Warum antwortet jemand auf Interviewfragen per Mail und nicht in einem telefonischen oder persönlichen Gespräch? Weil er sich erhofft, dass er das Geschehen auf diese Weise so weit wie möglich kontrollieren und vielleicht auch lenken kann. Weil sich so spontane und überraschende Reaktionen - auf beiden Seiten - möglicherweise vermeiden lassen. Es kann aber natürlich auch durchaus sein, dass Jan Böhmermann, wie er selbst behauptet, das erste Interview (Blendle-Link, 89 Cent) nach dem großen Trubel lediglich „aus Bequemlichkeit“ schriftlich gibt. Gegenüber den Zeit-Interviewern Matthias Kalle und Moritz von Uslar sagt/schreibt er nun:
„Künstlerisch war unser humoristisches Proseminar Schmähkritik ein unglaublicher Erfolg. Es hat viele überfällige Diskussionen ausgelöst, aber ich muss mich als Komiker auch nicht wundern, wenn da von der anderen Seite auch ordentlich was zurückkommt. Als Privatperson waren die letzten Wochen für mich und mein Umfeld allerdings, ohne da näher ins Detail gehen zu wollen, ein wenig turbulent.“
Kurz darauf ist noch von den „dramatischen Konsequenzen ... für meine Familie und mich“ die Rede. Böhmermann versucht hier also eine Balance zu finden: Als öffentliche Figur analysiert er das berühmt gewordene „Proseminar“ und die Reaktionen darauf in mal mehr, mal weniger offiziösen Worten. Auf Fragen, die an ihn als „Privatperson“ gerichtet sind, versucht er, „ohne näher ins Detail zu gehen“, zu antworten, bzw. lenkt sie schnell in eine berufliche Richtung. Das gilt zum Beispiel für die Frage „Taten Sie sich in den vergangenen Wochen auch mal leid?“ Auf die antwortet er:
„Ich neige nicht zu Selbstmitleid. Augen auf bei der Berufswahl! Außerdem gibt es im Moment in anderen Ländern, gerade auch in der Türkei, viele Kollegen, die mit deutlich härteren Konsequenzen ihrer künstlerischen oder journalistischen Arbeit zu kämpfen haben. Wenn ich als ZDF-Quatschvogel nun mit dafür gesorgt habe, dass da genauer hingeschaut wird, ist das doch kein Grund für Selbstmitleid.“
Wobei man bei der Antwort natürlich an jene Böhmermann-Nichtsogutfinder denken muss, die ihm vorgeworfen haben, dass sein „Proseminar“ eben nicht dafür gesorgt hat, „dass da genauer hingeschaut wird“, sondern den gegenteiligen Effekt hatte.
Klassischen Böhmermann-Humor (auf unterschiedlichem Niveau) liefert das schriftliche Gespräch natürlich auch:
„Mein Team und ich wollen den Humorstandort Deutschland nach vorne ficken“,
sagt/schreibt Böhmermann zum Beispiel. Und gemünzt auf einen alten Weggefährten im allerweitesten Sinne:
„Wer ist dieser Tucholsky eigentlich, von dem die immer reden? Lukas Tucholsky? Was erlaubt er sich eigentlich sagen zu dürfen, was Satire darf und was nicht?“
Eines von vielen Indizien, dass das Medienspektakel um Böhmermann weitergehen wird: Heribert Prantl hat das Interview für die SZ-Meinungsseite bereits glossierend analysiert.
[+++] Auf Böhmis Rückkehr müssen wir nun nicht mehr lange warten. Bald gar nicht mehr sehen können werden wir dagegen den zum Red-Bull-Imperium gehörenden Free-TV-Sender Servus TV, der am Dienstag angekündigt hat, seinen Betrieb einzustellen. Betroffen sind 246 (dwdl.de, FAZ) bzw. 264 (diepresse.com) bzw. 280 Mitarbeiter („Zapp“). Cathrin Kahlweit schreibt in der SZ:
„Servus TV, hatte es (bei der Gründung) geheißen, solle ‚ein Sender für den Servus-Raum‘ sein - also für jenen deutschsprachigen Bereich, in dem man ‚Servus‘ sage: Österreich, Bayern und Baden-Württemberg, Südtirol, Teile der Schweiz.“
Das erklärt dann möglicherweise auch, weshalb das Ende des Senders das Aufmacherthema auf der Medienseite der in der Servus-Region beheimateten SZ ist.
