Gestern abend war "CDU media night" mit der Bundeskanzlerin als Stargast. Auf Facebook stellt die CDU eine kleine Fotogalerie bereit. Ansonsten geben die sog. soz. Medien einen Widerschein unter dem Hashtag #cdumn16. In redaktionelleren Medien muss man ein bisschen suchen, bis man z.B. im Internetauftritt der Frankfurter Neuen Presse auf die DPA-Meldung stößt:
"Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich besorgt über den Glaubwürdigkeitsverlust der Medien geäußert. 60 Prozent der Bürger hätten laut Umfragen wenig oder gar kein Vertrauen in die Medien, sagte Merkel. 'Das muss uns alle unruhig stimmen', betonte die Kanzlerin ... in der Parteizentrale in Berlin. Es seien alle betroffen: Parteien, Gruppen, Vereine. Es gehe auch um den Zusammenhalt der Gesellschaft. Merkel machte deutlich, dass sie den Qualitätsjournalismus in Deutschland unter enormem Zeit- und Kostendruck sieht. Die Frage nach der Qualität sei wichtig, sie dürfe nicht in Vergessenheit geraten, mahnte sie. Die Kanzlerin sprach von einem 'riesigen Tempo', in dem Nachrichten verbreitet würden ..."
Womit schon gut die Hälfte der Meldung zitiert ist; ich hoffe, das geht presseverlagleistungsschutzrechtlich noch in Ordnung.
Manche Berliner Spatzen pfeifen von ihren Dächern, dass bei der nächsten Bundestagswahl die genannte Kanzlerin nicht etwa gegen Siggi Pop Gabriel als nominellen Hauptkontrahenten antreten können dürfte, sondern gegen Olaf Scholz. Und wie der Zufall mit dem Zaunpfahl winkt, ist dieser Hamburger Sozialdemokrat heute lang und breit Stargast der FAZ-Medienseite. "Digitale Mittler tragen gesellschaftliche Verantwortung" heißt sein Gastbeitrag zur "Digitale Zukunft"-Debatte, und mit der fulminanten Einleitung
"Die Medienwelt hat sich fundamental verändert. Wo früher Inhalteanbieter in direktem Austausch mit ihrem Publikum standen, gewinnen zunehmend Dritte an Bedeutung: Neue digitale Mittler werden immer relevanter, wenn es darum geht, Inhalte zu finden und zu nutzen: Wer das Internet nutzt, ist meist auf diese sogenannten Intermediären angewiesen",
also u.a. dem spektakulären Kunstgriff des doppelten Doppelpunkts, ziehen der Scholzomat bzw. ein vermutlich seit ein paar Jahrzehnten bewährtes Mitglied seines Redenschreiber-Teams gleich soghaft in den Vierspalter hinein. Und heißt der Plural des rundfunkpolitischen, in keinerlei gesprochenem Sprachgebrauch auftretenden Kunstworts echt "die Intermediären"? Später ist von "die Intermediäre" auch die Rede.
Kurz zum Inhalt: "Für das Urheberrecht gilt: Wer mit fremden Leistungen Geld verdient, soll für diese Leistungen auch bezahlen. Allerdings muss ebenfalls berücksichtigt werden, dass umgekehrt auch Inhalteanbieter davon profitieren, wenn Nutzerinnen und Nutzer über Suchmaschinen oder soziale Netzwerke auf ihre Angebote aufmerksam werden" und "Und schließlich muss auch die Struktur der Medienaufsicht, die in Deutschland vierzehn Landesmedienanstalten obliegt, noch stärker als bisher auf die Herausforderungen eingestellt werden, die sich aus den digitalen Umbrüchen ergeben" deuten daraufhin, dass Scholz medien- und netzpolitisch alles beim Alten belassen, höchstens etwas vom riesigen Tempo aus der politischen Behandlung der digitalen Entwicklung rausnehmen können wollte.
Und im direkten Vergleich dürfte die Bundeskanzlerin derzeit dann doch die dynamischere Internet-Checkerin sein.
[+++] Bevor es nun zu driss wird: In der aktuellen Ausgabe der Medienkorrespondenz, zurzeit nicht frei online steht ein 14 Seiten langer Artikel von Dietrich Leder "Wie sich der deutsche Fernsehfilm in den letzten 50 Jahren verändert hat". Lesenswert ist der Text, weil er nicht so tut, als sei in vergangenen Jahrzehnten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen alles besser gewesen, aber erst recht nicht so, als sei alles schlechter gewesen. Vielmehr zeigt Leder an konkreten Beispielen, was es alles mal gab und in der gegenwärtigen Genre-Einfalt (dem "Einerlei aus hochprofessionellen Krimis, aus auf Endlos gestellten Melodramen und vereinzelten Komödien") blöderweise nicht mehr gibt.
