Restaurierte Version: Neuer Blick auf "Metropolis"

Restaurierte Version: Neuer Blick auf "Metropolis"
Fritz Langs Stummfilmepos "Metropolis" aus dem Jahr 1927 dürfte das vielleicht bekannteste Werk der deutschen Filmgeschichte sein. Vor zwei Jahren tauchte in Buenos Aires neues Material auf, so dass "Metropolis" jetzt seine zweite Premiere in einer fast vollständigen Fassung haben kann. 83 Jahre nach seiner Ur-Aufführung wird der Film am 12. Februar in Berlin und Frankfurt in einer restaurierten Version gezeigt.
08.02.2010
Von Rudolf Worschech

Bei seiner Premiere am 10. Januar 1927 noch war der Science-Fiction-Film bei den meisten Kritikern durchgefallen. "Er verabreicht in ungewöhnlicher Konzentration nahezu jede überhaupt mögliche Dummheit, Klischees, Plattheit und Kuddelmuddel über technischen Fortschritt überhaupt, serviert mit einer Sauce von Sentimentalität, die in ihrer Art einzigartig ist", urteilte etwa der britische Schriftsteller H. G. Wells in der "New York Times".

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Dabei hatte sich die Produktionsgesellschaft Ufa bemüht, die Superlative des Films herauszustellen: zwei Jahre Drehzeit, das für damalige Verhältnisse ungeheuer hohe Budget von fünf Millionen Reichsmark, Zehntausende Komparsen, 620.000 belichtete Meter Negativmaterial.

"Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein"

Bilder der Zukunftsstadt aus Langs Film finden sich als Zitate oder Anverwandlungen in Science-Fiction-Filmen wie "Batman", "Das fünfte Element" oder "Blade Runner" wieder. Aber als ganz konkrete Vision der Zukunftsstadt hat "Metropolis" von Lang und seiner Drehbuchautorin und Ehefrau Thea von Harbou versagt.

Oben befindet sich in der Filmstadt die Sphäre der Reichen und der Verwaltung, unten die der Arbeiter mit ihrem Wohnbereich und den Maschinen, die sie bedienen. Eine Verbindung schafft nur Freder, der Sohn des Industriemagnaten und Herrschers über Metropolis, Joh Fredersen. Nachdem er Maria begegnet ist, einem Mädchen aus der "Unterwelt", macht Freder sich auf die Suche nach ihr. Aus Mitleid, aber auch aus Liebe zu Maria tauscht er mit einem Arbeiter die Kleider und übernimmt dessen Job.

Er folgt den Arbeitern am Ende des Tages und steigt mit ihnen in ihre Wohngebiete hinab, wo sie geheime Versammlungen abhalten. Industriemagnat Fredersen bekommt das mit und beauftragt den Erfinder Rotwang, einen Maschinenmenschen mit dem Antlitz von Maria zu bauen, um die Massen zum Aufruhr zu verführen.

Als die Arbeiter die Maschinen attackieren und eine Überschwemmung der Unterstadt droht, retten Freder und die echte Maria eine Gruppe von Kindern. Die Arbeiter verbrennen die falsche Maria auf dem Scheiterhaufen, Architekt Rotwang kommt beim finalen Showdown mit Freder auf dem Dach des Doms ums Leben. Vor den Türen der Kirche reichen sich Joh Fredersen und der Vorarbeiter Grot die Hände, und ein Zwischentitel erscheint: "Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein."

Stilprägend: Alchimist Rotwang und sein Laboratorium

Auf der Handlungsebene bleibt "Metropolis" ein Boulevardstück, eine Illustriertengeschichte, als die der von Thea von Harbou verfasste Roman ja auch zunächst erschienen war. Harbou hat sich vielfach literarisch bedient, und dieser Eklektizismus ist vielleicht ein Grund, wieso "Metropolis" jenseits von Kitsch und Sentimentalität heute noch faszinieren kann: Wie ein Schwamm saugt der Film vieles von dem auf, was das 20. Jahrhundert prägte oder wovor das Jahrhundert sich fürchtete - in einem Ineinander aus Moderne und Archaik, Erfindungen und Zitaten, Fortschrittlichem und Reaktionärem.

Kein anderes Architekturdetail des Films, obwohl es nur wenige Sekunden sichtbar ist, dürfte so viele Nachahmer gefunden haben wie der "Neue Turm Babel" der Oberstadt - das Hochhaus, in dessen höchsten Stockwerken Joh Fredersen gottgleich seine Herrschaft ausübt. Noch in der Gegenwart war es Vorbild für Wolkenkratzer etwa in Berlin und Frankfurt.

Stilprägend war auch die Figur des Erfinders und Alchimisten Rotwang und sein Laboratorium, Archetyp für viele verrückte Wissenschaftler. Und die Roboter-Maria, die durch Rotwangs Künste zum menschenähnlichen Wesen wird, fungierte als Prototyp für Filmandroiden von R2-D2 bis zum Terminator. Ihre Transformation ist immer noch einer der suggestiven Höhepunkte des Films.

Ein anderer Blick auf "Metropolis"

In der Fassung, die am 10. Januar 1927 Premiere hatte, der sogenannten "Premierenfassung" mit ihren mehr als 150 Minuten, ist "Metropolis" nur einige Wochen in Berlin gelaufen. Man nimmt an, dass gerade mal 15.000 Menschen diese Version gesehen haben, die die Filmarchivare bis heute als das "Original" ansehen. Und diese Fassung galt als verloren.

Mit der argentinischen Kopie nun konnte die Premierenfassung bis auf wenige Minuten rekonstruiert werden. Zwei fehlende Szenen sind komplett wieder aufgetaucht. Und durch den Vergleich mit dem argentinischen Material hat sich auch der Rhythmus des Films verändert. Anke Wilkening, die den Film im Auftrag der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung restauriert, hofft: "Durch die Rekonstruktion haben wir die Möglichkeit, einen anderen Blick auf "Metropolis" zu werfen."

Die Deutsche Kinemathek in Berlin zeigt seit dem 21. Januar 2010 eine Sonderausstellung zur rekonstruierten Urfassung des Science-Fiction-Klassikers. Gezeigt werden zahlreiche Originaldokumente. Darunter sind Drehbuchseiten, mehrere Hundert Werkfotos, Requisiten und filmtechnische Geräte.

epd