„Mit Servus TV geht nun ein Projekt unter, das durchaus ambitioniert und gut gemacht, wenngleich unter Quoten-Gesichtspunkten nicht erfolgreich und zu wenig beachtet gewesen war“,
meint Kahlweit.
„So endet der Versuch, anspruchsvolles Privatfernsehen zu machen“,
klagt Michael Hanfeld (FAZ), der offenbar die „engagierte Diskussionsrunde ‚Talk im Hangar 7‘“ und die „aufwendigen Naturdokumentationen“ gern gesehen hat. Das Synonym der Woche liefert Hanfeld en passant auch noch. Den Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz nennt er „Süßgetränkemogul“.
Kam das Aus nun, weil die wirtschaftliche Lage „untragbar" war, obwohl doch jährlich „ein fast dreistelliger Millionenbetrag“ in den Sender floss, wie u.a. die SZ aus der offiziellen Mitteilung zitiert? Das NDR-Medienmagazin „Zapp“ hat andere Informationen:
„‚Das ist nicht der eigentliche Grund‘, so ein Servus-TV-Redakteur, der aus Sorge über seine Zukunft nicht namentlich genannt werden will.“
Der eigentlich Grund sei gewesen, dass sich der wohl als Gutsherr verstehende Mateschitz erbost war über die geplante Gründung eines Betriebsrats. „Zapp“ weiter:
„In einem internen Statement spricht Dietrich Mateschitz (...) Klartext: ‚Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Unbeeinflussbarkeit insbesondere durch Parteien, egal welcher Richtung, war von Anfang an ein tragender Pfeiler von Servus TV. Die Betriebsratsgründung hätte diese Werte insbesondere durch die Art und Weise ihres Zustandekommens - anonym und unterstützt von Gewerkschaft und Arbeiterkammer - nachhaltig beschädigt. Dass diese Vorgehensweise bei der aktuellen Situation des Senders nicht gerade dienlich war, ist evident."
Man kann die Weltfernheit, die in diesem Statement zum Ausdruck kommt, drollig finden, aber man kann wohl auch davon ausgehen, dass es in der freien Wildbahn nicht wenige Exemplare gibt, die Mateschitz sehr ähnlich sind. Noch ein kleiner Schock gefällig? diepresse.com meldet:
„Über 200 Mitarbeiter des vor dem Aus stehenden Fernsehsenders Servus TV haben einen Offenen Brief unterschrieben, in dem sie sich gegen einen Betriebsrat aussprechen (...) ‚Wir wollen und brauchen keinen Betriebsrat‘, halten die Mitarbeiter fest.“
[+++] Von einem Fernsehsender ohne Zukunft zu Fernsehformaten und -sendern, die hoffen, eine zu haben. Auch das war Thema auf der heute zuende gehenden Republica (siehe unter anderem Altpapier von Dienstag). Kurt Sagatz geht für den Tagesspiegel auf eine Diskussion mit den Machern des ZDF-Nachrichtenformats „Heute plus“ ein - und, wie auch meedia.de, in einem weiteren Artikel auf den Planungsstand des neuen Jugendangebots von ARD und ZDF, den Programmgeschäftsführer Florian Hager präsentierte. Sagatz schreibt:
„Eine gewisse Nähe zu Youtube ist bei allem (...) nicht von der Hand zu weisen. Man sei nicht auf Youtube fixiert, aber Bewegtbild sei eben der Kern des Jugendangebots, sagte Hager, zumal es beim Google-Videodienst durchaus Leute gibt, die das richtig gut machen. Einer von ihnen ist Rayk Anders, bekannt durch seinen Kanal ‚Armes Deutschland‘. Seine Politshow wird zu den Startangeboten des ARD/ZDF-Jugendangebots gehören.“
Über eine Republica-Diskussion zu Hatespeech schreibt Christiane Eickmann (Hannoversche Allgemeine Zeitung):
„Caroline Mohr (Spiegel Online) empfahl (...), hasserfüllte Leser nicht zu ignorieren, sondern professionell mit ihnen umzugehen: ‚Der Dialog hilft dabei, radikale Meinungen zu bekämpfen.‘ Dabei helfen könne eine sozialpädagogische Ausbildung von Journalisten. Na ja (...) Stärker und viel persönlicher betroffen vom Hass in Netz sind Blogger und Netzaktivisten, die allein aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung Ziel von Pöbeleien, Beschimpfungen oder sogar Morddrohungen werden. Dies machte am Dienstag die Autorin und Feministin Kübra Gümüsay deutlich, als sie unter Tränen sagte: ‚Ich fühle mich in diesem Land nicht mehr sicher' (...) Die 27-Jährige forderte dem Hass im Netz mit Information, Aufklärung und Empathie zu begegnen. ‚Wir müssen Liebe organisieren, denn Hass ist in Deutschland organisiert.‘ (...) Gümüsay erntete für ihren kurzen, emotionalen Vortrag den bis dahin längsten und wärmsten Applaus der Konferenz."