Nur zum Beispiel: Das Horrorgenre spielt im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen gar keine Rolle, obwohl es international ja von Vampiren wimmelt. Und auch die Arbeitswelt kommt nicht mehr vor:
"... Wer 1979 'Das Brot des Bäckers' im ZDF gesehen hat, erinnert sich gewiss daran, dass er durch diesen Film etwas über das Bäckerhandwerk und die Qualität des Brotes lernte, etwas, das gesamtgesellschaftlich erst viel später ins Bewusstsein rückte. Darüber hinaus ging es um den Unterschied zwischen der Herstellung in einer Manufaktur gegenüber der industrialisierten Produktion und um den Kampf des Einzelhändlers gegen die Ladenketten. Das letztere Thema hatte einige Jahre zuvor bereits ein anderer Film aufgegriffen und bereits im Titel angekündigt: 'Industrielandschaft mit Einzelhändlern' von Egon Monk (NDR 1970). Monks Film berichtet vom konsequenten und unaufhaltsamen Abstieg eines Drogisten, der den Kapitalismus verinnerlicht hat und es ihm mit all seinen Maßnahmen recht machen möchte, wodurch er jedoch nur seinen Niedergang beschleunigt. Dieser von Horst Tappert auf besondere Weise dargestellte Mann nimmt alles ernst, was ihm die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen, die Funktionäre der Unternehmerverbände oder die Partei, der er nahesteht, gepredigt haben. Am Ende haben er und seine Familie das Ersparte wie den sozialen Status verloren. Er geht nun als kleiner Angestellter zur Arbeit wie viele andere, auf die er einst als Unternehmer und Einzelhändler herabgeschaut hatte."
Dass die Öffentlich-Rechtlichen das Repertoire solcher Perlen in ihren vielen Kanälen überhaupt nicht pflegen, dafür jeden Degeto-Dreck in jedem Dritten solange wiederholen, bis die Herstellungskosten mindestens abgeschrieben sind, ist einer der mittelgroßen Vorwürfe die sich ihnen machen lassen.
Aber ist die Degeto, das ARD-eigene Filmstudio mit dem unglaublichen Ausstoß, nicht besser geworden, seitdem Christine Strobl es übernommen hat? Allenfalls jein, findet sogar Tilmann P. Gangloff, der hier nebenan deutsche Fernsehfilme ja immer mit sehr viel Wohlwollen betrachtet. Für den Tagesspiegel sprach mit dem Degeto- (und früheren Teamworx-)Vertreter Sascha Schwingel über die Einschaltquoten und das, was die Degeto aktuell in der Pipeline hat:
"Richtig zufrieden ist ... Schwingel erst, wenn ein Film bei über 14 Prozent liegt. Das ist in diesem Jahr bereits viermal gelungen, unter anderem den Komödien 'Papa und die Braut aus Kuba' (14,4 Prozent) sowie 'Oma zockt sie alle ab' (14,8 Prozent). Die nicht unbedingt Qualität signalisierenden Titel sind laut Schwingel das Ergebnis einer internen Degeto-Analyse. In den Programmübersichten der Tageszeitungen zum Beispiel stehe meist nur der Filmtitel, deshalb sei er eines der wenigen 'Verkaufsinstrumente': 'Wir müssen in der Annonce unserer Filme immer treffsicherer werden' ..."
"dreht derzeit eine Degeto-Komödie mit dem Arbeitstitel 'Tante Maria, Argentinien und die Sache mit den Weißwürsten'. Neubauer spielt eine grantige bayerische Metzgerin, die mit ihrer Wurst Südamerika erobern will."
Ließe sich die Spannbreite/ Fallhöhe zwischen dem oben erwähnten "Brot des Bäckers" und dieser "... Sache mit den Weißwürsten" messen?
