kommt, wird er das Argument, dass öffentlich-rechtliche Medien unter anderem einen Kulturauftrag erfüllen, mustergültig entwertet haben. In sämtlichen, voraussichtlich noch erheblich schärfer werdenden Diskussionen dürfte das eine ideale Steilvorlage für alle sein, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus welchen Gründen auch immer eindampfen bis abschaffen wollen.
[+++] In München vorm selben Landgericht ist zwar nicht noch ein Urteil zum Bayerischen Rundfunk gefallen, aber doch ein "Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt" worden, wie der BR selber meldet. Die Anstalt wird sich wegen ihrer Nachrichten-App nicht mehr mit den Zeitungsverlegern streiten müssen.
Völlig klar ist die Lage wohl nicht.
"Während der BR von einer Einigung sprach, meldeten die Verleger eine 'empfindliche Niederlage für den BR'. Beim Landgericht war zunächst niemand zu erreichen",
fasst heise.de zusammen. Es scheint so (dwdl.de), dass einerseits der BR damit zufrieden ist, seine App zwar "in der Form vom 29. September vergangenen Jahres nicht mehr" zu verbreiten, aber dafür in der halt seither "weiterentwickelten Form", während die Verleger sich am Umstand, dass der BR auch nach eigenen Angaben "eine Unterlassungserklärung abgegeben" hat (was öffentlich-rechtliche Anstalten ja wirklich nicht oft tun) erfreuen. Um das für eine "empfindliche Niederlage" zu halten, muss man sehr empfindsam sein bzw. auch kleine Erfolgserlebnisse sehr nötig haben. Was auf Verleger in Was-mit-Medien-Gerichtsangelegenheiten freilich zutreffen könnte. (Hier geht's übrigens zu deren bayerischem Verband, der keine Pressemitteilungsrubrik unterhält).
Und hier geht's zur Nachrichten-App BR24. Einen Blog gibt's dort übrigens auch. Bebloggt wird er von exklusiv von Christian Jakubetz (siehe zuletzt dieses Altpapier). Und bevor Sie sich fragen, wie Jakubetz denn all seine Blogs immer füllen kann: Ein weiterer macht demnächst zu:
"Der Tag der Abschiede und des Medienwandels – heute eine Ausgabe von 'Links oben' mit leider eher unerfreulichen Themen… Die ABZV, die dieses Portal betreibt, wird ihren Geschäftsbetrieb am 30. September einstellen (müssen)",
schreibt Jakubetz auf und über universal-code.de. Bei dieser ABZV handelt es sich um die Akademie Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage, die also von Verlegern, nun deren Bundesverband, betrieben wird. Damit scheinen die Verleger ihre trotzige Drohung (BDZV) im Streit zum VG Wort-BGH-Urteil (siehe zuletzt Altpapier gestern) wahr- und ihre Aus- und Weiterbildungsstätte dichtzumachen.
[+++] Zurück zu den bayerischen Verlegern: In der Landeshauptstadt soll das "Nachrichtenangebot ... nachhaltig verbessert werden" (merkur.de). Auch nur gelegentliche Leser dieser Kolumne ahnen, wie das bewerkstelligt werden soll: durch Zusammenlegung. Die Zeitungen tz und Münchner Merkur, bei denen es sich, wie das Foto zur Meldung schon zeigt, um eine Boulevardzeitung und eine Nicht-Boulevardzeitung (ist Qualitätszeitung da noch der Gattungsbegriff?) sowie um zwei Lokalzeitungen handelt, "legen ihre Lokalredaktionen zusammen". Das meldet der Merkur in eigener Sache vorsichtshalber via DPA.
Wobei der Merkur vorsichtiger ist als nötig wäre: "Ob durch die Zusammenlegung Stellen abgebaut werden, wurde nicht mitgeteilt. Auf Nachfrage wollte man sich dazu nicht äußern", meldet er weiter. Karoline Meta Beisel von der überregional ausstrahlenden Münchener Tageszeitung, der SZ, hat ebenfalls nachgefragt und von Verleger Dirk Ippen persönlich gehört, dass die Kündigungen ja schon durch sind und in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt zu werden brauchen. Im Wortlaut:
"'Es sind bei uns meines Wissens keine Entlassungen geplant, aber unter den aktuellen Rahmenbedingungen auch nicht unbedingt Neueinstellungen. Die Kürzungen haben wir schon hinter uns.' Dem Verleger zufolge hätte die tz ohne die Umstrukturierung Mitarbeiter einstellen müssen, da dort einige Stellen unbesetzt gewesen seien."
"'Lokalreduktion' steht auf dem Zettel, den jemand an eine Tür im vierten Stock des Hauses des Münchner Zeitungsverlags gehängt hat",
leitet die SZ ihren Bericht ein.