Wem eher nach Event-Gesamtbetrachtung ist:
„Die große Leistung der Veranstalter liegt vermutlich darin, die Konferenz zu öffnen. Nicht nur die Gleichgesinnten um sich zu scharen, sondern das ehemalige ‚Klassentreffen‘ von Bloggern zu einer Art digitaler Kirmes hochzuziehen, auf der es eben auch blinkt, zischt und fiept. Umarmen statt ausgrenzen. Das gilt auch für Sponsoren, darunter IBM, Daimler und Microsoft“,
schreibt Christian Meier (Die Welt). Und:
„Veranschaulicht wird dieses Spannungsverhältnis zwischen Netzpolitik und digitalem Hedonismus ausgerechnet in einem breiten Durchgang zwischen zwei Hallen des Veranstaltungsortes. Eine Discokugel hängt in diesem Gang und verstrahlt ein wenig Partystimmung. Dahinter öffnet sich eine Halle mit Ständen, draußen vor der Tür stehen Liegestühle. In dem Gang selbst aber hängen Poster mit gemalten Porträts, vor allem von Mitarbeitern des BND. Unter ihren Gesichtern sind Zitate aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags zu lesen. Lesen tut das fast niemand, der vorbeigeht. Aber sie hängen da, die Poster.“
Johannes Boie, der fürs SZ-Feuilleton über die „Konsenskonferenz“ (Headline der Print-Version) berichtet, meint:
„In diesem Jahr (bleibt) Ratlosigkeit zurück, nicht nur auf der Metaebene.“
Auch bei jenen Bloggern, die schon 2007 dabei waren, seien
„ein paar Fragen offen: Warum nur kam so vieles anders, als man es sich damals erhofft hatte? Warum ist das Netz nicht das schöne, neue Kommunikationsmittel, sondern eben auch Werkzeug für Hass und Verleumdung, für Überwachung und Ausgrenzung? Wie kann die Gemeinschaft, die als Gemeinschaft der Blogger begann, die Entwicklung beeinflussen, in der Zeit von Facebook und Snapchat und NSA und BND?“
Und schließlich Andrea Diener (FAZ-Medienseite):
„Nein, eine Utopie ist das Netz nicht geworden, sondern ein ziemlich wirklichkeitsgetreues Abbild der Gesellschaft. Und man kann Netz und Leben nicht mehr einzeln denken, sie sind zu eng verflochten. Wenn nun also das Netz an allen Enden mit Gesetzen eingehegt werden soll, sollte man sich bewusst sein, dass es nicht um anonyme Datenautobahnen geht. Man regelt eine Gesellschaft.“
[+++] Der Medienwissenschaftler Michael Haller war schon längere Zeit nicht mehr zu Gast in dieser Kolumne, aber offenbar steht er in der Kategorie „Medienexperten“ in den Notizbüchern mancher Redakteure immer noch weit oben. Der Moderator des Deutschlandfunks, der Haller am Dienstag interviewt hat, bezeichnet ihn einigermaßen ehrfurchtsvoll als den „Gründungsherausgeber der Zeitschrift Message", die auch zu dem Zeitpunkt, als sie noch in gedruckter Form existierte - was sie seit Ende 2014 nicht mehr tut, siehe Altpapier - nur einem exklusiven Kreis von Hörern bekannt gewesen sein dürfte. In dem Interview geht es um das Journalisten entgegen schlagende Misstrauen. Haller sagt:
„Das Misstrauen (...) hat auch damit zu tun, dass die Menschen heute in der Fülle von verschiedenen Informationsmöglichkeiten, gerade wenn wir auch noch die Möglichkeiten sehen, die durch das Internet gegeben sind, in der Fülle dieser verschiedensten Informationsmöglichkeiten auch irritiert sind. Sie haben einfach nicht mehr das, was noch vor 20, 30 Jahren normal war, nämlich man hat sein Medium, man hat seine Nachrichten und seine Zeitung. Das diffundiert wie eine Wolke in ganz unterschiedliche Angebote, und die jeweils abzuschätzen, was eigentlich Aufgabe des Journalismus ist, versuchen dann verschiedene Menschen und Menschengruppen und sind dann eben irritiert.“
Ist der Normalbürger heute also gewissermaßen überfordert, weil er zu viele Informationen zur Verfügung hat? Spontan würde ich der These nicht zustimmen, aber ich nehme sie mal mit als Reflektionsaufgabe ins brückentagsbedingt lange Wochenende.
