Die Nachrichten müssen beunruhigen: In Ägypten werden koptische Christen während des Weihnachtsgottesdienstes ermordet, in Malaysia tobt ein Streit um die Verwendung des Namen "Allah". Indische Katholiken werden verfolgt, palästinensische Christen im Heiligen Land stehen zwischen allen Fronten, im Jemen sterben evangelikale Bibelschülerinnen aus Deutschland. Und im Irak ist die Zahl der Gläubigen seit Ausbruch des Krieges 2003 rapide gesunken.
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Die Situation von Christen in Asien oder Afrika war im Westen lange ein Randthema. Nun gibt es neue Aufmerksamkeit – nicht nur durch den 11. September, der zu einer extremen Politisierung religiöser Fragen führte und Samuel Huntingtons Theorie vom "Kampf der Kulturen" Recht zu geben schien. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) stellt eine "wachsende Sensibilität" für das Leiden von Christen in aller Welt fest – dessen Ausmaß allerdings ist noch immer nicht genügend im Blick der Öffentlichkeit.
"Wichtige Aufgabe der Kirche"
Alle Gläubigen sind aufgerufen, sich der Nöte ihrer Glaubensgeschwister anzunehmen, die um Jesu Christi Namen leiden, gefoltert oder sogar getötet werden. Die EKD tut deshalb gut daran, einen bundesweiten "Tag der bedrängten und verfolgten Christen" auszurufen. Am Sonntag ist es zum ersten Mal so weit. "Das weltweite Leiden von Christen beim Namen zu nennen ist eine wichtige Aufgabe der Kirche", heißt es in einem entsprechenden Beschluss, den die EKD-Synode vor eineinhalb Jahren traf.
Der zweite Fastensonntag, an dem der Tag künftig regelmäßig begangen werden soll, trägt im evangelischen Kirchenkalender den Namen Reminiszere (Gedenke). Die Gemeinden sind eingeladen, Gedenken und Fürbitte für bedrängte Gläubige in den Gottesdiensten einzubringen. Themenschwerpunkt ist in diesem Jahr der Irak, wo es seit 2003 einen besonders eklatanten Exodus der Christen gegeben hat. Ihre Zahl hat sich halbiert, wie EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte im Gespräch mit evangelisch.de betont.
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Mehr als ein christlich-islamischer Konflikt
Allerdings geht es nicht nur um christlich-islamische Konflikte - in Nordkorea bedroht ein aggressiver Atheismus die Gläubigen, im indischen Bundesstaat Orissa greifen extremistische Hindus zu den Waffen. Im Irak ist die innermuslimische Gewalt von Sunniten gegen Schiiten noch viel verheerender als die Christenverfolgung. Die Bombenanschläge in Bagdad, Nadschaf oder Kerbela, aber auch der Bruderzwist von Fatah und Hamas im Gazastreifen zeigen: Muslime rivalisieren um die Vorherrschaft im Nahen Osten.
Schindehütte verweist zudem darauf, dass die Bedrängung von Christen viele Formen haben kann, auch abseits der rohen Gewalt. "Wir reden nicht nur von Christenverfolgung, denn der Begriff ist zu eng." Andererseits sind keineswegs alle Christen im muslimischen Einflussbereich in Not – da und dort gibt es ein fruchtbares Miteinander. In seinem Buch "Christen in der islamischen Welt" schildert der Göttinger evangelische Theologe Martin Tamcke differenziert dieses ambivalente Verhältnis.
EKD bietet Materialhilfe an
Der Tag der bedrängten und verfolgten Christen wird dazu beitragen, das Thema zu vertiefen und neues Interesse an den Gläubigen außerhalb Europas wecken. Auf zahlreichen Internetplattformen finden sich Informationen dazu, etwa beim überkonfessionellen Hilfswerk "Open doors" oder auf einer eigenen Seite beim Evangeliums-Rundfunk. Die EKD selbst bietet eine Materialhilfe an, in der sich unter anderem Fürbittenvorschläge finden.
Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de mit Zuständigkeit für die Ressorts Religion und Umwelt.