In einer der gar nicht so wenigen deutschen Fernsehserien, die jetzt für 2016 gedreht werden, geht es um die "Berliner Politszene" und "den scheinbar aussichtslosen Kampf" einer Kandidatin der CDP gegen den Amtsinhaber von der SDU.
Im Berlin von 2015 regieren CDP und SDU gemeinsam, das ganze Land sogar auch noch, und haben gestern ihre neuen Pläne für die alte Vorratsdatenspeicherung vorgestellt. "Es ein rechtsstaatliches Trauerspiel, das in seiner steten Wiederholung nicht besser wird: immer dieselben Argumente, immer dieselben vergeblichen Versuche, die flächendeckende und anlasslose Speicherung von Daten angeblich grundrechtsverträglich und verfassungskonform zu regeln", stimmt Heribert Prantl, Harold Ramis (bzw. die Kinofilmtitel-Eindeutscher, die in den 1990ern noch aktiv waren) sowie und Carl Maria von Weber zitierend, auf der SZ-Meinungsseite an.
Die Kommentatoren der Medien holen ihre gespeicherten Argumente dafür und dagegen auch wieder hervor. "Speichern für die Freiheit" schmettert Reinhard Müller vorn von der FAZ und bringt mit "Digitaler Wandel kann ja wohl nicht heißen, dass alle profitieren - nur nicht die deutschen Strafverfolger und Behörden, die im Dienste der Bürger ihre Arbeit tun" immerhin ein vergleichsweise pragmatisches Argument.
Während, was die CDP wollte, in diesem Fall mal konstant geblieben war, gilt der inneren Dramatik in der SDU besondere Aufmerksamkeit. Zeit.de vollzieht die Wandlungen nach. "Die SPD ist eine Law-and-Order-Partei oder hat Angst, nicht als solche wahrgenommen zu werden", klagt Christian Rath in der TAZ (nicht ohne Kompromissbereitschaft beim IP-Adressen-Speichern durchscheinen zu lassen). Und dass der Bundesjustizminister so up to date ist, dass er "twittert, bevor er spricht", hat der Deutschlandfunk dann auch getwittert.
"Richtige Richtung", denn "Hardcore-Ermittler hätten mehr gewollt", bezieht Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) Stellung in der Mitte: "Fürchten kann man sich vor vielem. Davor nicht."
Doch, wendet netzpolitik.orgs Markus Beckedahl ein und das pragmatischste Argument an:
"Während außerhalb der Politik-Bubble überall die strukturellen Probleme der IT-Sicherheit Thema sind, fällt der Koalition nicht anderes ein, als die kommerziellen Anbieter dazu zu verpflichten, Datenhalden aller alltäglichen Transaktionen anzulegen und ein bisschen 'Du, Du!' zu rufen, falls die Unternehmen für die Datensicherheit später nicht sorgen können oder wollen."
Insgesamt sei
"unklar, ob das eine Strategie zum Austesten der Öffentlichkeit ist oder nur einfach Verpeilung."
[+++] Überhaupt geht es hoch her in der Netzpolitik. Mit dem nun angekündigten Vorgehen der EU-Kommission gegen den US-amerikanischen Google-Konzern kehrte gleich noch ein schon oft diskutiertes und kommentiertes Thema auf die Agenden zurück.
Auch hier verlaufen die Meinungsfronten komplex. Von einem "wichtigen Schritt für die Medienfreiheit" sprechen die deutschen Verlegerverbände, deren trister Eindruck beim Argumentieren hinlänglich bekannt ist. Im Kleingedruckten ist mit der Forderung "Sicherung von Suchmaschinenneutralität" dann ein Argument notiert, das Überzeugungspotenzial besäße. Aktuell wohl am wortgewaltigsten erläutert Torsten Fricke im heute.de-, also zdf.de-Interview, warum noch mal Google eben keineswegs nur nützliche Infrastruktur ist:
"Google ist nicht nur eine Suchmaschine, sondern ein riesiges Netzwerk aus Hunderten Firmen, die sich gegenseitig pushen und die Konkurrenz ausschalten. Der Konzern missbraucht aber nicht nur in der Wirtschaft seine Macht, sondern manipuliert im großen Stil Meinungen oder sogar Wahlergebnisse",
sagt der Autor eines aktuellen Buchs, der als ehemaliger "Medien-Trainer am Joint Warfare Centre der NATO" sicher auch keines Antiamerikanismus verdächtig ist. Außerdem ist
"Google ... ja auch Deutschlands größtes Medienunternehmen",
zumindest wohl, wenn man ARD und ZDF nicht als solche betrachtet.