Altpapierkorb
+++ Der Kölner Stadt-Anzeiger nimmt die Panama Papers, in deren Zusammenhang mal wieder von den Leistungen von NDR, WDR und SZ die Rede war, zum Anlass, den Lesern zu verklickern, „warum der Rechercheverbund viele Fragen aufwirft“. Unter anderem geht es um schon seit einiger Zeit von Spatzen Gepfiffenes, nämlich den „augenscheinlich geringen Input“ des WDR.
+++ Transparency International hat die Studie „Korruption im Journalismus Wahrnehmung, Meinung, Lösung“ (PDF, Pressemitteilung) veröffentlicht, die im Rahmen einer Masterarbeit an Volker Lilienthals Qualitätsjournalismus entstanden ist. Dennis Deuermeier, der Autor der Masterarbeit, schreibt: „Auf individueller Ebene sind es besonders kleine Annehmlichkeiten, wie Geschenke oder Einladungen durch Unternehmen, die von den befragten Journalisten wahrgenommen und in verschiedenen Fällen auch selbst in Anspruch genommen werden. Mit der Forderung einer Gegenleistung in Form von journalistischer Berichterstattung verändert sich die Situationsbewertung durch die Journalisten. An dieser Stelle beginnt für sie der Versuch der Korruption. Problematisch ist hierbei, dass sich die Forderung einer Gegenleistung in der Praxis als weitaus komplexer herausstellt, als sich dies in einer Situationsbeschreibung darstellen ließe (...) Auf struktureller Ebene zeigt sich, dass die Instrumentalisierung zunimmt. Der Druck auf die Journalisten wächst, sowohl von innen als auch von außen (...) Verursacht durch die Anzeigenkrise sind vor allem die Printmedien anfällig für diese Form der Korruption geworden, die verschiedenen, von den befragten Journalisten geschilderten Fälle, reichen bis zur Erpressung. Besonders im Lokalen sehen sich die Befragten dieser Praxis ausgesetzt.“
+++ Für "Die Kinder von Aleppo" ist Marcel Mettelsiefen 2015 mit dem Grimme-Preis ?ausgezeichnet worden, auch einen Emmy hat er bekommen. Nun leben die Kinder im Harz, und Mettelsiefen hat einen neuen Film gedreht: "Das Schicksal der Kinder von Aleppo". Sonja Zekri (SZ) ist sehr angetan: „Die Kinder sind das Wunder dieses Films, die klugen, illusionslosen kleinen Mädchen Farah und Sara, (...) die die Hoffnung, das Leben schlechthin verkörpern, die noch auf der Flucht über die Türkei und den Balkan lachen können, die sich in der Schule in ihrer neuen Heimat Goslar im Handumdrehen zurechtfinden, Deutsch lernen, Freunde finden, Syrien im Herzen tragen, aber doch ganz zweifellos und sehr erleichtert in Deutschland angekommen sind." "Das Schicksal der Kinder von Aleppo" sei „ein Film, der auf eine sehr wissende, fast weise Art lebensfroh ist“.
+++ Im Laufe des Vormittags gibt die Film- und Medienstiftung NRW bekannt, wer in diesem Jahr mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet wird. Jochen Meißner geht in einem Text für die Medienkorrespondenz, in dem mehrmals Karl Marx vorkommt, auf die drei Finalisten ein. Sibylle Berg ist eine von ihnen.
