Passionierte Gelegenheits-Zeitungs-Käufer müssen heute die Dada-TAZ (Daniel-Richter-Titelseite als PDF) kaufen, und zwar nicht das Epaper.
Und wenn an dieser prominenten Stelle wieder/ noch einmal das Papier eine Rolle spielt: Der kommende Freitag wird noch historischer. Wann kam zuletzt ein brandneues Druckerzeugnis in einer Auflage von einer halben Million Stück auf den Markt - und nicht etwa, um einen Monat oder ein Vierteljahr am Kiosk auszuliegen, sondern nur eine Woche lang (in der natürlich möglichst viele Exemplare verkauft werden sollen)?
Gerade wurden erste Details zur wagemutigen neuen Gruner + Jahr-Illustrierten bekannt.
"'Frei' heißt das neue Magazin, in der G+J-Marketing-Orthographie kleingeschrieben und mit dynamischem Ausrufungszeichen dahinter",
weiß das Werber-Medium horizont.net und zeigt ein Foto, auf dem Chefredakteur Hans-Peter Junker aussieht, als sei er gerade auf einem Dreimaster elbaufwärts durchs Tor zur Welt bis zum Hamburger Baumwall gesegelt. (Nun gut, andere Assoziationen mag es auch auslösen, aber die Gedanken sind ja frei!).
Ein weniger gelungenes Foto des gesamten frei!-Führungsteams und weitere Details hat meedia.de. Jedenfalls wird es nächste Woche spannend "im Pressregal neben Bild der Frau, Tina und Lisa".
[+++] Überhaupt scheint gerade konstruktive Aufbruchsstimmung in der deutschen Medienbranche zu herrschen. Es hagelt Masterpläne, zumindest zwei im Ressort. Vom "Masterplan, wie die Verlage sich gegen Google & Co. behaupten wollen", also einem enorm ambitionierten, kündet ebenfalls meedia.de. Georg Altrogge berichtet von Verhandlungen des Vermarktungs-Unternehmens, das Springer und die Funkes (die die meisten Springer-Druckerzeugnisse aufgekauft haben, nachdem Mathias Döpfner beschlossen hatte, sie loszuwerden) bilden, mit Hubert Burdas Konzern:
"Lange Zeit galt unter Brancheninsidern jeder Versuch, die historisch gewachsene Rivalität der Medienhäuser zu überwinden und und die Verleger auf einen gemeinsamen Kurs einzuschwören, als ähnlich schwierig wie die Einigung Europas",
vergleicht Altrogge. Und tatsächlich schien diese Einigung Europas lange Zeit ja ziemlich geglückt zu sein.
Masterplan Nr. 2 ist der "sogenannte ZDF-Masterplan", den exklusiv Ulrike Simon in ihrer Madsack-Medien-Kolumne enthüllt (nachdem sie ein wenig "das ADS, dieses Leiden an mangelnder Aufmerksamkeit, für das mancher alternde Journalist anfällig ist", des gestern auch hier erwähnten Wolfgang Herles kuriert hat).
[+++] Die öffentlich-rechtlichen Sender "müssen sich ... etwas einfallen lassen, damit sie nicht zu Pensionskassen mit angeschlossener Programmabwurfstelle verkommen", schreibt Michael Hanfeld nicht direkt aus diesem Grunde, sondern als Beitrag zur jüngsten Gebührensenkungs-Diskussions-Runde. Wie ebenfalls gestern hier erwähnt, ist Sachsen-Anhalts Ministerpräsident dafür, dass der monatliche Beitrag "von zurzeit 17,50 Euro pro Monat ... auf 17,20 Euro oder 17,21 Euro" sinkt. "Die sächsische Landesregierung hingegen ist gegen eine Senkung des Rundfunkbeitrags", weiß die FAZ. Das zeigt schon mal, dass weder senderstandort- noch parteipolitisch geringste Einigkeit herrscht und es noch hoch hergehen dürfte.
[+++] Die meistbesprochene Produktion des laufend heiß umstrittenen, so gelobten wie kritisierten öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehens ist diese Woche ausnahmsweise ein Kinofilm.
Alle erwarten, dass alle Kritiker Til Tschweigers Kino-"Tatort" nicht ohne viele ironisch gesetzte Ausrufezeichen doof finden. Aber dem ist nicht so, wie erneut meedia.de mit einer ersten Umschau belegt.
Überdies findet Markus Ehrenberg aus der Tagesspiegel-Medienredaktion, dass die Macher "ihrem Haudrauf-Film mit politischen Anspielungen eine gewisse Tiefe und Ernsthaftigkeit ... geben" (und überdies das Thema der "Pressefreiheit in der Türkei" zumindest streifen). Ähnlich dass SZ-Feuilleton (nicht identisch mit der bei meedia.de verlinkten Kritik vom sz.de-Boulevard, unfrei online):
"'Tschiller: Off Duty' beginnt mit einem kleinen Déjà Vu: Schon wieder wird Tschillers Tochter Lenny entführt, sie hatte sich alleine auf den Weg nach Istanbul gemacht, um den Tod ihrer Mutter zu rächen. Lenny wird selbstverständlich gespielt von einer Tochter Til Schweigers, von Luna Schweiger, deren Schauspieltalent der Kinofilm insofern gerecht wird, als sie nur sehr wenig zu sehen ist",
schreibt Katharina Riehl, also mit einer Mütze voller Vorbehalte, findet den Film am Ende aber ebenfalls in Ordnung.
