Büchner-Preisträger Kappacher: Ein Stiller im Rampenlicht

Büchner-Preisträger Kappacher: Ein Stiller im Rampenlicht
Er gilt als "stiller Autor". Erst mit "Selina" (2005) wurde Walter Kappacher von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Der 71-jährige Österreicher, dessen Stil oft mit dem seines Landsmannes Adalbert Stifter (1805-1868) verglichen wird, hat am Samstag in Darmstadt den renommierten Georg-Büchner-Preis für sein Lebenswerk erhalten.
01.11.2009
Von Thomas Maier

Die mit 40.000 Euro dotierte Auszeichnung gilt als die wichtigste der deutschsprachigen Literatur. Kappacher lasse "die Stille hörbar werden", urteilte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Der Autor sei ein "poetischer Realist".

In der Reihe der Büchner-Preisträger kann Kappacher auf einen der ungewöhnlichsten Lebensläufe verweisen. In Salzburg geboren und aufgewachsen, reparierte er nach der Schulzeit als gelernter Mechaniker Autos und Motorräder - "gegen den Willen des Vaters", wie Kappacher in seiner Dankesrede bekannte. Dann sattelte er nach abgebrochenem Schauspielstudium auf Reisebüro-Kaufmann um, bevor er im Alter von knapp 30 Jahren die ersten Kurzgeschichten veröffentlichte.

Unzufriedene, ratlose junge Taugenichtse

Die literarische Würdigung von Kappachers "stiller Prosa" hat auf sich warten lassen. Dem Erstling "Morgen" (1975) folgten zwar eine Anzahl von weiteren Romanen und Erzählungen. Doch erst mit "Selina" (2005) rückte Kappacher stärker ins Bewusstsein der literarischen Öffentlichkeit.

"Die Helden oder besser Taugenichtse meiner frühen Erzählungen waren mehr oder weniger etwas verschrobene junge Männer, die mit ihrem Leben unzufrieden waren, ratlos gleichzeitig, wie sie diesen Zustand ändern könnten", schilderte Kappacher nach der Preisverleihung.

Im Frühjahr dieses Jahres erschien der viel beachtete Künstlerroman "Fliegenpalast". Bisher sind rund 25.000 Exemplare davon erschienen, teilte der Residenz Verlag im österreichischen St. Pölten mit. "Nach der Zuerkennung des Georg-Büchner-Preises hat die Nachfrage nach "Fliegenpalast" deutlich zugenommen", sagte Vertriebsassistentin Raffaela Springer. "Wir sind jetzt schon bei der neunten Auflage." Dem 71-Jährigen ist jeder Rummel fremd. "Über meinen Stil denke ich nicht nach. Ich versuche Sätze zu schreiben, die mir selber gefallen", sagt der bedächtige Schriftsteller. In Kappachers Romanen geht es ruhig und unspektakulär zu - so wie der Autor selbst auch ist.

Kein Leitmotiv

In "Selina oder das andere Leben" - der Titel nimmt Bezug auf ein Romanfragment von Jean Paul - nimmt sich ein Lehrer eine Auszeit in der Toskana, um einen Bauernhof zu renovieren. Im "Fliegenpalast" steht der österreichische Dichter Hugo von Hofmannsthal im Mittelpunkt, der im fortgeschrittenen Alter im Kurort Bad Fusch vergeblich auf eine Lösung seiner Schaffenskrise hofft.

In Kappachers Romanen findet sich kein durchgängiges "Lebensthema", im Gegensatz zu anderen österreichischen Autoren - etwa dem Büchner-Vorjahrespreisträger Josef Winkler aus Kärnten. Jedes Buch ist anders, auch wenn der Schriftsteller seinem Stil treu bleibt. Immer wieder tauchen bei Kappacher, der weiterhin bei Salzburg lebt, auch autobiografische Züge auf.

Schon in seinem frühen Roman "Die Werkstatt" im Jahr 1975 hat der Autor seine Leidenschaft für den Motorsport verarbeitet. Er schildert das Leben eines Motorradmechanikers, der in den USA ein Stock-Car- Rennfahrer wird. Im Roman "Silberpfeil" (2000) kehrte Kappacher ein Vierteljahrhundert später erneut zu diesem Thema zurück. In diesem Werk recherchiert ein junger Journalist über die deutschen Silberpfeile der 30er Jahre. Dabei geht es auch um die Verbindungen des Motorsports zu Hitler und dem Nazi-Regime.


Stichwort: Georg-Büchner-Preis

Die Auszeichnung ist nach dem Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Freiheitskämpfer Georg Büchner benannt, der 1813 im Großherzogtum Hessen geboren wurde und 1837 in Zürich starb. Sie wird seit 1923 vergeben, 1951 wurde der Preis in einen reinen Literaturpreis umgewandelt. Frühere Preisträger sind etwa Erich Kästner, Max Frisch, Heinrich Böll und Martin Walser. Weiter Infos bei der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
 

dpa/epd