„willKOMMen daHEIM“ ist auf dem Cover zu lesen. Die Aufforderung und die Einladung, nach Hause zurückzukehren. Man kann sich bei dieser Anrede wie der "verlorene Sohn" aus einer biblischen Erzählung fühlen. Man kann sich angegriffen fühlen, wenn man davon ausgeht, bereits im Schoß der Kirche "zu Hause" zu sein. Oder man lässt sich ein auf die sympathische Einladung, die Gott selbst durch Jesus immer wieder ausgesprochen hat.
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Diese Einladung, nach Hause zurückzukehren, muss in einer Sprache geschrieben sein, die die Eingeladenen ohne Probleme verstehen können. Und das war es auch das erklärte Ziel der Bibelausgabe, an der Ritzhaupt zehn Jahre lang arbeitete: "Eine Übersetzung strikt entlang dem Urtext zustande zu bringen, die trotzdem vor allem Menschen ohne jede Vorkenntnis verstehen können."
Verstehen ohne Vorkenntnisse
Schlägt man die Stellen nach, die von Luther her als besonders kantig gelten, so scheint dieses Ziel auch erreicht worden zu sein. Bei Markus 8,36 kennen viele noch den dreifachen Konjunktiv: "Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?"
Bei Ritzhaupt heißt es an dieser Stelle: "Was nützt es einem Menschen, wenn er alles gewinnt, was diese Welt zu bieten hat, dabei aber seelisch zugrunde geht? Gibt es irgendetwas, mit dem er seine verloren gegangene Seele zurückkaufen könnte?" Zweifelsfrei: Das lässt sich schon leichter verstehen. Nicht nur Bibelneulinge sind dankbar für diese Sätze, die an eigene Erfahrungen anknüpfen.
Archaische Sprachgewalt
Trotzdem wundert man sich, warum einige Passagen sich immer noch etwas knöchern lesen. Und teilweise fällt auf, dass der Text sehr nah an dem der Lutherbibel dran ist. Zum Beispiel bei dem bekannten Beginn des Johannes-Evangeliums: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Das Wort war von Anfang an bei Gott."
Die Entscheidung, hier sprachlich nicht zu glätten, sondern die bekannte sperrige Form wiederzugeben, verteidigt Ritzhaupt: "Es gibt einige Passagen im Neuen Testament, an denen darf man nicht herumbasteln oder sie zu verschönern versuchen. Gerade der Johannesprolog ist ein Text von einer solchen archaischen Sprachgewalt: den muss man so lassen. Bei besonders wichtigen Aussagen habe ich mich gerne fast eins zu eins an den griechischen Urtext gehalten. Es gibt einfach Stellen, bei denen jedes weitere Wort zu viel ist."
Gott als Vati?
Der besondere Aspekt, der Kern der Übersetzungsarbeit, liegt nach Ritzhaupts Worten im "völlig neuen Verhältnis zu Gott, unserem Vater, das Jesus uns durch seine Lehre, sein Leben und Sterben eröffnet hat und das in dem kleinen aramäischen Wörtchen 'Abba' ('Vati', 'Papa' o.Ä.) seinen geradezu revolutionären Ausdruck findet. Wer dieses Verhältnis zu Gott für sich entdeckt, ist angekommen, endlich 'daheim'".
Um der Konzentration auf diesen Aspekt noch besonderen Ausdruck zu verleihen, sind in der Bibelausgabe viele Stellen, in denen es um dieses väterliche Verhältnis zwischen Gott und Menschen geht, extra markiert. "Sie sind keine Highlights, sondern in den meisten Fällen für das Neue Testament besonders charakteristische Passagen", so Ritzhaupt im Vorwort.
Die Aufschrift etwas verloren
Gewollt ist auch, dass man diese Bibel von außen fast nicht als Bibel erkennt. Etwas verloren findet man auf dem Cover immerhin die Aufschrift "Neues Testament", aber ansonsten ist sie gestaltet wie ein ganz normales Buch. Und so soll es auch sein. Wenn die Bibel so häufig und gerne gelesen werden soll wie andere Bücher, dann muss sie auch äußerlich so auftreten. Auf die Verszählung wurde im Layout aus diesem Grund zum Beispiel völlig verzichtet.