[+++] Vor einer Woche ging es hier u.a. um das neue, monatliche Zeitungsprojekt Oxi. Darum geht es aktuell auch in der Kontext-Wochenzeitung. Johannes Pimpl hat mit Wolfgang Storz gesprochen: "Gemeckert habe bisher noch niemand, verkauft haben sie einiges, und online steigen die Klickzahlen kontinuierlich. Nur mit den Abozeichnungen, da hapert es noch". Bei oxiblog.de wiederum gibt es die Rubrik "Im Kontext" (Kontext ist ja überall drumrum). In der steht ein medienmedial beachtenswerter Artikel:
"Wenn in deutschen Zeitungen Manager und Unternehmer zu Wort kommen, hat man häufig den Eindruck, es mit einer sprechenden Werbeanzeige zu tun zu haben. Jüngstes Beispiel: das Interview mit Amazon-Manager Ralf Kleber in der Süddeutschen Zeitung",
leitet Kathrin Gerlof ihn ein und dann, mit Wackelpudding schön bebildert, aus diesem Wirtschaftsressort-Interview ab, dass
"zwischen Selbstdarstellung und Darstellung von Managern, Geschäftsführern, Inhabern, Vorstandsvorsitzenden in den Medien (hier wird bewusst auf die weibliche Form verzichtet) ... der Unterschied inzwischen klein geworden"
sei.
[+++] Lob für die Süddeutsche und überhaupt alle überregionalen Medien hat indes Christian Jakubetz in seinem Blog, und zwar, um die "Monopol-Zeitung mit einer 100 Mann starken Redaktion, die alleine im betroffenen Landkreis Rottal-Inn drei (!) Lokalredaktionen hat", die Passauer Neue Presse, zu kritisieren, ja: dem niederbayrischen Lokaljournalismus "eine publizistische Bankrotterklärung" auszustellen. Es geht um die erste Berichterstattung zur Flut, dem "Hochwasser 2016", das inzwischen auch die PNP breit covert.
Ist die Kritik an von fern besser als aus der Region gelungener Katastrophenberichterstattung berechtigt? Und vor allem, hätte im Voraus deutlich gewarnt werden müssen, wie Jörg Kachelmann in seinem Blog, nicht ohne Volker Herres und Co. persönlich anzusprechen ("Was haben die zuständigen öffentlich-rechtlichen Medien unternommen, um ihre Existenz zu rechtfertigen, von Bürgern bezahlt zu werden und diese zu beschützen? Nichts. Nichts. Nichts"), nicht überraschend meint?
Aus der Ferne schwer zu sagen. Bei uebermedien.de versucht Stefan Niggemeier nach einer mit Screenshots illustrierten Gegenüberstellung der sehr unterschiedlichen Alarmierungsgrade in den letzten Tagen zur selben Zeit "das ganze Schauspiel", das es so schon einige Male gab und vermutlich noch häufiger auftreten wird -
"Das Wetter wird zur Katastrophe, Kachelmann schimpft, die Sender verweisen auf Meldungen in Nachrichtensendungen, Kachelmann beklagt völliges Nichtverstehen ..."
- zu analysieren. Und noch mal eine zwar bereits gezogene, aber wieder untergegangene Lehre daraus zu ziehen:
"Um die Zuschauer im besten Sinne zu alarmieren, müsste das Medium auf Mittel zurückgreifen, die zeigen, dass eine besondere Situation vorliegt. Ein Laufband mit Informationen wäre die einfachste und unaufdringlichste Lösung. Eine Programmänderung ein deutliches Zeichen."
Da das Fernsehprogramm Kunstwerke, deren Regisseure sich dagegen verwahren könnten, dass irgendetwas auf dem Bildschirm aufpoppt oder Laufbänder ihre Bildkompositionen beeinträchtigen, ohnehin längst nicht mehr enthält, klingt der Vorschlag vernünftig.
