Weil Energie alle angeht: Das Wissenschaftsjahr 2010

Weil Energie alle angeht: Das Wissenschaftsjahr 2010
"Die Zukunft der Energie" hat sich die Initiative Wissenschaftsjahr für 2010 als Thema gesetzt. Was hat es damit auf sich? Ein Anruf bei Regina Palkovits, Forschungsgruppenleiterin am "Institut für Kohlenforschung" und Themenbotschafterin des Jahres der Energie.
27.01.2010
Die Fragen stellte Ulrich Pontes

evangelisch.de: Sie sind Themenbotschafterin für das Jahr der Zukunft der Energie. Gleichzeitig arbeiten Sie am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung - das klingt nun eher nach Vergangenheit der Energie.

Dr. Regina Palkovits: Das ist ein historischer Name: Das Institut wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in Mülheim gegründet. Daran beteiligt waren auch Industrieunternehmen der Region - und wir sind hier im Ruhrgebiet ... Aber wichtig ist zu beachten: es heißt im Institutsnamen nicht Kohleforschung, sondern Kohlenforschung, so dass damit die Forschung auf dem Gebiet der Kohlenstoffverbindungen gemeint ist. Das Institut ist aber stolz auf seine Geschichte und damit den Namen, der als Marke in der Welt bekannt ist, daher ändern wir ihn nicht.

evangelisch.de: Es geht also nicht nur um Stein- und Braunkohle?

Palkovits: Nein, damit beschäftigen sich nur noch einige wenige Wissenschaftler.

Stroh und Holz als Ersatz für Erdöl


evangelisch.de: Und Sie?

Palkovits: Ich befasse mich mit Aspekten erneuerbarer Energien, nämlich der Nutzung von Biomasse - und da speziell mit Materialien, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungskette stehen, wie Stroh, Holz und andere Pflanzenreste. Ziel ist, daraus Materialien für den täglichen Gebrauch zu machen: Wie kann man langfristig etwa Kunststoffe oder einen Teil der Treibstoffe aus Biomasse herstellen, die bisher alle aus fossilen Rohstoffen, vor allem Erdöl, gewonnen werden. Wobei klar sein muss, dass wir auch nicht die komplette Biomasse für Energie nutzen können, weil wir damit in Bezug auf die Klimaerwärmung nicht weiterkommen und zudem nur einen geringen Teil unseres gesamten Energiebedarfs abdecken könnten. Unser Thema hier ist speziell die Entwicklung von Katalysatoren. Das sind Hilfsstoffe, die für energieeffiziente Prozesse sorgen - also dafür, dass man für die Umwandlung von Stoff A in Stoff B beispielsweise nicht ein paar hundert Grad braucht, sondern vielleicht nur 50 Grad.

evangelisch.de: Weil die Umwandlung von Biomasse in die gewünschten Produkte auch erst mal Energie braucht.

Palkovits: Genau, da muss man normalerweise viel Energie reinstecken. Wenn man einen geeigneten Katalysator entwickelt, braucht man viel weniger Energie für den gleichen Prozess.

CO2, Mobilität und Spaß an der Forschung


evangelisch.de:
Okay, das klingt schon eher nach "Zukunft der Energie". Was ist eigentlich, in Kürze, der Sinn und Zweck dieses Wissenschaftsjahres?

Palkovits: Wir wissen ja alle, dass das Thema Energie eine gesellschaftspolitische und klimapolitische Herausforderung darstellt. Das Jahr der Energie soll deshalb einem breiten Publikum die Möglichkeit geben, Einblick in die damit verbundenen Fragestellungen zu gewinnen - aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Energie beinhaltet ja viele Aspekte: die Bereitstellung von Energie. Die Frage, wie können wir das in Zukunft CO2-neutral machen, um den Treibhauseffekt nicht weiter voranzutreiben. Wie können wir Energie für alle zugänglich machen, auch in abgelegenen Gegenden. Wie können wir sie speichern. Welche Alternativen gibt es zur heutigen Mobilität, die ja großenteils auf fossilen Energieträgern beruht? Wie gehen wir mit dem weltweit steigenden Energiebedarf um? Dazu kommt, dass wir natürlich auch beim Nachwuchs Spaß an der Forschung wecken möchten. Im Bereich Energie kommen ja so viele Facetten zusammen, dass jeder einen interessanten Themenbereich finden könnte, um mitzuarbeiten.

evangelisch.de: Daraus erklärt sich auch Ihre Motivation, beim Jahr der Energie mitzuarbeiten?

