Stolz ist er schon. "Total stolz", um genau zu sein. Denn Roland Schüren, Bäcker aus Hilden bei Düsseldorf, hat in den vergangenen Monaten einiges in seinem Betrieb umgestellt. Und in ein neues Energie-System investiert. Nun kann er unabhängig vom Gasmarkt arbeiten. Denn die beiden neuen Biomasse-Brenner – eine Spezialanfertigung, die die alten Gasöfen ersetzt haben – versorgen nicht nur seine zwölf Backöfen, sondern auch die Raumheizung, die Spülmaschine und sorgen für Warmwasser. Die Hälfte seiner Energiekosten konnte er so senken. Das schafft Schüren, indem er Holzpellets verfeuert – und einen Teil seines Altbrotes.
Entscheidung fiel schwer
Aber darf man das? Brot verfeuern, um daraus etwas Neues zu machen? Zuerst hat Schüren der Gedanke widerstrebt, denn was man "mit seinen Händen herstellt, will man nicht wegschmeißen und schon gar nicht verfeuern. Erst recht nicht, wenn es sich um Nahrungsmittel handelt." Auch als er den Entschluss gefasst hatte, musste er weiter darüber nachdenken. "Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht".
Angefangen hat alles im Frühjahr 2008, als Schüren Besuch vom Energieberater bekam. Zufällig schaute der aus dem Fenster. Dort holte gerade ein Tierfutterhersteller einen Container mit Altbrot ab. "Wissen Sie eigentlich, dass das einem Wert von 900 Litern Heizöl entspricht?", fragt der Berater. Daraus entstand eine Idee: Warum nicht das alte Brot zum Beheizen der Backöfen nutzen? Eine Spezialanfertigung wurde in Auftrag gegeben, im Januar 2010 konnte es mit dem bundesweiten Pilotprojekt endlich losgehen. Tatsächlich werden die Brenner nur mit rund 30 Prozent alten Backwaren befeuert – übrigens nur Brot und Brötchen, Teilchen können nicht verbrannt werden – den Rest machen Holzpellets aus.
1,1 Millionen Euro kostet das neue Energie-System inklusive Brenner. Geld, das Schüren in spätestens zehn Jahren wieder reingeholt haben will. Aber nicht nur das Wirtschaftliche ist Schüren wichtig. Ein weitere Aspekt: die Umwelt. "Mit den neuen Brennern senkten wir den CO2-Ausstoß um 91 Prozent." Dazu tragen neben den neuen Biomasse-Brennern auch ein Kühl- und ein Wärmerückgewinndungs-System bei.
Brot nimmt besondere Stellung ein
Zu Beginn bekam Schüren einige Beschwerden von Kunden. Auch Kirchengruppen, denen er bei einem Besuch in der Backstube seine Idee erzählte, äußerten Bedenken. Gerade im christlichen Glauben nimmt Brot eine besondere Stellung ein: "Wir bitten im Vater Unser um unser täglich Brot, Jesus bricht das Brot mit seinen Jüngern", sagt Frank Weber, Superindentent des Kirchenkreises Düsseldorf-Mettmann: "Auch historisch hat das Brot eine besondere Bedeutung. Denn in unseren Gemeinden leben viele Menschen, die noch miterlebt haben, dass das Brot knapp war. Da macht es schon nachdenklich, wenn man hört, dass ein Bäcker sein Brot verbrennt."
Rund acht Prozent Altbrot fallen bei Schüren an, damit liegt er noch unter dem Schnitt, der laut WDR bei rund zwölf Prozent liegt. Bäckereiverbände wollten diese Zahl nicht bestätigen. Eine Sprecherin des Zentralverbandes des deutschen Bäckerhandwerks erklärt aber, was mit dem Restbrot in der Regel passiert: Häufig werden die Backwaren am nächsten Tage zu reduzierten Preisen verkauft. Dann geht vieles an Tafeln und an Tierfutterhersteller. Hinzu kommt ein kleiner Anteil, der weiterverarbeitet wird, zum Beispiel zu Paniermehl. Auch bei Schüren ist das der reguläre Weg. Nur gibt er nun nicht mehr so viel Brot für Tierfutterverarbeitung ab. Stattdessen nutzt er es zum Beheizen der Brenner. "Der Anteil an Brot, den die fünf Tafel in unserem Raum bekommen, ist gleich geblieben."
Produktion schwierig zu kalkulieren
Auch Superintendent Weber hat sich schlau gemacht, was in anderen Bäckereien mit der nicht verkauften Ware passiert: Was nicht verfüttert wird, landet auf dem Müll. "Da ist es doch intelligenter, das Brot zu verbrennen als es einfach nur wegzuschmeißen." Für ihn ist das Problem nicht so sehr das des Brot-Verbrennens: "Wir erwarten, dass alles täglich frisch ist. Ich glaube, das grundsätzliche Problem ist der gesellschaftliche Umgang mit Lebensmitteln."
Schüren wäre es am liebsten, wenn er gar keine Überproduktion mehr hätte. Aber es sind viele Faktoren, die das unmöglich machen. Einerseits die Kunden, die auch in den Abendstunden noch Auswahl erwarten. Andererseits sind es Faktoren wie das Wetter oder Gehälter, die Einfluss nehmen. Die hat der 43-jährige Bäcker und Betriebswirt zwar mit einkalkuliert, kann sie aber nie zu 100 Prozent vorhersehen.
Vor einigen Jahre kam die Diskussion um "Heizen mit Weizen" auf, gegen die sich auch die evangelische Kirche wehrt. Dabei geht es um Getreide, das eigens angebaut wird, um als Energielieferant zu dienen. Auch Schüren wehrt sich gegen den Vergleich: "Ich verwende das, was sowieso da ist." Superintendent Weber sieht es ähnlich: Natürlich lasse ihn der Gedanke, dass Brot verbrannt würde, erst einmal zusammenzucken. Aber das hier sei doch etwas anderes. "Denn bei Schüren ist das Altbrot ja schon vorhanden und wird nicht extra produziert." Im Gegensatz zu den Medien, die ein reges Interesse an Bäcker Schüren und seine Art, Energie zu gewinnen, zeigten, interessierte die Gemeindemitglieder das Thema nicht. Weber jedenfalls hat keine Beschwerden bekommen: "Für uns ist das Thema durch", sagt er.