[+++] Bevor das Altpapier heute ganz verbayert noch ein Sprung an den Rhein. In Köln werden seit gestern in entspannter Atmosphäre (Elefantenrundenteilnehmer-Foto bei Twitter) wichtige Was-mit-Medien-Fragen beredet. Am ausführlichsten über die Eröffnung des Medienforums NRW berichtet das ortsansässige dwdl.de. An den goldenen Prinzipien deutscher Medienkongresse wird festgehalten, beruhigt Alexander Krei:
"Stellenweise schien es, als sei jeder der Diskutanten bloß gekommen, um sich selbst vor versammelter Branche auf die eigene und mitunter auch auf die Schulter der Kollegen zu klopfen",
und es
"wurde gesagt, was ohnehin schon jeder weiß."
Wobei sich darin auch eine Kritik am noch unverbrauchten Elefantenrunden-Diskussionsleiter, dem eigentlich geschätzten SPON-Netzwelt-Redaktionsleiter Christian Stöcker verbirgt.
Jetzt aber etwas Positives: Darüber, wie Hannelore Kraft ihr Bundesland regiert, gibt es sehr unterschiedliche Ansichten. Aber eine halbwegs kraftvolle Was-mit-Medien-Rede zu halten, versteht sie (anders als die Kollegen aus Hamburg und sogar die Bundeskanzlerin, siehe Altpapier vom Donners- und Freitag).
Was sie so sagte, "Netzkodex NRW" ("soll NRW verbinden und zusammenhalten"), "weil Informationen so wichtig seien wie Strom und Wasser", "Sorgfalt gehe ... vor Sofortimus" (weiterer dwdl.de-Artikel, Medienforums-Pressemitteilung, DPA-Meldung), erregte Reaktionen sogar in gedruckten Zeitungen - von "gut gemeinter Aktionismus" ("Wie genau der aussehen könnte, ließ sie indes offen. Und genau da liegt das Problem", Anne Burgmer im KSTA) bis gar zu "Schnapsidee" (Michael Hanfelds Überschrift auf der FAZ-Medienseite):
"Der Plan wirkt ebenso hilflos wie gefährlich. Eine echte Schnapsidee. Wo, bitte schön, ist die demokratische Grundlage für einen solchen 'Kodex'? Welche 'Aktiven' bestimmen, was dann für alle, die sich im Netz bewegen, gelten soll? Wer setzt „konkretes politisches Handeln“ in Gang? Und wer kontrolliert das? Was hat das noch mit Demokratie und Rechtsstaat zu tun?.."
Genau. Über so was zu reden, nicht nur in den Nischen, wäre wichtig. Und/ aber immerhin: Dass Ansprachen einflussreicher Politiker zu Was-mit-Medien-Themen ein wenig Diskussionen anregen können oder sollen, mit welcher Tiefe und auf welchem Niveau dann auch immer, war ja schon fast vergessen.
+++ Der nicht mehr nur aus Fußball-, sondern inzwischen auch aus politischen Zusammenhängen bekannte Jerome Boateng "ist für ProSieben deshalb so interessant, weil er laut 'Human Brand Index' eines der großen Vorbilder für die 15- bis 29-Jährigen ist und zudem mit 3,3 Millionen Facebook-Fans, 2,9 Millionen Instagram- und 1,4 Millionen Twitter-Followern zu den Top-Influencern zählt ..." Daher wird er nun Pro Sieben-Werbeträger (dwdl.de). +++
+++ "Bis September keine ZDF-'heute-show' mit Oliver Welke, kaum noch Talks bei ARD und ZDF und neue 'Tatort'- und 'Polizeiruf'-Folgen erst wieder im Herbst - die TV-Sommerpause ist in diesem Jahr so lang wie selten": Daher hat der Berliner Tagesspiegel eine ganze Sommerloch-Themenseite gestaltet. Und außer bei Sendersprechern (RTLs Christian Körner: "Wir legen uns programmtechnisch nicht in die Hängematte") auch bei medienpolitischen Sprechern politischer Parteien rumgefragt. Kleine Sensation: die sinnvollste Aussage kommt von Marco Wanderwitz (CDU; ihm zufolge "sollten die Öffentlich-Rechtlichen im Sommer mehr wagen: Dokumentarfilme statt 'Tatort'-Wiederholungen, das Kleine Fernsehspiel in die Prime Time"). Bemerkenswert lustlos äußert sich Tabea Rößner von den Grünen, SPD-Vertreter Martin Dörmann empfiehlt sich für einen Rundfunkanstalten-Führungsposten, falls in wichtigen Politikbereichen nix gehen sollte ... +++ Noch ein separater Beitrag stammt von Grimmeinstituts-Direktorin Frauke Gerlach ("Am Ende ist es die Entscheidung der Sender, wo sie Schwerpunkte setzen und welches Programm sie sich zu welchem Zeitpunkt leisten wollen. Am überzeugendsten sind sie aber dann ... ..."). +++