Palkovits: Ja, das ist zumindest ein Aspekt. Außerdem halte ich Energie für ein unheimlich wichtiges Thema, mit dem sich die breite Öffentlichkeit mehr auseinandersetzen muss. Es soll ja auch Transparenz entstehen, die Forschung soll nicht nur im Elfenbeinturm stattfinden, sondern die Leute sollen auch verstehen, worum es in unserer Arbeit geht und was der Sinn dabei ist.

evangelisch.de: Die breite Öffentlichkeit darf also Ihr Labor stürmen, da Sie Themenbotschafterin sind?

Palkovits: Auf der entsprechenden Homepage stehen meine Kontaktdaten, und beispielsweise für Schulklassen wird es Angebote von unserem Institut geben, hier Besichtigungen zu machen - nicht nur bei mir, ich bin ja nicht die einzige Wissenschaftlerin hier aus dem Bereich Energie. Zum anderen werden wir auch aktiv bei zentralen Veranstaltungen des Jahres der Energie: Zum Beispiel werden wir beim Wissenschaftssommer mit einem Stand vertreten sein. Auch an der Ausstellung der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen sind wir beteiligt. Und dann gibt es ja noch einen Werbefilm und ein Plakat, auf dem ich zu sehen bin.

Von Gesellschaftspolitik bis zu smarten Stromzählern


evangelisch.de:
Der Durchschnittsbürger, der kein Naturwissenschaftler ist, fragt jetzt: Gut, vielleicht sollte ich zum Ökostromanbieter wechseln - aber Katalysatoren und die ganze Chemie ist mir doch ziemlich fern. Muss ich mich dafür jetzt interessieren?

Palkovits: Nein, damit muss sich niemand auseinandersetzen – schön wäre es natürlich trotzdem. Aber die Angebote sind so breit gefächert, dass ich denke, dass gerade in diesem Jahr für jeden etwas dabei ist. Das muss nicht tief wissenschaftlich sein, sondern kann sich etwa auch auf die gesellschaftspolitischen Aspekte konzentrieren. Oder auf ganz praktische Hilfen wie diese smarten Energie-Messgeräte, die einem zuhause genau zeigen, was wie viel Strom verbraucht - ich denke, das ist für jeden relevant, zu sehen, wo fließt die ganze Energie eigentlich hin, wo kann ich persönlich etwas sparen. So gibt es eine Vielzahl von Angeboten, Veranstaltungen und Info-Möglichkeiten im Internet. Jeder kann für sich das Passende herauspicken.

evangelisch.de: Nun ist es ja für eine Wissenschaftlerin vermutlich ein ungewöhnlicher Schritt, sich so weit aus dem Elfenbeinturm herauszuwagen, sich auf Plakaten abbilden und seine Kontaktdaten veröffentlichen zu lassen. Haben Sie schon Erfahrungen in diese Richtung, oder wie kamen Sie dazu?

Palkovits: Es ist noch sehr spannend, was daraus wird. Ich folge hier dem Vorbild meines Chefs, der sich unheimlich stark für Öffentlichkeitsarbeit einsetzt. Um junge Leute an Naturwissenschaften heranzuführen, muss man auch sichtbar sein - dieses Risiko muss man eingehen. Leute kann man normalerweise nicht über hehre wissenschaftliche Texte begeistern, sondern nur, wenn man sie in irgendeiner Form persönlich erreicht.
 

Zur Person

Dr. Regina Palkovits ist studierte Chemieingenieurin, Leiterin einer Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr und ist im Jahr 2008 mit dem GKSS-Preis der Helmholtz-Gesellschaft für "Verständliche Wissenschaft" ausgezeichnet worden.

Zum Wissenschaftsjahr

Mit einer Veranstaltung im Beisein von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) hat das Wissenschaftsjahr "Zukunft der Energie" am 26. Januar offiziell begonnen. Geplant ist eine Vielzahl von Veranstaltungen; unter anderem soll ab Mitte Mai das Ausstellungschiff "MS Wissenschaft" touren und im Juni ein großer "Wissenschaftssommer" in Magdeburg stattfinden. Neben dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sind Wissenschaftsverbände Träger der Initiative.


Ulrich Pontes hat Physik studiert ist Redakteur bei evangelisch.de