Neue Wege: Martin Luther als Musical-Held

Neue Wege: Martin Luther als Musical-Held
Nicht nur "Jesus Christ - Superstar" ist in einem Musical verewigt worden, sondern auch der Reformator Martin Luther. Das Frankfurter Theater "Katakombe" hat das Stück der norwegischen Autoren Oystein Wiik und Gisle Kverndokk nun auf die Bühne gebracht und will 2010 auf Tournee durch deutsche Kirchen gehen.
23.10.2009
Von Henrik Schmitz

Zugegeben: Wer nicht unbedingt ein Fan von Musicals ist, der dürfte auch mit "Martin L. - Das Luther Musical" seine Probleme haben. Wem aber etwas Kitsch, pathetischer Gesang und etwas Lockerheit im Umgang mit dem Reformator Luther gefallen, der kommt in der Inszenierung von Carola Moritz (Assistenz: Birgit Reibel) voll auf seine Kosten. Ein Stück, das vielleicht auch Menschen in Kontakt mit Luther bringt, die sonst nicht so leicht einen Zugang zu dem Reformator finden.

Das Musical zeichnet Luther Lebensweg von der Studentenzeit bis nach den Bauernaufständen nach. Machtkämpfe, Streit in der Kirch und Auseinandersetzungen mit Thomas Münzer werden thematisiert. Und weil ein Musical offenbar eine Liebesgeschichte braucht, erzählt das Stück in der ersten halben Stunde historisch nicht ganz korrekt davon, wie Luther ( Jürgen Amonath) sich in die junge Ursula (Felicia Groh) verliebt. Und vielleicht wäre aus den beiden auch ein Paar geworden, wäre da nicht dieses sagenumwobene Gewitter gewesen, das Luther dazu veranlasste Gott zu geloben, Mönch zu werden. So endet das junge Glück: Luther wird Mönch, Ursula wird Nonne.

Was folgt sind die wichtigsten Stationen aus dem Leben Luthers: Der Thesenanschlag, der Reichstag zu Worms, die Entführung auf die Wartburg und schließlich Luthers Parteinahme in den Bauernkriegen, als er den Fürsten riet, den Aufstand niederzuschlagen.


Fetzig inszeniert


Das alles ist fetzig inszeniert. Und dass als Bühne in Frankfurt die Nicolaikirche dient, tut dem von der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau mitfinanzierten Stück gut. Sie bildet einen Kontrast zu den modernen Kostümen der Darsteller, auf deren T-Shirts Slogans wie "Let me entertain you" stehen. Der Papst ist auch in der Inszenierung der Katakombe eigentlich eine Päpstin (Gabriele Nickolmann), die mit Security durch die Gänge der Kirche schreitet, geradezu vor Raffgier trieft und "Was für ein prächtiger Tag - Mit Gott im Verein sind wir stark" singt. Für echte Lacher sorgte bei der Premiere des Stückes Jan Reimnitz als Johann Tetzel, der in einer Revuenummer mit Stepptanz-Einlage für seine Ablassbriefe warb: "Steckst du voller Sünden, Mann, für 'ne Mark oder drei, bist du gleich sündenfrei, fängst noch mal von vorne an."

Anders als der Film "Luther" geht das Musical mit einigen Figuren - nicht zuletzt Luther selbst - durchaus kritisch um. Friedrich der Weise (ebenfalls Jan Reimnitz) erscheint nicht als gütiger Onkel a lá Peter Ustinov, der sich gut um Luther kümmert, sondern als knallhart kalkulierender Politiker, der im Ablasshandel des Papstes ein Konkurrenzgeschäft zu eigenen Aktivitäten sieht und Luther daher für seine Zwecke einspannt. Luther wiederum ist kein Held, als er den Fürsten empfiehlt, den Bauernaufstand niederzuschlagen. "Würgt, stecht und schlagt ihn tot! Foltert ihn, bis er verreckt. wenn so ein Bauernknecht sich hinter Christi Wort versteckt." Luthers Schattenseiten, zum Teil aber auch seine Selbstzweifel, werden in dem Stück immer wieder durch Dialoge mit der Figur des Jörg (Markus Dinhobl) thematisiert, letztlich Luthers Alter Ego. Das Stück bleibt dadurch nicht an der Oberfläche. Stets findet auch eine Reflektion dessen statt, was Luther tat und vermutlich dachte. Im Musical ist es nicht der Teufel, nach dem Luther das Tintenfass wirft, es ist Jörg, also quasi der Teufel in Luther selbst.

Eindringliches Bild


Regelrecht eindringlich erscheint dann auch das letzte Bild des Musicals. Thomas Müntzer, hervorragend verkörpert von Biagio Spatola, wird von zwei Soldaten in Tarnkleidung gefesselt abgeführt. Er trägt eine Tüte über den Kopf, das Bild erinnert an Aufnahmen aus dem Gefangenenlager Abu Graib. Das Licht geht aus, auf einer E-Gitarre ertönt das von Luther komponierte Lied "Ein feste Burg ist unser Gott."
Ziel des Stückes ist es nicht nur zu unterhalten, sondern auch Wissen über Luther zu vermitteln. Dies gelingt zu weiten Teilen. 2010 soll das Stück auf Tournee durch Kirchen in Deutschland gehen. Geplant sind schon Stationen in Wittenberg, Augburg und Fulda. Für Schulklassen hält die Katakombe Material über Luther und das Thema Reformation bereit.


Termine für weitere Aufführungen finden Sie auf der Homepage der Katakombe. Die Karten kosten 22 Euro (ermäßigt 15 Euro), Gruppen zahlen pro Person 18 Euro.