+++ „Es soll eine Zeit gegeben haben, in der das Privatleben von Politikern noch als solches behandelt wurde. In der die Eignung für ein Ministeramt nicht danach bemessen wurde, welche Posts auf Facebook gerade kursierten. Eine Zeit, in der solche Posts auch nicht als Quelle ausreichten, um Meldungen in Zeitungen zu rechtfertigen, die für sich beanspruchen, dem Qualitätsjournalismus verpflichtet zu sein.“ So steigt Jan Pfaff für den Freitag in einen Text ein. In der heutigen Zeit kann dagegen „das Zusammenspiel von Bunte, Facebook-Posts und SZ-Panoramaseite eine höllische Mischung“ ergeben, wie es der Pfaff aus Teenagertagen bekannte Grünen-Politiker Alexander Bonde erleben musste, der gerade seinen Verzicht auf ein Ministeramt in der neuen grün-schwarzen baden-württembergischen Regierung mit Berichten über sein Privatleben begründete. Constanze von Bullion kommentiert in der von Pfaff angegriffenen SZ: „Bonde zieht sich angeblich auf eigenen Wunsch zurück, um seine Familie zu schützen. (Er) (...) soll einvernehmlich mit erwachsenen Frauen geschlafen habe (...) Jeder Erwachsene (...) darf Sex haben mit wem und wie er will, solange die Beteiligten keine Kinder sind oder Dinge tun, die sie nicht tun wollen.“ Es sei „symptomatisch (...), dass im Zuge des neuen grünen Bürgerglücks nun so getan wird, als sei der behauptete außereheliche Sex unvereinbar mit politischer Verantwortung. Das ist nicht nur Unsinn, es ist bigott.“
+++ "Politiker, die saufen, kiffen und koksen wie alle anderen auch, werden, wenn einer von ihnen einmal mit der falschen Substanz erwischt wird, auf den ersten Seiten der Blätter verurteilt – den Popkokser, der seinen Konsum zu Literatur verarbeitet, feiert weiter hinten das Feuilleton (...) Herrschaftliche Rauschkontrolle läuft immer zweigleisig: Verfolgung, Kontrolle und Abschreckung hier, jahrelang ungestörter Konsum der Kulturprominenz dort. Repression wie Duldung gehören zur Herrschaft, die es sich weder leisten kann, Rausch unkontrolliert zu lassen, noch ihn nicht in bestimmten Sphären zuzulassen." Das schreibt Daniel Kulla in der aktuellen konkret über den seeehr unterschiedlichen Umgang der Medien mit Volker Beck und Benjamin von Stuckrad-Barre.
+++ „Der Publizist Paul Sethe (schrieb) 1965 in einem Leserbrief an den Spiegel (...): ‚Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.‘ Dieser Satz stimmte damals nicht und er stimmt heute nicht. Aber Markus Somm will ihn wahr machen.“ Der kritisierte Somm ist Verleger und Chefredakteur der nationalkonservativen Basler Zeitung. Der Autor von geschichtedergegenwart.ch, der ihn kritisiert, ist Roger Blum, der Ombudsmann der SRG, also des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Schweiz. Hintergrund ist, dass Somm „die Werbewirtschaft dazu animiert (hat), ausgerechnet in diesen ökonomisch schwierigen Zeiten Druck auf die Redaktionen auszuüben“ (NZZ kürzlich).
+++ In der Debatte um die BGH-Entscheidung in Sachen VG Wort (siehe u.a. dieses Altpapier) bezieht nun der freie Wirtschaftsjournalist Ulf J. Froitzheim, Verwaltungsratsmitglied der VG Wort, in seinem Blog Stellung gegen die Martin-Vogel-Fans und ihre Urteilsexegesen.
+++ Ich weiß kaum etwas über das Labordiagnostikunternehmen Theranos und ihren Guru Elisabeth Holmes, aber diesen süffigen Vanity-Fair-Artikel über den Umgang des Unternehmens mit den Medien habe ich gern gelesen: „In April of 2015, ... John Carreyrou, an investigative reporter with The Wall Street Journal, reached out for an interview with Holmes (...) After two months of being stonewalled by the Theranos P.R. team, Carreyrou told me an entourage of lawyers arrived at the Journal’s Midtown Manhattan offices at one P.M. on June 23. The pack confidently sauntered past editors and reporters in the fifth-floor newsroom and was led by David Boies, the superstar lawyer who has taken on Bill Gates, the U.S. government, and represented Al Gore in the 2000 Florida recount case. Four other attorneys and a Theranos representative accompanied him. Before anything was said, the lawyers placed two audio recorders at either end of the long oval wood table, and recalcitrantly sat across from Carreyrou, his editor, and a Journal lawyer. Then they hit record. Almost immediately, one person present told me, Boies and his team threatened legal action against the paper, accusing it of being in possession of ‚proprietary information‘ and ‚trade secrets.‘ The Theranos legal team then did their best to discredit dozens of independent sources whom Carreyrou had interviewed.“
+++ Und was hält eigentlich Facebook von Journalisten, jenseits offizieller Äußerungen und Zuckerbergscher Sonntagsreden? Das, findet Gizmodo, können möglicherweise am besten Journalisten beurteilen, die für Facebook gearbeitet haben.
Neues Altpapier gibt es am Freitag nach Himmelfahrt.