Plötzlich alles ganz logisch

Plötzlich alles ganz logisch
Franz Beckenbauer ist seit 33 Jahren regelmäßig publizistisch tätig, Helmut Schmidt war es 32 Jahre lang. Die publizistische Karriere von des Kaisers Hofnarr hat mittlerweile einen starken Knick. Außerdem: Gibt es Hoffnung darauf, dass der Sportjournalismus zu einem anderen Selbstverständnis gelangt? Nicht zuletzt: der Hype um die „RAF 4.0“; der Renegat Wolfgang Herles; eine Unterscheidung von Journalistentypen anhand ihres Artikelabgabeverhaltens.

Die Abbitte des Jahres, zumindest aus medienbetrieblicher Perspektive, hat ein Mann formuliert, der 1978 zur Bild-Zeitung kam und dort zehn Jahre lang als Kai-Diekmann-Stellvertreter wirkte: 

„Ich schulde dem @DerSPIEGEL und Klaus @Brinkbäumer noch ein Wort: #Entschuldigung!“

Getwittert hat dies der heutige Sport-Bild-Chefredakteur Alfred Draxler, „zugleich Franz Beckenbauers Förderer und Schützling“, wie es der im Tweet angesprochene Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer in einem Kommentar zu Draxlers Anti-Spiegel-Agitprop (siehe dieses Altpapier etwa) neulich zutreffend ausgedrückt hat. Zur groben Erläuterung: Beckenbauer kam als Kolumnist zur Bild-Zeitung 1982, also vier Jahre, nachdem Draxler dort als Redakteur angefangen hatte.

Unmittelbarer Anlass für die „Entschuldigung“ Draxlers ist das Auftauchen eines Dokuments, aus dem hervorgeht, dass Beckenbauer, „bei der Vergabe der Fußball-WM (2006) einen Bestechungsversuch zumindest geplant hat“ (Bildblog). Um es mit Draxler zu sagen:

„Unterschrieben hat dieses Papier mein langjähriger Freund FRANZ BECKENBAUER!!“

Als Bestechungsobjekt war ein gewisser Jack Warner aus Trinidad & Tobago vorgesehen, den Experten für Sportfunktionärsgaunereien nicht unjovial „Jack the Ripper“ nennen, siehe etwa SZ heute. Diese schreibt:

„Warner und Deutschland, diese Verbindung ist früher schon thematisiert worden. Kurz vor der Vergabe der WM 2006 kam es ja zu merkwürdigen Verträgen: Der FC Bayern und die Nationalelf sollten in vier Ländern von Fifa-Wahlmännern antreten, das Imperium von Kirch schloss parallel marktunübliche TV-Rechte-Deals ab. Zu diesen Ländern zählte auch Trinidad & Tobago, das Spiel des FC Bayern kam aus Termingründen nicht mehr zustande. Im März 2002 bedankte sich Warner bei Kirch für die ‚nette Spende über 20 000 US-Dollar für das Projekt der Restauration der Orgel in der Hanover Methodist Church.‘“

Johannes Kopp merkt in der taz zur „Kaiserdämmerung“ an:

„Es ist ja beileibe nicht so, dass Beckenbauers Biografie frei von Skandalen wäre. Sie wurden bislang nur immer erfolgreich ausgeblendet oder selbst in lexikalischen Einträgen verklausuliert. Wikipedia etwa umschreibt seinen Steuerbetrug als Fußballprofi so: ‚In den 1970er Jahren musste er 1,8 Millionen D-Mark Steuern nachzahlen, nachdem sich eine Steuerspar-Konstruktion als nicht vereinbar mit den deutschen Steuergesetzen erwies.‘ Auch in der jüngsten ARD-Doku anlässlich des 70. Geburtstags von Beckenbauer sparte der Regisseur prekäre Themen wie das gut bezahlte Engagement seines Protagonisten für die russische Gasindustrie und die Weltmeisterschaft 2018 in Russland sowie dessen Katar-Kenntnisse (‘Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen‘) einfach aus.

Beckenbauer betreffende Skandale wurden bislang auch deshalb „erfolgreich ausgeblendet“, weil er für Medien tätig war, zu deren Aufgaben im Idealfall nicht das Ausblenden von Skandalen gehören sollte. Man muss in diesem Zusammenhang ja nicht nur über die Bild-Zeitung und Sky reden. In den Nuller Jahren zum Beispiel war Beckenbauer auch für das ZDF und Sat 1 im Einsatz. 

