Der Spion, der aus dem Laptop kam

Der Spion, der aus dem Laptop kam
Die Vorwürfe sind haarsträubend: Mit Hilfe von in Schul-Laptops eingebauten Web-Kameras sollen Lehrer im US-Staat Pennsylvania Schüler bespitzelt haben. Eltern eines 15-Jährigen reichten bereits Klage ein. Jetzt haben Bundesstaatsanwälte vom Lower Merion School District die Herausgabe von Dokumenten verlangt, die Licht in die Sache bringen sollen, wie die Zeitung "The Philadelphia Inquirer" berichtete. Auch die lokale Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf.
21.02.2010
Von Frank Brandmaier

Grund der Klage von Holly und Michael Robbins: Die stellvertretende Direktorin der Harriton High School habe ihrem Sohn Blake "unangemessenes Verhalten" in seinem eigenen Zuhause vorgeworfen. Laut Klageschrift legte sie als Beweis ein Foto vor, das mit der Web-Cam eines von der Schulbehörde zur Verfügung gestellten Computers aufgenommen worden sei. Der Lower Merion School District hatte der Zeitung zufolge insgesamt 2.300 der Apple-Geräte an seine Schüler verteilt, damit sie den Umgang mit der Technologie üben.

Blake Robbins gibt sich fassungslos. "Ich hätte niemals gedacht, dass man so etwas bei mir daheim machen könnte", sagte der 15-Jährige dem US-Fernsehsender CBS. Die Vize-Schulleiterin "hat gedacht, ich verkaufe Drogen, was überhaupt nicht stimmt", verteidigte er sich. "Ich glaube nicht, dass die Schule das Recht hat, Kameras im Zuhause der Kinder, in ihren Schlafzimmern zu platzieren und sie auszuspionieren", empört sich Mutter Holly.

Ferngesteuerte Web-Cams haben angeblich "Sicherheitsfunktion"

Bezirks-Sprecher Douglas Young räumt der Zeitung zufolge ein, dass die eingebauten Kameras der Computer durchaus ferngesteuert angeschaltet werden könnten - und auch wurden. Allerdings nur, um verschwundene oder gestohlene Geräte ausfindig zu machen. In den vergangenen 14 Monaten seien aus diesen Gründen die Web-Cams 42 Mal aktiviert worden, aber nie, um irgendjemanden auszuspionieren. Die "Sicherheitsfunktion" sei seit Donnerstag ausgeschaltet.

Der Bezirk gestand ein, Eltern und Schüler über die technischen Möglichkeiten nicht ausreichend informiert zu haben. "Dieser Hinweis hätte gegeben werden müssen, und wir bedauern, dass dies nicht passiert ist. Das war ein schwerer Fehler", sagte Sprecher Young dem "Philadelphia Inquirer" zufolge. Die Familie Robbins sagte zu CBS, sie hätten den Laptop nie als vermisst oder gestohlen gemeldet - also habe es auch keinen Grund gegeben, die Kamera zu aktivieren.

Die örtliche Staatsanwaltschaft untersucht unterdessen auch, ob die Schule möglicherweise gegen Abhör-Gesetze verstoßen hat. "Wir schauen, ob strafrechtliche Ermittlungen gerechtfertigt sind", sagte Bezirksstaatsanwältin Risa Vetri Ferman der Zeitung.

Unerhörte Verletzung der Privatsphäre

Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre dies ein beispielloser Fall, sagen US-Datenschützer. "Das wäre einer der unerhörtesten Fälle von Verletzung der Privatsphäre, von dem ich je gehört habe", sagte der Direktor des Datenschutz-Instituts Electronic Privacy Information Center, Marc Rotenberg, zu CBS. "Kein Mensch denkt natürlich im entferntesten an die Möglichkeit, dass Schulbezirke ihre Schüler verdeckt und aus der Ferne beobachten."

Eltern wundern sich derweil über die Idee der Schulbehörde, mit Hilfe der eingebauten Kameras verschwundene Laptops ausfindig machen zu wollen. "Sollen sie doch einen Chip einbauen", sagte Eileen Lake, die drei Kinder auf Schulen des Bezirks hat, dem "Philadelphia Inquirer". "Web-Cams sollten für diesen Zweck nicht benutzt werden."

dpa