Das EU-Jahr gegen Armut und Ausgrenzung 2010 steht in Polen bislang unter keinem guten Stern. Dort, wo einige der Ärmsten Regionen der Staatengemeinschaft liegen, strich die konservativ-liberale Regierung trotz hartem Winter und Wirtschaftskrise die Gelder für karitative Zwecke. Zudem hat das Arbeitsministerium sein Hauptprojekt zur Unterstützung von Obdachlosen auf unbestimmte Zeit verschoben. Offenbar gibt es Streit über die Verteilung der EU-Gelder.
"Rückkehr der Obdachlosen in die Gesellschaft"
"Die Regierung tut nicht genug, die Obdachlosigkeit wächst. Nach unseren Schätzungen zwischen drei bis fünf Prozent pro Jahr", sagt Robert Starzynski von der privaten Initiative "Monar".
Zwar läuft das Kampagnenjahr der EU offiziell schon seit der Eröffnung am 21. Januar in Madrid, doch hat Polen Probleme, sein nationales Programm umzusetzen. Am Geld allein kann es nicht liegen: Für Projekte im Rahmen des EU-Jahres gibt es offiziellen Angaben zufolge 622.000 Euro als Zuschuss aus Brüssel.
Eigentlich war vorgesehen, mit dem Hauptprojekt "Rückkehr der Obdachlosen in die Gesellschaft" die Lage der Betroffenen zu verbessern. Dass das Programm nun auf unbestimmte Dauer verschoben wurde, begründete das Arbeitsministerium mit Beschwerden mehrerer Verwaltungsbezirke. Sie hätten die unklare Verteilung der Gelder moniert. Bei dem Programm stehen Suchtentwöhnung und psychologische Hilfen für Wohnungslose im Vordergrund.
Zwischen 30.000 und 300.000 Obdachlose
Die größte katholische Hilfsorganisation, die polnische Caritas, sieht dringenden Handlungsbedarf, den Ärmsten zu helfen, so Zbigniew Sobolewski, Sekretär der Organisation. Im Oktober will der Verband auf einer Konferenz die Perspektiven der Armutsbekämpfung aufzeigen. Die katholische Organisation hilft, ähnlich wie Monar, mit dem Angebot von Unterkünften und Suppenküchen. Dafür hat die Caritas ein jährliches Budget von etwa 85 Millionen Euro zur Verfügung.
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Die Gründe für Obdachlosigkeit ähneln Experten zufolge in Polen denen anderer europäischer Länder. Psychische Probleme, der Verlust der Arbeit, Alkoholismus und immer mehr Familien, die die Miete nicht mehr zahlen können, sagt Sobolewski.
Obdachlosigkeit ist in Polen schwer zu messen, offizielle Statistiken gibt es nicht. Schätzungen schwanken zwischen 30.000 und 300.000 Personen, die auf der Straße leben.
Polnische Obdachlose reisen zunehmend in westliche EU-Länder
Leichter ermitteln lassen sich Daten zur Sozialhilfe. Fast neun Prozent der Polen beziehen diese Unterstützung, davon 80 Prozent seit über zehn Jahren. Beantragen kann eine Einzelperson die Hilfe erst, wenn ihre Einkünfte umgerechnet 120 Euro monatlich unterschreiten.
Wirtschaftsliberale geben den aus ihrer Sicht zu großzügigen staatlichen Hilfen eine Mitschuld daran, dass die Armut nicht zurückgeht. Vor allem Menschen in den strukturschwachen Regionen sähen so keinen Leistungsanreiz mehr und verließen sich auf öffentliche Unterstützung, meint der Gesellschaftsexperte Wojciech Nagel vom "Business Center Club".
Fachleute kritisieren, dass die Behörden dem Phänomen der zunehmenden Obdachlosigkeit seit Jahren nur hinterherhinken können. Es fehle den Gemeinden an Geld, um Wohnungslose mit dem Notwendigsten zu unterstützen. Da macht selbst Warschau keine Ausnahme: Dort wurde erst nach massiven Protesten der Ärzte die einzige Obdachlosenambulanz weitergeführt. Die Stadt wollte aus Kostengründen nicht länger dafür aufkommen.
Folglich reisen immer mehr polnische Obdachlose in westliche EU-Länder, um sich medizinisch versorgen zu lassen. Zum Ärger der Nachbarstaaten: Denn so manchen Wohnungslosen zog es im Anschluss an die Behandlung nicht mehr zurück in die Heimat.