Zurück zu Draxler und dem „Nähe-Distanz-Problem von Journalisten in der Sommermärchen-Affäre“ (meedia.de). Der Bildblog schreibt:

„Draxler war offenkundig nur eine willige Marionette, die Wolfgang Niersbach und Franz Beckenbauer benutzen konnten, um über Bild, Bild.de und Sport Bild ihr eigenes Narrativ des Skandals unter die Leute zu bringen und so ihre persönlichen Positionen zu stärken. In diesem ‚Sommermärchen‘ wirkt Alfred Draxler wie der Hofnarr des Kaisers.“

Jens Weinreich, Co-Autor der mittlerweile vier Spiegel-Geschichten über den DFB-Skandal, spürte schon am Montag, nachdem DFB-Präsident Wolfgang Niersbach zugetreten war, etwas „Irres“: 

„Frappierend, wie rasant Journalisten heute Nachmittag/Abend mal wieder ihre Meinungen wechseln. Plötzlich klingt auch bei jenen, die drei Wochen lang gegen die Spiegel-Berichterstattung Meinung gemacht haben (von fundierter Kritik und echter Recherche kann man bei nicht vielen reden), alles ganz logisch. Nun haben sie es (fast) alle schon immer gewusst.“

Eine wichtige Frage ist nun, inwieweit es sich mittelfristig auf das Selbstverständnis des Sportjournalismus auswirkt, dass einige hochrangige Figuren des Fußball-Gewerbes (vielleicht) entzaubert werden. Wird das „Nähe-Distanz-Problem“ kleiner werden, wenn andere Personen an der einen oder anderen Schaltstelle sitzen? 

Walter Aeschimann schreibt in der aktuellen Ausgabe des Schweizer Journalistengewerkschaftsmagazins Edito + Klartext (Disclosure: Ich bin dort mit einem Artikel zu einem anderen Thema vertreten) über den Umgang der Sportjournalisten mit Lance Armstrong vor und nach seiner endgültigen Entlarvung (Letzeres geschah 2012 als sich nicht mehr leugnen ließ, dass Armstrong „einer der größten Betrüger der Sportgeschichte“ ist): 

„Während sie vorher klatschten, schrieen sie nun Betrug, mimten die Empörten und kritisierten ein bisschen das System, aber nur so weit, als sie dieses nicht brüskierten. Schließlich, nach der Läuterung, priesen sie mit unerträglicher Heiterkeit wieder die Magie der Sportfamilie. Dieser Akt hat ritualisierte Formen angenommen.“ 

Die Frage ist also, ob in Sachen DFB-Skandal Ähnliches passieren wird; ob nach einigen Wochen Systemkritik light alles so weiter gehen wird wie bisher.  

[+++] Interessante Koinzidenz: Franz Beckenbauer und Helmut Schmidt begannen ungefähr zur selben Zeit ihre regelmäßige Tätigkeit im publizistischen Gewerbe: Ersterer, wie oben erwähnt, 1982, letzterer ein Jahr darauf. Während Schmidt in diesen mehr als drei Jahrzehnten einiges beitrug zu dem Status, den Die Zeit heute hat, trugen die Texte, die unter Beckenbauers Namen in der Bild-Zeitung erschienen, seitdem dazu bei, dem Boulevardblatt (und anderen Springer-Titeln) eine fatale Machtposition im deutschen Fußball-Geschäft zu verschaffen (womit er gleichzeitig seine eigene stärkte).

Weil Helmut Schmidt „viel länger Publizist als Bundeskanzler war“, ist einer der FAZ-Nachrufe seiner Tätigkeit als Zeit-Herausgeber gewidmet. Geschrieben hat ihn Mike Naumann, der bei der Wochenzeitung zu Beginn der 70er Jahre und Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre als Redakteur sowie in den frühen Nuller Jahren auch kurzzeitig als Chefredakteur und Herausgeber tätig war:

„Den Feuilletonisten begegnete Schmidt mit Skepsis (‘Haben Sie eigentlich gedient?‘) (und) Redakteurinnen (...) – mit der Ausnahme von Nina Grunenberg – mit eher anthropologischem Interesse.“

Dass Schmidt zu den im Medienbetrieb selten gewordenen Menschen gehörte, die im Gespräch die Formulierung „Haben Sie eigentlich gedient?“ unironisch verwendeten, kann man sich vorstellen. Naumann schreibt weiter:

„Seine inner-redaktionelle Autorität wuchs von Jahr zu Jahr – er nahm an der wöchentlichen Freitagskonferenz der politischen Redaktion mit Schmidtscher Pünktlichkeit teil, und die anfängliche Skepsis der Kollegen verwandelte sich in aufrichtige Neugier und am Ende sogar in Zuneigung und Stolz: Helmut Schmidt war einer von ihnen geworden. Er hörte zu, konnte lachen und reagierte empfindlich auf vulgäre Textstellen.“

Formulierungen wie „... wuchs von Jahr zu Jahr“ und „anfängliche Skepsis verwandelte sich“ sind vielleicht eine Anmerkung wert: 1983, als Schmidt Herausgeber wurde, wechselte Naumann zum Spiegel, zurück zur Zeit kam er 2001. Die beschriebene Entwicklung kann er also nur aus zweiter Hand mitbekommen haben.

Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo schreibt in seinem Nachruf:

„Mit ihm ist nicht nur für uns bei der Zeit eine Vater- und Großvaterfigur gestorben. Wer mag, kann das als eine regressive Projektion belächeln.“

Die Regression sei ihm und jenen, für die zu sprechen er möglicherweise legitimiert ist, unbenommen, irritierend sind allerdings die Worte „nicht nur für uns bei der Zeit“, weil sie ein größeres „Wir“ andeuten. Leben wir immer noch in Zeiten, in denen (Ex-)Politiker als Vaterfiguren gelten?

Im Vorspann des Seite-3-Porträts von Evelyn Roll in der SZ steht ein bemerkenswerter Satz:

„Er lebte so lange, dass er die Deutungshoheit über die eigene Geschichte erobern konnte.“

Das wirft natürlich die Frage auf, warum sich jene, die für Deutungen zuständig sind, diese Hoheit haben wegnehmen lassen. Auf der SZ-Meinungsseite bemerkt Heribert Prantl:

„In der von ihm mitgegründeten Deutschen Nationalstiftung verstummte das Sitzungsgeplapper, wenn Schmidt das Wort ergriff. Er sagte höchst Hörenswertes, gespeist von viel Erfahrung; aber er hätte auch sagen können, dass ein Butterbrot immer auf die gebutterte Seite fällt – die Zuhörer hätten das als grandiose Erkenntnis verstanden.“

Der Text ist eine Hymne, aber immerhin hat Prantl in die zitierte Passage eine Spitze gegen die allzu kultische Schmidt-Verehrung eingebaut.

Die anregendsten Texte über gerade verstorbene Prominente sind indes oft nicht die schnell produzierten und auch nicht die gut abgehangenen Nachrufe, die die größeren Redaktionen für solche Fälle vorproduzieren, sondern zu anderen Zeiten entstandene Texte, die möglicherweise eher zufällig lebens- oder werkbilanzähnlichen Charakter aufweisen oder sich aus anderen Gründen teilweise als Nachrufe lesen lassen. Es ist allerdings auch nicht leicht, sie ausfindig zu machen in all den Archivbeiträgen, die Redaktionen bei Twitter oder Facebook heutzutage kurz nach einer Todesmeldung eines Prominenten verlinken und dabei den Eindruck zu erwecken versuchen, dass diese irgendwie nach Zeitlosigkeit riechen.

Aus den auf diese Weise in die Timelines gespülten Beiträgen seien zwei hervorgehoben, die 2008 in der „Disko“ der Jungle World erschienen sind, also der (manchmal im sehr weiten Sinne) Pro-und-Contra-Rubrik der Wochenzeitung. Jörn Schulz beschreibt Schmidt in einem halb-ironischen Pro-Text als „den letzten würdiger Gegner“ (gemeint ist: der Linken), denn: 

„Nur ein großer Staatsmann kann die Staatskritik fördern.“

Jörg Sundermeier schreibt dagegen: 

„Mit der ‚Vernunft‘, die Schmidt offensichtlich in sich selbst inkarniert sieht, argumentiert er stets, ohne allerdings genauer bekanntzugeben, woraus sie sich schöpft.“ 

Da sich in der aktuellen Diskussion über Flüchtende nicht wenige Meinungskampfbeteiligte auf etwas berufen, was sie als Vernunft verkaufen, hat dieser Satz durchaus eine gewisse Aktualität.

Es sind gerade auf alle Fälle harte Stunden für die meisten Deutschen: Helmut Schmidt lebt nicht mehr, und dann müssen sie auch noch mit der „Kaiserdämmerung“ klar kommen. 