+++ Diese Überschrift wirkt außer doof natürlich extrem unsensibel. Und "der deutschen Kult-Krimiserie 'Tatort' den Untergang zu attestieren, wäre übertrieben" bzw. ist totaler Unfug. Aber vielleicht klickt "Untergang" in Vorspännen gerade gut. Und bei faz.net müssen sie ja auch sehen, wo sie bleiben. Jedenfalls geht an diesem Sonntag die sog. "'Tatort'-Saison" zu Ende. Und das nutzen alle klickgetriebenen Nachrichtenmedien natürlich für kombinierte Einschaltquoten- und Personalien-Rückblicke und -Vorschauen. Etwas liebevoller gemacht: der des Tagesspiegels ("Im Herbst kommt der offizielle 1000. 'Tatort' mit Maria Furtwängler und Axel Milberg ... Fachleute sahen bereits im Bremer Fall 'Der hundertste Affe' die 1000. 'Tatort'-Erstausstrahlung, weil sie im Gegensatz zur ARD 13 Filme dazuzählen, die zwischen 1985 und 1989 nur in Österreich gesendet worden sind ..."). +++ Der überdies separat auf den aktuell bevorstehenden "Tatort" und den "expliziten schwulen Sex" darin gespannt macht. Bzw. insgesamt allenfalls semi-gespannt ("... überschaubarer Whodunit-Krimi, der einem trüben Berlin dunkel-traurige Bilder abgewinnt"), aber den Artikel nutzt, am Ende auch auf "mehr LGBTI-Themen" im "Queerspiegel" aus dem sich dynamisch zersplitternden Tagesspiegel-Angebot aufmerksam zu machen. +++
+++ "Die Newsletter-Offensive der Hauptstadtzeitung von Holzbrinck spaltet die Branche: Die einen sehen in den digitalen Angeboten eine echte Innovation und einen wichtigen Schritt in die Zukunft. Andere argwöhnen, dass das kostenlose und extrem umfangreiche Newsangebot unweigerlich zu einer Kannibalisierung führen wird", meint meedia.de (mit dem hübschen Zeitungsveteranen-Wortspielchen "Die Zeitung als Newsletter – das neue Berliner Format?") zum just (Altpapier vom Mittwoch) eröffneten "Newsletter-Imperium" des Tagesspiegels. +++
+++ Die Wendy aus dem Egmont Ehapa-Verlag wird 30 und viele TAZ-AutorInnen würdigen das. +++
+++ Die ARD hat sich für tagesschau.de die Buzzfeedisierungs-Pionierin (und Autorin des Gast-Altpapiers "Wer beliebt sein will, sollte nicht Journalist werden" zum 15-Jahre-Jubiläum) Juliane Leopold eingekauft. Was sagt das sog. Netz dazu? U.a.:
###extern|twitter|Julius_Kamper/status/738415725006729216###
+++ Facebook hat "mit 'Deep Text' ... eine Methode vorgestellt, um geschriebenen Text in 20 Sprachen besser zu verstehen". Es dürfte darum gehen, "dem Nutzer dann mit entsprechenden Angeboten weiterzuhelfen. Schreibt dieser etwa 'Ich will ein Fahrrad für 200 Dollar verkaufen', kann Facebook diesen Nutzer auf bestehende Tools hinweisen, mit denen er diesen Verkauf tätigen könnte" (futurezone.at). +++
+++ Einen komplexen Rechts- und Medienaufsichtsbehörden-Streit zwischen dem ORF und der FPÖ schildert die SZ-Medienseite. Mehr zur "Causa Tempelberg" steht beim Standard. +++ Außerdem stellt groß auf der SZ-Medienseite Karoline Meta Beisel Beatrice Egli vor, die es als RTL-"Superstar" ins sog. Erste geschafft hat. +++
+++ Und ebd. unfrei online: ein Heiner-Bremer-Abschiedsinterview ("Sie hatten ein reiches Journalistenleben, waren vor Ihrer TV-Karriere Stern-Chef und Springer-Sprecher. Bereuen oder vermissen Sie etwas in Ihrer Vita?" - "Umgekehrt wird ein Schuh draus. Wäre ich bis zur Pensionsgrenze bei Gruner + Jahr oder im Printbereich geblieben, hätte ich heute womöglich das Gefühl, etwas verpasst zu haben ..."). +++
+++ Die FAZ-Medienseite lässt den langjährigen Prozess zwischen Ottfried Fischer und einem Bild-Zeitungs-Reporter um ein Sex-Video zu seinem (des Prozesses) Ende noch mal Revue passieren. +++ Und Michael Hanfeld lobt den Arte-Film "Hirngespinster", den bereits frei online auch die TAZ bespricht. +++
+++ Hierhin, zu den Fotos des syrischen Fotografen Hosam Katan sollte nicht klicken, wer Fotos von schlimmen Kriegsfolgen nicht wirklich sehen will. Um "die Frage ... , ob ein solches Bild - und grausame Kriegsbilder im Allgemeinen - auch veröffentlicht werden müssen", geht's im aktuell online stehenden epd medien-Tagebuch von Luisa Heß. +++
+++ Und in der neueren Druck-Ausgabe berichtet Konrad Ege aus dem US-Wahlkampf: "Ungeachtet der Frage, ob der republikanische Präsidentschaftskandidat etwas mit faschistischem Gedankengut zu hat oder nicht: Donald Trump ist ein bemerkenswertes Kunststück gelungen. Ausgerechnet der narzisstische Celebrity-Showman hat eine Schallmauer des Sexismus durchbrochen. Erstmals in einem Wahlkampf befassen sich Medien mehr mit dem Haar eines Mannes als mit der Frisur einer Kandidatin. CNN zoomte jüngst gar hin auf eine auf Trumps Pracht herumirrende Fliege. Und das wurde dann erörtert ...." +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Montag.