"Die Menschenwürde des Einzelnen im Blick behalten"

"Die Menschenwürde des Einzelnen im Blick behalten"
Verlorene Hoffnungen und Verzweiflung, aber auch Dankbarkeit und Nähe gehören für Sabine Schäferkordt zum täglich Brot. Die 27-Jährige arbeitet als Abschiebebeobachterin am Düsseldorfer Flughafen - das heißt, sie begleitet Menschen, die abgeschoben werden, bis zum Flugzeug und achtet dabei auf die Einhaltung geltenden Rechts. Ein Interview.
03.11.2009
nrw.evangelisch.de / Petra Anna Siebert

nrw.evangelisch.de: Wie wird man Abschiebebeobachterin?

Sabine Schäferkordt: Ein Berufsbild im herkömmlichen Sinne gibt es nicht. Die Stelle war ausgeschrieben für eine Fachkraft mit abgeschlossenem Studium der Sozialpädagogik, Sozialarbeit, Sozial- oder Rechtswissenschaften. Ich bin Volljuristin. Mich hat diese Stelle gereizt, weil eine solche Arbeit an der Schnittstelle vieler Bereiche für Juristinnen und Juristen selten ist.

nrw.evangelisch.de: Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Schäferkordt: Ich weiß vorher, wie viele Menschen wann wohin abgeschoben werden sollen und bereite mich darauf vor. Ab dem Moment, an dem diese Menschen am Flughafen ankommen, bis zum Abflug bin ich dabei. Ich gehe zu ihnen und spreche mit ihnen, natürlich nur, wenn sie das wollen. Da gibt es keine Regeln, das ist jedes Mal anders. Ich achte auf die Einhaltung humanitärer Standards während der Abschiebung. Und dann schreibe ich einen Bericht, den alle an der Abschiebung beteiligten Stellen bekommen.

Abschiebebeobachterin am Flughafen Düsseldorf: Sabine Schäferkordt.

nrw.evangelisch.de: Was sind Ihre Eindrücke nach den ersten drei Monaten?

Schäferkordt: Es ist ein sehr komplexes Arbeitsfeld und ich befinde mich noch in der Einarbeitungsphase. Ich habe sowohl bei staatlichen Stellen, wie zum Beispiel Ausländerbehörden und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, als auch bei verschiedenen Beratungsstellen für Flüchtlinge hospitiert. Die Arbeit ist sehr vielfältig und es ist sehr spannend mit so vielen Menschen in Kontakt zu kommen.

nrw.evangelisch.de: Hat Ihre Arbeit Ihre Sicht der Gesellschaft verändert?

Schäferkordt: Eher nicht. Ich habe mich schon immer bemüht, Sachverhalte kritisch zu hinterfragen und mich mit verschiedenen Standpunkten zu einzelnen Themen auseinander zu setzen. Für meine Arbeit ist es zum einen wichtig, einzelne Vorgänge reflektiert zu betrachten und zum anderen, die Menschenwürde des Einzelnen im Blick zu haben. Besonders während einer Abschiebung, die ohnehin eine Ausnahmesituation mit großem Stress für die betroffene Person ist, sollte dieses höchste Gut jedes einzelnen Menschen geachtet werden.

nrw.evangelisch.de: In Ihrer Arbeit gibt es kein "Happy End". Wie halten Sie das aus?

Schäferkordt: Natürlich wird man mit einer Vielzahl gescheiterter Hoffnungen und unterschiedlicher Schicksale konfrontiert, aber schlimm sind Situationen, in denen die ganze Verzweiflung der Menschen sich am Flughafen kurz vor dem Betreten des Flugzeuges entlädt, obwohl ein Großteil der Probleme bereits im Vorfeld entstanden ist. Es ist aber auch schon öfter vorgekommen, dass Betroffene mir gesagt haben, dass sie es wichtig und gut finden, dass ich diese Arbeit mache. Schön fand ich auch, als eine junge Frau sich bei mir bedankt hat, indem Sie mich zum Abschied umarmt hat. 

Weitere Informationen: diakonie-rwl.de