Wo, durchaus überraschend, eine skeptische Position zum "völlig politisierten" EU-Verfahren gegen Google bezogen wird: vorn auf der FAZ. Werner Mussler kommentiert dort, "dass das Wettbewerbsrecht nicht dafür taugt, andere politische Ziele wie den Datenschutz zu verfolgen."
Michael Hanfeld kommentiert, gewohnt Google-kritisch, erst weiter hinten auf seiner Medienseite. Wo wiederum das Verfahren begrüßt wird: bei handelsblatt.com [wofür auch ich schreibe].
"Die EU-Wettbewerbshüter unternehmen mit dem Kartellverfahren gegen Google den wichtigsten Anlauf ihrer Geschichte, um die soziale Marktwirtschaft zu bewahren",
kommeniert Chefredakteur Oliver Stock.
Und während die Süddeutsche im Wirtschaftsressort, um die Utopie einer nicht-monopolisierten Suchlandschaft mit Leben zu füllen, ins nahe Tschechien blickt ("In dem kleinen Land gibt es nämlich nicht nur Google und all seine kostenlosen Dienste wie Karten fürs Smartphone oder die Videoplattform Youtube. Dort gibt es auch eine tschechische Suchmaschine, die genauso gut Auskunft gibt wie Google. Und es gibt sogar einen noch detaillierteren Kartendienst und einen Streamingdienst, der in einer eigens produzierten Satire die tschechischen Politiker piesackt"), wurde das "klitzekleine Problem" der aktuellen EU-Initiative am deutlichsten in Österreich herausgearbeitet: "Bei näherer Betrachtung haben die konkreten Vorwürfe reichlich wenig Substanz". Zum Beispiel kenne kaum jemand "Google Shopping", das als Aufhänger für den Vorwurf, dass Google eigene Angebote bevorzugt, dient. Und:
"Ist Google die Transformation von der Such- zur Wissensmaschine erlaubt, oder ist dies anderen Herstellern wie Apple oder Microsoft mit Services wie Siri und Cortana vorbehalten? Eine künstliche Beschränkung der Weiterentwicklung für einen einzelnen Hersteller ausgerechnet mit dem Interesse der Nutzer zu argumentieren - wie es die Kommission in ihrer Begründung tut - erscheint zumindest gewagt",
findet Andreas Proschofsky im Standard.
Wobei die EU-Kommission auch ankündigte, noch "andere Geschäftsbereiche wie Google Maps (Karten) oder Reisen", zu denen es ebenfalls "Beschwerden von Wettbewerbern gegeben" hat, zu prüfen. Das berichtet die TAZ in ihrem Übersichtsartikel, der dann die ebenfalls ältere Frage wieder aufwirft, ob europäische Institutionen nicht "Wettbewerb bei den Suchmaschinen selbst" fördern müssten, um der fatalen Abhängigkeit von Google entgegenzuwirken.
"Das ist aber offenbar nicht die Richtung, in die die EU-Kommission gehen will. Ein 'europäisches Google', wie es Internet-Kommissar Günther Oettinger gefordert hatte, ist kein Thema mehr",
schreibt sie.
"Brauchen wir eine 'gEUgle' - also eine eigene EU-Suchmaschine?",
fragt indes, schon am Wortspielchen-Nerv gut erkennbar, die Bild-Zeitung EU-Kommissar Günther Oettinger, der aber tatsächlich nicht mit "Ja" antwortet.
Vielleicht, weil Springer ausnahmsweise einmal mit gutem Beispiel vorangehen möchte, ist der Link zum Artikel über die französische, nun auch auf deutsch vorliegende neue Suchmaschine qwant.com in den vielen bunten bild.de-Randspalten neben dem Oettinger-Interview gar nicht besonders prominent, eher etwas versteckt platziert. Das könnte freilich auch damit zusammenhängen, dass die fürs Interview zuständigen Redaktionsmanager in der Meldung gar nichts von der 20-prozentigen Springer-Beteiligung lesen konnten.