Interessant ist auch die Zielgruppe, die Ritzhaupt vor Augen stand, als er die Bibel übersetzte: "Ich habe von Anfang an immer an Supermärkte gedacht, in denen Leute einfach mal so ein neues Neues Testament mitnehmen, ohne zu wissen, was sie da mit all den anderen Lebensmitteln in ihr Haus hineintragen. Und dann tatsächlich zu lesen anfangen ...". Es ist zu wünschen, dass dieser Traum in Erfüllung geht.
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Fazit
Die Übersetzung "willKOMMen daHEIM" von Fred Ritzhaupt lässt sich gut lesen und erlaubt so manchen frischen Blick auf altbekannte Geschichten. Sie gewinnt auch durch ihr lockeres Druckbild und kommt wie ein normales Buch, wie ein guter Roman daher. Der Untertitel der Ausgabe wirbt für "eine Übertragung des Neuen Testaments, die den Verstand überrascht und der Herz berührt". Übertrieben ist dieser Werbespruch nicht. Spaß haben werden an dieser Bibel alle, die sich gerne mit einem guten Buch aufs Sofa setzen.
Leseprobe
Eurem Vater im Himmel entgeht nichts von alledem, was ihr tut. Das gilt auch für die Art und Weise, wie ihr eure Beziehung zu Gott nach außen hin darstellt. Macht daraus keine fromme Selbstdarstellung. Manche Leute meinen, andere Menschen dadurch beeindrucken zu können, dass sie ihre Frömmigkeitsrituale in aller Öffentlichkeit praktizieren. Sie nehmen oft einige Mühen auf sich, nur weil es ihnen schmeichelt, dass die Leute sie achten. Eines aber ist sicher: Ihre Gebete werden den nicht erreichen, an den sie eigentlich gerichtet sind.
Hier ist das, was ich von euch erwarte: Sucht euch einen ruhigen, abgeschiedenen Ort, sodass ihr nicht in die Gefahr geratet, vor Gott irgendeine Rolle zu spielen. Seid lediglich vor ihm da, so einfach und ehrlich, wie es euch möglich ist. Eure Aufmerksamkeit wird sich von euch weg zu Gott hinbewegen und ihr werdet mehr und mehr seine Gnade erfahren.
Das bedeutet auch, dass ihr nicht versuchen solltet, Gott durch viele wortreiche Gebete zu beeinflussen. Das versuchen immer wieder Menschen, die von Gebet keine Ahnung haben. Ihr wist, dass ihr mit eurem Vater im Himmel redet, und der weiß besser als ihr selbst, was ihr braucht. Mit einem Gott, der euch liebt, könnt ihr sehr einfach sprechen. Etwa so:
Unser Vater im Himmel
offenbare uns immer mehr, wer du bist.
Errichte deine Herrschaft in unserer Welt;
denn wo du herrschst, da ist der Himmel.
Versorge uns mit allem,
was wir Tag für Tag zum Leben brauchen.
Vergib uns, wo wir schuldig wurden,
so wie auch wir anderen vergeben haben.
Hilf uns, wenn wir durch Versuchungen hindurchmüssen,
und sei bei uns im Kampf gegen das Böse.
Im Gebet gibt es eine Verbindung zwischen dem, was Gott tut, und dem, was ihr tut. Zum Beispiel könnt ihr keine Vergebung von Gott erfahren, wenn ihr selbst nicht bereit seid, anderen zu vergeben. Wenn ihr euch weigert, euren Teil beizutragen, dann verschließt ihr euch auch gegenüber dem, was Gott für euch tun könnte. (Matthäus 6,5-14)
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"willKOMMen daHEIM. Eine Übertragung des Neuen Testaments, die den Verstand überrascht und das Herz berührt"
Verlag: Gerth Medien (ISBN: 3865914810)
784 Seiten
Preis: 12,95 Euro
Ingo Schütz ist Diplom-Theologe und angehender Pfarrer.