Dass sich Vancouver aktuell frühlingshaft grün präsentiert, scherzte Ober-Olympionike Jacques Rogge, das sei doch kein Problem, schließlich handle es sich doch um grüne Spiele. Wie grün aber kann Wintersport überhaupt sein? „Wer wirklich guten Gewissens Skifahren möchte, sollte unbedingt mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen und dazu zählt nicht das Flugzeug, auch wenn das heute gerne so vermarktet wird“, sagt Andreas Güthler von Cipra Deutschland. Die Dachorganisation verschiedenster Umweltverbände arbeitet international, wacht über den Einhalt von Naturschutz-Standards in den Alpen und zeigt Alternativen auf für einen umweltverträglichen Wintersport.
Ski-Heil mit Verantwortung für die Umwelt
Wer Bus oder Bahn hört, denkt eher selten an den Skiurlaub. Dass aber die Bahn eine reelle Chance hat gegenüber dem Flugzeug, den Beweis treten gerade ein paar Briten an und motivieren ihre Landsleute zum Wechsel auf die Schiene. Und das zu einer Zeit, wo die Fliegertickets von der Insel immer günstiger werden. Ein Initiator der Internet-Plattform www.snowcarbon.co.uk heißt Daniel Elkan. Irgendwann habe er keine Lust mehr gehabt auf die ewige Warterei auf Flughäfen inklusive Extra-Kosten für die Skiausrüstung, erzählt er und wagte den Versuch mit der Bahn. Der Rest ist Geschichte und wer auf der Homepage noch vergeblich nach einem Skiresort in Deutschland sucht, wird vielleicht im nächsten Winter fündig. „Garmisch zeigte zwar Interesse, aber noch nicht in dieser Saison.“
Dabei hätte Obersdorf beste Chancen für die Liste, denn dort wird schon seit ein paar Jahren der Fremdenverkehr über die Schiene abgewickelt und Busse betrieben mit Brennstoffzellen bringen die Skifahrer zu den Bergbahnen. Ski-Heil mit einem hohen Maß an Verantwortung für die Umwelt. Wie viel davon genau in den europäischen Skigebieten existiert, das publiziert das französische Portal www.mountain-riders.org. Zwar basieren die Daten auf den Angaben der Resorts, doch erfährt der Leser dort einiges über Bio-Kläranlagen im Dorf, Solaranlagen auf Berghütten oder Wärmepumpen in Talstationen. Allerdings fehlen auch hier deutsche Teilnehmer.
Wasser marsch für fröhliche Flocken
Ein potentieller Kandidat könnte die Ferienregion Achental im Chiemgau sein. Dort haben sich sieben Gemeinden zusammen getan und auf den sanften Tourismus auch im Winter spezialisiert. „Unser Konzept wird besonders von Familien gut angenommen, die eben nicht jeden tag auf die Piste wollen, sondern gerne einmal rodeln gehen oder eine geführte Winterwanderung machen“, sagt Wolfgang Wimmer. Er ist der Geschäftsführer des Ökomodells und wenn die Gäste des Tals doch mal auf die Piste möchten, dann bringt ein Bus sie zur Steinplatte nach Reith im Winkel.
„Die Bahn wird für die Wintersportler noch attraktiver, wenn sie vor Ort gleich Ski leihen können und nicht die komplette Ausrüstung mitschleppen müssen – was heute sowieso kaum noch jemand macht, wenn er ein- oder zweimal im Jahr auf die Piste geht“, sagt Andreas Güthler von der Cipra. „Und wenn Skifahren, dann empfehlen wir besonders die kleine Familien-Skigebiete, die nicht so brutal beschneit werden“. Für viele schwächelnde Skigebiete verhieß der Kunstschnee die ersehnte Rettung. In den vergangenen Wintern zickte Frau Holle immer öfters, ignorierte das Bettenschütteln und dann half nur eins: Wasser marsch für fröhliche Flocken.
Schaffen eines Winterwunderlandes
Was aber kostet der Schnee, wenn er aus den feinen Düsen der Kanonen schießt? „Der Kubikmeter Kunstschnee kostet ungefähr 5 Euro, das reicht für eine Fläche von 2 bis 3 Quadratmeter Piste“, sagt Axel Döring. Der Förster lebt in Garmisch-Partenkirchen und engagiert sich im bayrischen Bund-Naturschutz. Da es in Bayern rund 700 Hektar beschneite Pisten gibt, beläuft sich die Minimal-Investition in eine funktionierende Ski-Saison auf knapp 12 Millionen Euro. Die jeder Alpinist mit seiner Liftkarte bezahlt.
Und wer finanziert die Schnee-Kanonen? Primär die private Bergbahn als Betreiber eines Skigebiets. Oder die Gemeinde. Wenn der Stadtrat das Schaffen eines Winterwunderlandes zur kollektiven Aufgabe erklärt. So zum Beispiel geschehen in der alten Olympia-Stadt Garmisch-Partenkirchen, sagt Döring. Die Stadt habe gut zwei Drittel seiner Sozialwohnungen bereits verkauft und die restlichen würden auch noch privatisiert. Soviel zu möglichen sozialen Kosten.
Und die Natur zahlt auch ihren Preis. Denn das Errichten einer modernen Skipiste durch den Wald gleicht heute immer mehr dem typischen Straßenbau: Das Innere der Trasse wird perfekt verkabelt mit Stromleitungen für Schnee und Flutlicht, unterirdische Rohre transportieren das Wasser aus extra angelegten Speicherseen. Sobald die künstlichen Flocken eine Schicht bilden von 30 Zentimetern Dicke, planieren Pistenraupe die weiße Bahn und fertig ist die nächste Abfahrt.
Aus Sicht des Naturschutzes
Wer dann aber wirklich darauf abfährt, das sei noch die Frage, sagt Döring. Denn wie viele Skigebiete habe auch Garmisch einen Höhenproblem: „Das Skigebiet liegt mit 700 bis 1650 Metern relativ tief. Wenn zukünftig weniger Schnee fällt, weil die Temperaturen generell steigen und die Energiepreise ebenfalls, werden die Kosten für den Skibetrieb immens steigen.“ Und das Thema des alpinen Skifahrens erledigt sich von allein, weil es sich kaum noch jemand leisten kann.
Bleibt die Variante des Skibergsteigens oder Tourengehens. Beinahe das Idealbild vom Menschen in der winterlichen Natur. Aber eben nur beinahe, nachdem Döring die Situation aus Sicht des Naturschutzes präsentiert: „Da laufen Menschen durch eine Wildnis, wo sie die Tiere stören. Da ist ein sehr sensibles Thema.“ Zudem bringen sich Tourengeher oder Tiefschnee-Fahrer oft selbst in Lebensgefahr, die österreichische Bergrettung meldet allein für diesen Winter schon 38 Lawinentote. Dann doch lieber temporär ab auf die Piste, ab nächster Saison gibt es passend dazu den ersten Ökoski made in Germany aus dem Hause Völkl. Ski Heil.
Stefan Becker ist freier Journalist und lebt in Insbruck.