+++ Das Medienforum NRW fällt übrigens zusammen mit der Angacom, der Messe der Kabelnetzbetreiber, deren nicht sehr glamouröses (aber lukratives) Geschäft ja auch wichtig ist. Zur Eröffnungsansprache dazu (von Thomas Braun, Präsident des Kabelnetzbetreiberverbands Anga) siehe heise.de. +++
+++ Journalisten springen nicht ungerne auf Trends aus dem sog. Netz an, jetzt auch vielleicht auf den #afdfrei-Trend. Zumindest bei Holtzbrinck (Tagesspiegel, handelsblatt.com) wollen sie's versuchen. "Faire Journalisten unterschlagen nicht. Sie berichten, was ist, auch wenn's nicht gefällt. Jedoch haben sie auch das Recht zur Auswahl und Relevanzprüfung. Alles, was das bekannte AfD-Bild nur redundant bestätigt, hat nicht unbedingt Nachrichtenwert. Medien sollten aufpassen, nicht zu Durchlauferhitzern einer dissozialen Politik von Empörung und Erregung zu werden", rät Volker Lilienthal im Tsp.. +++
+++ Sobald es neue Werbespots oder -anzeigen gibt, kann man die Zeit abstoppen, bis meedia.de dazu eine Meldung oder so was im Angebot hat. Aber vielleicht nicht mehr ganz so automatisch (wobei Stefan Winterbauer darum bittet, seinen Text "unter dem Stichwort Binnen-Pluralität" abzu-"heften"). +++
+++ "Gewerkschaften sägen an eigenem Ast", warnt ein Vertreter der empfindsamen Verleger anlässlich der Tarifverhandlungen für angestellte Zeitungsjournalisten. Der Vertreter trägt den für Überschriftenmacher, die wissen, dass Überschriften oft flüchtig gelesen werden, attraktiven Namen Georg Wallraf. Siehe kress.de. +++
+++ Auf der SZ-Medienseite geht's um "das neueste Beispiel für das dänische Serienwunder", das ab heute bei Arte läuft und "Die Erbschaft" heißt, und um die offenbar nicht uninteressante MDR-Sendung "Wer beherrscht den Osten?" (22.05 Uhr heute). [Nachtrag am Nachmittag: Um die ging's am Dienstag auf ders. Medienseite, die Besprechung erschien am Dienstagnachmittag online ...] +++
++ + "Das Google Transparency Project hat herausgefunden, dass in den letzten zehn Jahren 80 Personen sowohl bei EU-Regierungen wie auch bei Google angestellt waren" (netzpolitik.org). +++
+++ "Schade, dass der 2013 produzierte Zehnteiler 'Die Erbschaft' erst jetzt ins Deutsche Fernsehen kommt – nach Serien wie 'Blutsbande' aus Schweden oder 'Bloodlines' von Netflix muss man sich etwas aufraffen, bevor man die nächste Serie zum Ökosystem Familie in Angriff nimmt. Doch gerade jetzt zu zögern wäre falsch" (die Bingewatcher von der FAZ zur o.g. Arte-Serie). +++ Dafür notwendige Zeit einsparen ließen sich durch Verzicht auf die heutige ZDF-Doku "Die Flüchtlingskanzlerin" ("... Merkel ist die Einzige, die in diesem Film über Angela Merkel nicht zu Wort kommt. Weshalb die ZDF-Autoren auch nicht ergründen können, was sie eingangs fragen: 'Was treibt Angela Merkel an?' Vielleicht erfahren wir das ja bei Gelegenheit in einer Sendung von Anne Will", scherzt Michael Hanfeld). +++
+++ "Don’t call it kein normales Frauenmagazin" (Michalis Pantelouris in der uebermedien.de-Rubrik "Bahnhofskiosk" über Gruner+Schönebergers Barbara. +++
+++ Sagt Ulrich Wickert zu kress.de: "Sie übertreiben aus Sensationslust" ... +++
+++ Und falls Sie hier im Altpapier Kritiken zu Thommy Gottschalks neuer RTL-Show vermisst haben: Michael Wurmitzers großer Satz "Der Versuch, der erodierenden Gruppe jener, die heute noch vorm TV-Gerät sitzen, einen größten gemeinsamen Nenner zum Weltzustand zu liefern, ist gut gemeint" (Standard) verdient jedenfalls noch unbedingt, zitiert zu werden. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.