Dass sich alle Kritikeraugen auf das Kino-Spektakel richten, heißt natürlich nicht, dass die ARD keine frischen Fernsehfilme böte. Vielmehr hat sie so viele in der Pipeline, dass sie gar nicht weiß, wann sie alle zeigen, und zum Beispiel den nach Einschätzung diverser Kritiker nicht schlechten zweiteiligen Barschel-Spielfilm (Kritik bereits bei welt.de; Produzentin-Porträt bei dwdl.de) morgen abend ausstrahlen wird. Gerade vorgestellt (Tsp.: "ARD-Programmdirekor Volker Herres sagte beim Pressetermin ..."): die ARD-Trilogie zum Thema NSU, die Ende März das kürzlich gesendete und kontrovers besprochene Beate-Zschäpe-Dokudrama des ZDF (und Nico Hofmanns als Produzenten) ergänzen wird.
So viele ambitionierte Fernsehfilme! Die Kehrseite der Medaille: Zwar enthält die in Kürze anlaufende Berlinale auch in diesem Jahr wieder "einen Überblick über die Kreativität und Formenvielfalt der aktuellen Serienproduktion", deren Macher, um Dieter Kosslick persönlich zu zitieren, "das Serienformat für erzählerische und visuelle Entdeckungsreisen in allen Genres" nutzen. Bloß eine deutsche Produktion ist nicht darunter.
Anders als 2015, als im selben Rahmen die mittelgute ZDF-Produktion "Blochin" lief (siehe Altpapier "Breaking Better") und RTLs "Deutschland 83" aus Vermarktungsgründen nicht, gibt es derzeit gar keine fertiggestellte deutsche TV-Serie. So weit, zumindest immer eine ambitionierte lineare Fernsehserie am Start zu haben, schon um ihr Publikum allmählich an so was zu gewöhnen, sind die deutschen Fernsehsender noch lange nicht. Stattdessen sitzen sie auf solch einem Berg von 90-Minütern, dass ambitionierte Zweiteiler samstagabends versendet werden müssen ...
[+++] Falls lineares Fernsehen Sie sowieso nicht interessiert und Ihnen der Sinn eher nach grundlegenden Internet-Erklärungen steht: Auch heute gibt's natürlich so eine.
Mathias Müller von Blumencron hat Sie für die FAZ-S. 10 (letzte Seite vorm Feuilleton) verfasst. "Wie aus den Träumen der Internetpioniere ein Albtraum wurde", lautet die Unterzeile.
"Das Netz ist hässlich geworden in der jüngsten Zeit, erregt und feindselig. Menschlichkeit, Achtung, Toleranz sind in dem globalen Medium vielerorts auf dem Rückzug",
ist, was der ehemalige SPON-Chefredakteur beklagt, dass "nicht Erkenntnis im Vordergrund steht, sondern pralle Unterhaltung nach den Regeln ... Katzenvideo schlägt Naturdoku". Kurz: die bekannte Sascha-Lobo-Bewegung. Besonders enttäuscht ist, wer vorher besonders euphorisch war und durch erfolgreiches Teilen die Euphorie gar noch vergrößerte. Hat Müller von Blumencron Lösungsvorschläge?
"... dass Suchmaschinen wie Google Mechanismen finden müssen, die glaubwürdige Quellen – ob Autoren, Blogs oder Medien – von Propagandaseiten und Verschwörungsschleudern stärker als bisher abheben. Und Facebook muss viel härter daran arbeiten, dass Empörung als Empörung, Propaganda als Propaganda und Lüge als Lüge erkennbar werden. Das bedeutet keine Zensur, aber es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Kein multinationaler Konzern kann sich auf Dauer erlauben, mit seinen Produkten Gesellschaften eher zu spalten ... ...".
Zum Glück war der Artikel schon voll geschrieben, auch dank einiger Redundanzen, bevor es noch darum gehen konnte, wer denn bloß für Google "Signale der Qualität" "mit großer Sorgfalt" so ausarbeiten soll, dass "Postings entsprechender Autoren" entsprechend gekennzeichnet werden können.