Altpapierkorb

[+++] Zu den Medien-Hypes, die infolge von Helmut Schmidts Tod und der „Kaiserdämmerung“ etwas in der Hintergrund geraten sind, gehört der um die „RAF 4.0.“. Es kann aber nicht schaden, auf jene Medien einzugehen, die hereingefallen sind oder hereinfallen wollten. Patrick Gensing schreibt in seinem Blog: Nichts spricht dafür, dass es sich bei der RAF 4.0 um eine echte linksradikale Terrorgruppe handelt – weder Inhalt (,schwanzlose Bullen‘, ‚Amihure‘) oder Form des Schreibens, noch wie es aufgetaucht ist (nämlich unter anderem über die NPD), auch nicht Thüringen als Aktionsfeld oder sonst irgendetwas – dennoch widmen diverse Medien diesem Unsinn viel Aufmerksamkeit.“

+++ Dass der langjährige ZDF-Journalist Wolfgang Herles, der unter anderem Leiter und Moderator des Kulturmagazins „Aspekte“ war, nach seiner Pensionierung ins intellektuelle Nirvana abgetaucht ist, konnte man anhand seiner Beiträge für Tichys Einblick bereits vermuten. Den Eindruck bestätigt nun die Medienkorrespondenz-Rezension von Herles‘ Abrechnungsschrift „Die Gefallsüchtigen. Gegen Konformismus in den Medien und Populismus in der Politik“: „Herles vermeidet es so weit wie möglich, den Begriff ‚öffentlich-rechtliches Fernsehen‘ zu verwenden. Es nennt es konsequent ‚Gebührenfernsehen‘. Da ist er nicht weit weg von dem Kampfbegriff ‚Zwangsgebühren‘, der inzwischen bei vielen Querulanten Karriere gemacht hat“, schreibt Karl-Otto Saur, der den „Eindruck“ hat, „von einem konservativen Querdenker belehrt zu werden“

+++ In der Online-Ausgabe jener Wochenzeitung, die seit gestern einen Herausgeber weniger hat, kolumniert Bundesanwalt Thomas Fischer u.v.a. über die Vorliebe hiesiger Medien für Formulierungen à la "Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft“. „Das ist ja bei uns, man weiß es, mindestens der halbe Preis zum Eintritt in die Vorhölle. Sie ermittelt, die Staatsanwaltschaft (besser noch: ‚der Staatsanwalt‘)! Oh weh! Da wird es nicht mehr lange dauern, und ‚der Druck nimmt zu.‘“ 

+++ Der Freitag veröffentlicht anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums, das hier im Altpapier schon angerissen wurde (u.a. am Dienstag) einen 25 Jahren alten Essay Georg Seeßlens, der sich mit der Geschichte des Begriffs „Volk“ befasst (und natürlich insofern aktuell ist, als vom „Volk“ gerade recht viel die Rede ist): „Was für ein Leidensdruck oder welche oppositionellen Impulse sich auch immer in der Renaissance des Volkes als Instrument bürgerlicher Kultur und Politik ausgedrückt haben mochten, im Nachhinein entpuppt sich das ganze als geradezu genialer Trick, um zwei widersprüchliche Denk- und Wahrnehmungsmodelle gleichzeitig benutzen und beherrschen zu können: das zweckrationale, monetäre und wissenschaftliche einerseits, das irrationale, mythisierende, barbarische andrerseits. Hier schon, nicht erst in der Zeit des Faschismus, war das Wort Volk auf rettungslose, metastasige Art erkrankt. Nation und Religion versprachen Heilung durch die Spiegelung des Mythos ins Umfassende.“

+++ Apropos Freitag: Nachzutragen aus der vergangenen Woche wäre noch ein Beitrag aus dem Blog der Wochenzeitung zu den hiesigen Medienbesitzverhältnissen: Da die Medien sich „im Privatbesitz von einigen wenigen Unternehmerfamilien“ befänden, „die zu einer neoliberalen oder konservativen Haltung neigen mögen“, könne „von einer Waffengleichheit im politischen Meinungskampf keine Rede sein“, schreibt der Blogger Gedankenprotokolle.

+++ Aus dem aktuellen SZ-Magazin mittlerweile online: ein Text, der zur Diskussion über die Frage beiträgt, inwieweit es Journalisten, die über Flüchtende berichten, in manchen Situationen überhaupt möglich ist, sich auf ihre eigentliche Aufgabe zu beschränken (siehe Altpapier): "Ein Journalistenpaar aus Hamburg lernt in Kabul einen afghanischen Jugendlichen kennen. Ein halbes Jahr später ruft er an: Er ist auf der Flucht und braucht Hilfe. Das Paar muss eine Entscheidung treffen."