Wieauchimmer, auf die ersten Blicke und Klicks ist dieses Qwant gar nicht ganz übel. Weitere Tipps, wie "ein digitales Leben ohne Google ... möglich" ist, gibt die TAZ (ohne Qwant zu nennen ...).
[+++] "'Monitor' war für das Fernsehen, was der 'Spiegel' in seinen besten Zeiten für die Presse darstellte ..." (faz.net).
Um Nachrufe auf Klaus Bednarz geht's noch weiter unten. Zuvor muss es noch um den Spiegel gehen, dessen große Zeit also, wie Michael Hanfeld so elegant beiläufig andeutet, auch schon länger zurückliegt.
"Gerade erst beginnt an der Ericusspitze Ruhe einzukehren",
schrieb Ulrike Simon im Initial-beitrag zur jüngsten Spiegel-Aufregung (nicht etwa im Madsack-Newsroom, sondern bei horizont.net).
"Was wirklich dran ist an der Sache, ließ sich am Mittwoch nicht verifizieren. Keiner der bekannten Augsteins wollte zu dem Thema etwas sagen", wiegelt der Tagesspiegel etwas ab. Andererseits, Spiegel-Storys gehen immer, und oft ist ja auch ungefähr das dran, was mit den jeweiligen Plänen vertraute Personen durchsickern lassen. Jedenfalls halten viele Medienwühlmäuse für wahrscheinlich, dass der prominenteste der Erben, Jakob Augstein, seine Anteile tatsächlich loswerden will.
"Für das Nachrichtenmagazin ist dies nicht nur aus symbolischen Gründen ein Paukenschlag",
freut sich Christian Meier in Springers Welt,
"weil die Verkäufer, allen voran Jakob Augstein als Sprecher der Erbengemeinschaft, damit eine knallharte Aussage über ihre Zuversicht in die Zukunftsfähigkeit des Verlags treffen. Kurz gesagt: Sie haben keine. Von einem Verkauf zu diesem Zeitpunkt versprechen sie sich möglicherweise noch einen akzeptablen Preis."
"Einer aus dem Augstein-Clan hat keine Lust mehr auf Spiegel. Einer mit Kolumne im Heft ('Im Zweifel links') - einer, der beim Chefredakteurs-Kampf Strippen zog, den umstrittenen Nikolaus Blome als Mitglied der Chefredaktion stützte und der im Magazin wohl auch eine Rolle spielen wollte. Augsteins Wende ist auch eine Botschaft, die nicht von Zahlen handelt: Größtmöglicher Liebesentzug - zu einer entscheidenden Zeit",
formuliert es Claudia Tieschky in der SZ. Und Michael Hanfeld würde wahrscheinlich, falls zufällig er Spiegel-Anteile geerbt hätte, sie jetzt auch verkaufen. Bisschen spekulieren ist ja wohl erlaubt.
+++ "Klaus #Bednarz verkörpert für mich den Journalisten-Idealtypus. Alles andere ist Entertainment" (@TiniDo). +++ Klaus Bednarz war "ein leidenschaftlicher Mitgestalter der goldenen Zeiten des Fernseh-Magazinismus. ... Ein Fernseh-Journalist wie es ihn heute nicht mehr gibt" (Martin Oehlen im KSTA, also vom "Monitor"-Standort Köln). +++ Bednarz' "Grundhaltung" "war die des Dissidenten. Seine Aufgabe als Journalist sah Bednarz einzig und allein darin, denjenigen, die die politische Macht haben, auf die Finger zu sehen", schreibt Michael Hanfeld im auch in sich lesenswerten FAZ-Nachruf. +++ Der SPON-Nachruf ("war ein unermüdlicher Aufklärer und Provokateur") liest sich ein wenig so, als sei er schon vor dem einen oder anderen Jahrzehnt kalt verfasst worden und hätte seitdem in den Archiven geschlummert. +++ "Ein Fernsehleben, ein Kampf" lautet die Oberzeile des Tagesspiegel-Nachrufs: "Zwei Bilder haben sich dem ARD-Zuschauer eingeprägt: Der Journalist im Pullover und der Journalist im Parka - und beide gehörten genuin zu Klaus Bednarz."
