14 Augenpaare schauen konzentriert auf einen Bildschirm. Vor jedem schwebt eine Waffe, vom Messer bis zum Sturmgewehr. Es ist das Killerspiel schlechthin, das im ICC in Dresden gespielt wird: Counterstrike. Als das Licht angeht, sieht man aber auch: Die Spieler sind keineswegs die typischen Counterstrike-Spieler. Es sind Eltern, Sozialarbeiter, Pädagogen, die selbst mal in die unbekannten Weiten des Computerspielens eintauchen wollen. Sie spielen auf der Eltern-LAN.
LAN ist die Abkürzung für "Local Area Network". So nennt man untereinander vernetzte Computer. Normalerweise treffen sich auf LAN-Parties Computerspieler, die ihre eigenen Rechner mitbringen und dann einen Abend, einen Tag oder ein ganzes Wochenende miteinander spielen. Auf der Eltern-LAN bringen die Organisatoren, darunter die Bundeszentrale für politische Bildung, die Rechner mit. Und nicht nur die, denn das Konzept der Eltern-LAN umfasst auch die medienpädagogische Begleitung der Spieler und die Diskussion und Reflexion über das Erlebte.
Vor dem ersten Schuss gezögert
"Wir wollen das Thema Computerspiele versachlichen", erklärt Andreas Pauly, Sozialpädagoge am Institut Spielraum. Er führt zusammen mit seinen Kollegen die 14 Eltern durch das Programm der Eltern-LAN. Fünf Mal findet die Eltern-LAN dieses Jahr statt, hier in Dresden ist die erste. Die Eltern spielen dabei das Rennspiel Trackmania und (natürlich) Counterstrike. Das Ziel des Modellprojekts ist, dass die Eltern "eine Ahnung bekommen, was in den Leuten eigentlich vorgeht", die solche Spiele spielen.
Das geht aber nur über das Selbsterleben. Auch Alexandra Wolf, selbst Mutter und Großmutter, hat sich auf Counterstrike eingelassen, obwohl sie der Gewaltaspekt nach wie vor abschreckt. Hat sie vor ihrem ersten Schuss im Spiel gezögert? "Ja, doch, es war mir schon etwas anders." Wolf sitzt im Vorstand des Landeselternrats Sachsen und ist hier, um sich selbst ein Bild zu machen von den Themen, die Kinder und ihre Eltern täglich beschäftigen. Videospiele seien in der Gesellschaft und besonders in der Jugendkultur längst angekommen, bestätigt auch Pädagoge Pauly.
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Elternvertreterin Wolf würde allerdings nie jemandem Counterstrike empfehlen, sagt sie, denn in ihren Augen verherrlicht das Spiel die Gewalt: "Wenn man das drei Jahre lang macht, meldet man sich zur Armee und geht nach Afghanistan, und wenn man totgeschossen wird, ist es nicht mehr lustig!" Sie weiß: "Es gibt viel bessere Spiele." Und genau deshalb findet sie die Eltern-LAN gut. "Es sollte mehr solche Veranstaltungen geben, bei denen Eltern Medienkompetenz lernen", fordert Wolf. Denn wenn die Eltern nicht wissen und nicht verstehen, was ihre Kinder am Computer oder an der Spielekonsole fasziniert, können sie nicht auf Augenhöhe mitreden. Das Spielen einfach zu verbieten, bringe nichts, erzählt Wolf von ihren Erfahrungen. Diskutieren und gemeinsam Regeln setzen sei viel besser: "Es kostet zwar Nerven und graue Haare, aber es funktioniert."
Wichtig ist Vertrauen zwischen Spielern und Eltern
Vor dem ersten Schuss in Counterstrike hat auch Heidemarie Winter gezögert: "Ich bin zufällig draufgekommen und habe mich erschrocken." Für Pädagogin vom Jugendinfo-Service Dresden ist es eine völlig neue Erfahrung, in dem virtuellen Räuber-und-Gendarm-Spiel, das in Deutschland ab 16 Jahren freigegeben ist, zu versinken. "Die Atmosphäre ist ganz anders, deutlich faszinierender", sagt sie, "ich habe zum Beispiel nicht mehr mitbekommen, dass da Leute hinter mir standen." Trotzdem bleibt das Spiel nur ein Spiel, und das müssten auch Eltern verstehen lernen, wenn sie mir ihren Kindern über Spiele reden: "Es ist wichtig, dass Eltern einen guten Draht zu ihren Kindern entwickeln, dass Vertrauen entsteht", sagt sie.
Genau das möchten Winter und ihr Kollege Andreas Jähne auch den Eltern und Jugendlichen vermitteln, mit denen sie täglich arbeiten. Wie das geht und wann das nicht mehr geht mit dem guten Draht und dem Kompromiss, ist auch Teil des Programms der Eltern-LAN. Ein Film über das Online-Rollenspiel World of Warcraft klärt die Eltern auf, welche Suchtgefahren die Spielwelt birgt, und auch im Gespräch mit Daniel Belala stellen die versammelten Eltern kritische Fragen. Belala ist Kommentator der Electronic Sports League (ESL). Während er mit den Eltern über e-Sport und die Frage diskutiert, ob sechs bis sieben Maus- und Tastenklicks in der Sekunde nun Sport sind, sammeln sich in der Halle des ICC Dresden schon die Zuschauer und Spieler, die an diesem Abend beim Auftakt-Turnier der 15. ESL Pro Series dabei sein wollen.
"Erst mal angucken, was man da verbietet"
Auch Alexandra Wolf, Andreas Jähne und Heidemarie Winter werden sich das Spektakel mit mehreren hundert Zuschauern anschauen, wenn die Eltern-LAN vorbei ist. Auch wenn sie die Begeisterung der meist jungen Zuschauer für die Turnier-Spiele, die auf der großen Leinwand ablaufen, nicht teilen: Ein Erfolg war die Eltern-LAN auf jeden Fall, für die Eltern wie auch die Veranstalter. Sogar aus Stuttgart war eine Vertreterin angereist; die Stadt hatte das geplante Pro-Series-Turnier am 27. März 2009 nach dem Amoklauf von Winnenden verboten und dafür herbe Kritk geerntet. Nach dem heutigen Nachmittag sehen die Stuttgarter das offensichtlich etwas offener. Eltern-LAN-Pädagoge Andreas Pauly: "Man muss sich eben erstmal angucken, was man da verbietet."
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Die Eltern-LAN ist ein medienpädagogisches Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit der Videospiel-Liga Electronic Sports League (ESL), dem Spieleratgeber NRW des Vereins ComputerProjekt Köln und Spielraum, dem Institut zur Förderung von Medienkompetenz der Kölner Fachhochschule. Sie findet zusammen mit den Intel Friday Night Games statt, einer Turnier-Reihe der ESL, und bietet Eltern die Chance, selbst einmal Computerspiele zu spielen und dann mit Medienpädagogen und Spielern darüber zu reflektieren.