+++ dpa interviewt Nico Siegel, den „Managing Director der TNS Infratest Sozial- und Politikforschung und Geschäftsführer von infratest dimap“: Der sagt: „Manchmal bei Fragen zur aktuellen Politik sagt ein bestimmter Prozentsatz: ‚Naja, also nicht schon wieder das Thema.‘ oder ‚Ich antworte schon, aber es ist eigentlich nichts Neues.‘ Im Moment sehen wir das Umgekehrte. Niemand winkt ab und sagt: ‚Das Thema Flüchtlinge kann ich nicht mehr hören. Da will ich nichts zu sagen.‘ Es bewegt die Leute auch in dieser Hinsicht. Es mobilisiert sie politisch (...) Das ist an sich auch ein Wert an sich, unabhängig davon ob man die derzeitige politische Führung in Sachen Flüchtlingspolitik eher positiv oder eher negativ bewertet.“ Der Tagesspiegel hat das Interview veröffentlicht,

+++ Frank Überall, der neue Bundesvorsitzende des DJV, äußert sich in einem „Zapp“-Beitrag zu einer kuriosen, mit der „Rundfunkfreiheit“ argumentierenden Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg gegen einen früheren festen Freien des Kölner Stadt-Anzeigers: „Mich hat das Urteil erschreckt, vor solchen Tendenzen muss man Journalisten schützen. Printprodukte haben mit der Regelung zur Rundfunkfreiheit nichts zu tun. Ansonsten müssten ja plötzlich auch etwa Landesmedienanstalten für Verlage zuständig sein." 

+++ Stefan Laurin (Ruhrbarone u.a.) hat die Prinzessinnenreporter-Frage „Wie kann der Journalismus auf keinen Fall gerettet werden?“ so beantwortet: „Durch staatliche Gelder. Journalismus hat nur Wert, wenn er unabhängig ist. Der Staat und die Politik stehen auf der einen Seite, wir auf der anderen.“ Die Antwort ist natürlich ehrenwert, ich befürchte aber, sie ist nicht wirklichkeitsnah.

+++ Des weiteren bei den Prinzessinnenreportern: Marit Hofmann unterscheidet acht Typen von Journalisten anhand ihres Artikelabgabeverhaltens. Beispiel: „Der Ichlassmichdochnichthetzen ruft einem Tag vor Abgabe an, um mehr Zeit rauszuschlagen. Einstiegsfrage des Ilamidonihe: ‚Wann soll ich eigentlich noch mal abgeben? -  Schon morgen?! Kann ich nicht noch das Wochenende haben? Morgen krieg ich nämlich Besuch, und ich hab das Buch/die Platte/den Film/das Thema noch gar nicht gelesen/gehört/gesehen/ erfunden (Zutreffendes bitte ankreuzen)‘.

+++ „Warum Live-Hörspiele immer beliebter werden“, weiß Stefan Fischer (SZ-Medienseite). Anlass für den Text: „Bei den an diesem Mittwoch beginnenden Hörspieltagen in Karlsruhe (...) wird ein halbes Dutzend Stücke live aufgeführt." epd medien stimmt mit einem längeren, aus dem Juli stammenden Interview mit den mehrfach ausgezeichneten und in Karlsruhe vertretenen Hörspielkünstlern Katharina Bihler und Stefan Scheib auf die Veranstaltung ein. Siehe auch die Vorschau in der Badischen Zeitung.

+++ Der von Nina Grosse inszenierte ARD-Mittwochsfilm „In der Falle“, der „von der Erpressung der Milliardenerbin Susanne Klatten erzählt“ (Spiegel Online), gefällt Tilmann P. Gangloff (FR): „Selbst wenn man nicht weiß, dass sich das Drehbuch an den Erlebnissen von Susanne Klatten orientiert, so ist nicht zuletzt dank des Titels von Anfang an klar, dass die Sache kein gutes Ende nehmen wird, was wiederum der Handlung einen weiteren Reiz verleiht: weil man nicht umhin kann, die Raffinesse zu bewundern, mit der der Beischlafbetrüger seinen Coup eingefädelt hat.“ Katharina Zeckau (Medienkorrespondenz) hebt ebenfalls den Daumen: „Auch die für eine öffentlich-rechtliche Primetime-Produktion recht expliziten erotischen Szenen gelingen Nina Grosse glücklicherweise ganz ohne peinliche Mätzchen: Daran hat auch die stilsichere Kameraarbeit von Alexander Fischerkoesen ihren nicht geringen Anteil, die das Geschehen in atmosphärischen, kühlen grau-blauen Bildern einfängt, die das Verhängnis von Anfang an andeuten.“ Nicht zufrieden ist dagegen Viola Schenz (SZ): „Der Film (arbeitet) mit bewährten Klischees, der Lover blickt immer recht diabolisch, und die Wohlhabenden residieren wie meistens im Öffentlich-Rechtlichen in einem dieser kastenförmigen, kühl-modernen Domizile mit viel Grau und Glas und moderner Kunst.“

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.

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