+++ Der Berliner Zeitung, obwohl nun wirklich nicht internet-affin, ist es gelungen, diesen Pullover auch im Bild zu zeigen. "Wie vertraut die Öffentlichkeit mit den Auftritten des Moderators war, lässt sich auch daran festmachen, dass sie Anlass boten für manche Parodie, über die Bednarz selber lachen konnte. Denn markant waren seine irgendwie eckigen Moderationen allemal – der leicht schräg gestellte Kopf, das Klimpern der Wimpern, das Stakkato seines Vortrags. Und natürlich der Pullover. Die allermeisten Moderationen absolvierte er in blauen Pullovern ..." +++ "Als er 1983 die Leitung von 'Monitor' übernahm, war die Sendung bereits durch seine Vorgänger Claus Hinrich Casdorff und Gerd Ruge etabliert. Er hat dann mit Können und Pathos rund 1500 Beiträge verantwortet, von denen viele stark und manche ziemlich schwach waren. Einige Beiträge führten zu Werksschließungen, andere ins Nichts", schreibt Hans Leyendecker in der SZ, und würdigt außerdem: Ohne dass Bednarz "darum viel Wind machte, hat er knapp anderthalb Jahrzehnte gegen eine Krankheit gekämpft, die ihn am Ende immer mehr bedrängte. Nach seinem Abschied in Köln zog er in eine Hütte in der Nähe von Schwerin und wurde in dem Inszenierungsgeschäft Journalismus fortan kaum noch gesehen. Für einen Publizisten seiner Bedeutung war es eine Leistung, dass er sich mit den Wichtigtuereien, die manche Alte seltsamerweise bis zum Grab beschäftigen, nicht beschäftigte ..." +++ "Der Tod von Klaus Bednarz sollte jede Redaktion an die zeitlosen Werte ihres Berufes erinnern. Denn genau für diese stand dieser Journalist" (Alf Frommer, "Creative Director und Gründer der Werbe- und Ideen-Agentur fhain ideas in Berlin", bei carta.info). +++
+++ Heute um 22.45 Uhr startet bei ZDF-Neo auch schon eine deutsche Politikserie, "Eichwald, MdB". Dazu Nico Fried auf der SZ-Medienseite: Sie "ist lustig, temporeich und schildert sehr hübsch einige Machtmechanismen, auch wenn die nicht der Politik allein zu eigen sind. Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass die Macher zur richtigen Politik denselben Abstand halten wie viele Zuschauer. Vielleicht ist Satire als Darstellungsform von Politik einfach deshalb so beliebt, weil man am Ende immer sagen kann: War ja nur Spaß." +++ "Die Mini-Serie aus dem ZDF-Formatlabor Quantum orientiert sich in Setting und Handkamera-Optik an dem BBC-Vorbild 'The Thick of It' und an dessen amerikanischem HBO-Spin-off 'Veep' (beide erschaffen vom schottischen Satiriker Armando Iannucci), setzt aber unter der Regie von Fabian Möhrke stärker auf Tempo, Pointe und Gutmütigkeit. Der Humor funktioniert, weil er aus den liebenswürdig naiven Figuren (alles andere als Francis Underwood) selbst entwickelt wurde und von sehr guten Schauspielern lässig unterspielt wird. Dass man dabei nur von Witz zu Witz denkt, die Handlung also ständig wieder auf null stellt, statt größere Bögen zu konstruieren, ist die einzige Schwäche dieser sehenswerten Kurzserie über Mittelmaß in Maßanzügen" (Oliver Jungen, FAZ). +++ "Die Missgeschicke, aus denen Stuckmann die Komik bezieht, sind überwiegend trostlos simpel: Da wird aus Versehen eine wichtige Unternehmerin beleidigt oder ein Fahrradbote greift zur falschen Fracht" (Klaudia Wick, BLZ). +++ "Mit komplexerem Dramaturgiekonzept wäre ein Nachschlag ... durchaus erwünscht!" (Harald Keller, tittelbach.tv). +++
+++ Ist die Serie hier nebenan auch TV-Tagestipp? Nein, Tilmann P. Gangloff setzt auf den Degeto-Krimi "Zorn: Vom Lieben und Sterben", hat in seiner Besprechung aber ein leicht vergiftetes Lob für den Hauptdarsteller versteckt ... +++
Neues Altpapier erscheint wieder am Freitag.