+++ Große Medientheorie dagegen auf der FAZ-Medienseite, anlässlich einer gut gemeinten deutschen, allerdings kurzen, insgesamt 40-minütigen (ZDF-) Fernsehserie: "Marshall McLuhan ist unschuldig. Die zweitbekannteste Floskel des Kommunikationstheoretikers lautet zwar, 'dass der 'Inhalt' jedes Mediums immer ein anderes Medium ist'. Gemeint war: Das Buch ist der Inhalt des Theaters, das Theater der des Films. Fortgesetzt: Das Fernsehen ist der Inhalt des Internets. Die These mag mäßig erhellend sein, hat aber zumindest eine klare Richtung, immer runter den Kanal nämlich. Keinesfalls ist sie umkehrbar", schreibt Oliver Jungen und beklagt: "Immer wieder muss sich die dicke Tante Fernsehen ins sexy Digital-Kleidchen zwängen und soll dann auch noch lässig tanzen. Der neueste Unfall hört auf den Namen 'Familie Braun'". +++
+++ In allerlei Nachrichtenseiten via Youtube eingebunden ist derzeit ein NDR-"Zapp"-Video, dass "Rapper Smudo" im "Streitgespräch mit der Facebook-Lobbyistin Eva-Maria Kirschsieper" zeigt. Sowohl das ausschweifende Nichts-Sagen der, wie es korrekt hieße, "Head of Public Policy von Facebook Deutschland" (wuv.de) als auch Smudos womöglich RTL-inspirierter Insekten-Vergleich ("Sie laufen rum wie eine Kakerlake, wenn das Licht angeht") werden kritisiert. +++
+++ Bild.de-Chefredakteur Julian Reichelt äußert sich "mit Abscheu" in der TAZ, die auch vollkommen zustimmt? (Nun ja, siehe auch Twitter ...) Es geht um eine Anklage gegen den Investigativjournalisten und Raif-Badawi-Preisträger Ali Anouzla in seinem Heimatland Marokko. +++
+++ Über Frauke Petrys Zeitungsinterviewtournee im deutschen Südwesten berichtet Bülend Ürük bei kress.de. +++ Wie Petry "ihr Interview dreist um"-schreiben wollte, schildert die Koblenzer Rhein-Zeitung unfrei online (zu diesen Startseiten-Fotos). +++
+++ In der ersten Folge der uebermedien.de-Rubrik "Pantes Parallelgesellschaften" befasst sich Michalis Pantelouris mit rolandtichy.de. +++
+++ Wer gerade von links "Versagen der deutschen Medien" feststellte: Jakob @Augstein. +++
+++ Während deutsche Presseverlage vielleicht das oben skizzierte Bündnis hinkriegen, hat einer ihrer Gegner ein "shiny new office in Berlin Mitte, a neighborhood right in the cultural heart of the city", von wo AdBlock Plus-Büroleiter Steffen Kiedel dann in die "Macbook-Cafés der Hauptstadt" ausschwärmen wird (turi2.de). +++
+++ "Gut, dass es den Stern gibt", liest man auch nicht alle Tage. Aber heute auf der SZ-Medienseite in einem von dessen Titelseite sowie der des Playboy inspirierten Streiflicht von Karoline Meta Beisel. +++ Außerdem geht's ebd. um American Football , der "auch im deutschen Fernsehen immer populärer" werde. +++ "Die meistgesehene Fernsehshow der Welt" ist das aber nicht, das ist die "Frühlingsgala in China" ("Als CCTV im vergangenen Jahr eine Zuschauerzahl von 690 Millionen vermeldete, schrieb die Presse von einem 'Rekordtief': So wenige Zuschauer hatte man schon acht Jahre nicht mehr. Sind aber immer noch dreieinhalbmal so viele wie beim Super Bowl in den USA", schreibt Kai Strittmatter ebd.). +++
+++ Falls jemand sich nun mit den "besten Werbespots des Super Bowl" Zeit vertreiben will, hilft das triste BLZ-Medienressort. +++
+++ Für die FAZ-Medienseite sprach Jörg Seewald mit dem Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks, Martin Wagner, mitfühlend ("Dem Radiochef des BR ergeht es wie beim Rennen von Hase und Igel: Wo auch immer Wagner sein UKW-Programm verändern will, die Hörer sind schon da und protestieren") über dessen Plan, Volksmusik nur noch digital zu senden. "Dass die Hersteller von Digitalradios von dem Kanalwechsel des BR profitieren, sei ein erwünschter Nebeneffekt". +++ Außerdem beschreibt Kerstin Holm das neue Pussy Riot-Musikvideo (Youtube). +++ Und angesichts der heute wohl bevorstehenden Wahl des neuen Hessischer Rundfunk-Intendanten wird "der medienpolitische Sprecher der Linkspartei im Hessischen Landtag, Ulrich Wilken, mit dem Vorwurf der "Kungelei" zitiert. +++
+++ "Ein Leben lang behielt er seine Leidenschaft fürs Zeitunglesen. Er konsumierte jeden Tag unzählige Blätter ...". Was dabei raus kam, waren allerdings "Schwarzwaldklinik" und "Traumschiff": Karl-Otto Saur hat für die Medienkorrespondenz den Nachruf auf Wolfgang Rademann (siehe Altpapier) geschrieben. +++
+++ Und als "Deutschlands wahre Wirtschaftsweise" sowie als "Frau, die sogar ihren Burn-out in eine Erfolgsgeschichte, den Bestseller 'Brief an mein Leben' wenden kann", porträtiert Mara Delius in Springers Welt Wirtschaftswoche-Chefredakteurin Miriam Meckel. Die Fernsehverfilmung dieses Bestsellers zählt übrigens zu den kommenden Höhepunkten im ZDF-Programm. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Montag.