Die Konfliktlinien sind gezogen: Zwischenbilanz aus Kopenhagen

Die Konfliktlinien sind gezogen: Zwischenbilanz aus Kopenhagen
Auf der Kopenhagener Klimakonferenz verleihen Umweltschützer täglich das "Fossil des Tages". Gebrandmarkt wird, wer bei den Verhandlungen negativ auffällt. Auch Deutschland stand bereits am Pranger: Wegen der geplanten Anrechnung von Klimahilfen an die armen Länder auf die Entwicklungshilfe-Quote.
11.12.2009
Von Stefan Fuhr

Völlig unbeeindruckt davon gehen die Delegierten im Kopenhagener "Bella Center" ihrem Tagwerk nach, liefern sich Verbal-Scharmützel, lancieren umstrittene Vertragsentwürfe und ärgern sich mit Verfahrenstricks. Die erste Konferenz-Woche haben die Akteure vor allem genutzt, um sich in Stellung zu bringen und die Konfliktlinien zu ziehen.

Echte Bewegung ist erst möglich, wenn die Umweltminister der 192 Teilnehmerstaaten am Mittwoch zu den Verhandlungen dazustoßen und die heiße Phase beginnt, das "High-Level-Segment". Dann - zum Abschluss am 18. Dezember - treten die Mächtigen der Welt in den Ring: US-Präsident Barack Obama, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der chinesische Regierungschef Weng Jiabo und hundert weitere Staats- und Regierungschefs.

Tägliches Geplänkel zwischen USA und China

Zum täglichen Ritual seit Beginn der Konferenz mit 15.000 Teilnehmern gehört das Geplänkel zwischen China und den USA, den beiden großen Klimasündern. Washington verlangt kategorisch, dass Peking den chinesischen CO2-Ausstoß bremst und sich dazu auch vertraglich verpflichtet. Auch die EU fordert das. Für US-Unterhändler Todd Stern ist es eine "Frage der Mathematik", dass der Kampf gegen die Erderwärmung ohne den derzeit größten Kohlendioxid-Produzenten weltweit nicht zu führen ist.

Die Chinesen jedoch machen eine andere Rechnung auf. Sie zählen die Emissionen seit Beginn der Industrialisierung zusammen oder verweisen auf den horrenden Pro-Kopf-Ausstoß der US-Bürger. Für Peking steht allen voran die USA in der Pflicht, bei ihren Zusagen zur CO2-Reduktion deutlich draufzulegen. Und die EU beklagt, dass die Verhandler aus dem Reich der Mitte mit Verfahrenstricks eine umfassende Diskussion über die Reduktion von Treibhausgasen verhindern.

Gruppe der Entwicklungsländer streitet

Auch innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer schwelt ein Streit. Früher traten sie geeint auf, jetzt treten gegensätzliche Interessen zu Tage: Denn auch afrikanische Länder und kleine Inselstaaten drängen mittlerweile darauf, dass in Kopenhagen ein Abkommen mit verbindlichen Vorgaben für große Schwellenländer verabschiedet wird. Vor allem China und Indien blockieren derlei Vorstöße konsequent - ein Teil der Verhandlungen musste deshalb sogar ausgesetzt werden.

Ein weiteres heikles Thema: Das Geld. Welche finanzielle Unterstützung sollen die armen Länder erhalten, um den Klimawandel zu bewältigen? Hier steht die Gruppe der G-77-Entwicklungsländer noch geschlossen - sie verlangt 200 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 136 Milliarden Euro) pro Jahr. Die Industriestaaten planen dagegen zunächst einen kurzfristigen Startfonds für 2010 bis 2012 mit jährlich zehn Milliarden Dollar. Pläne für langfristige Zusagen der reichen Staaten sind noch unkonkret.

USA: Zahlen nichts an China

Auch noch geklärt werden muss, wem genau die Klima-Milliarden zugutekommen sollen. "Öffentliche Gelder aus den USA werden nicht nach China fließen", stellte US-Klimaberater Todd Stern in Kopenhagen unmissverständlich fest. Auch die EU will vorrangig den allerärmsten Staaten unter die Arme greifen.

Während das Geschehen im Konferenzzentrum also der üblichen Gipfel-Dramaturgie folgt, bereiten sich die dänischen Sicherheitskräfte in den Straßen der dänischen Hauptstadt auf verstärkte Proteste in der zweiten Gipfelwoche vor. Ausschreitungen radikaler Umweltaktivisten werden befürchtet. Bereits an diesem Samstag ist eine Großdemonstration mit mehreren Zehntausend Menschen geplant. 

epd