Der Hundertjährige, der nicht verschwand

Foto: epd/Maren Warnecke
Er ist einer der ältesten aktiven Organisten weltweit: Walter Wieben aus Oelixdorf nahe Itzehoe.
Der Hundertjährige, der nicht verschwand
Organist Walter Wieben feiert einen bemerkenswerten Geburtstag
Als Walter Wieben 1932 seine erste Organistenstelle antrat, war Paul von Hindenburg noch Reichspräsident. Vor zwei Jahren beging der Organist aus dem schleswig-holsteinischen Oelixdorf bei Itzehoe sein 80-jähriges Dienstjubiläum mit einem Kirchenkonzert. Am Sonntag feiert er nun seinen 100. Geburtstag und ist immer noch aktiv. Mehrmals im Monat spielt er die Orgel in der St. Martin-Kirche: "Ich bin zufrieden, wenn ich auf der Orgel sitze."
06.04.2014
epd
Maren Warnecke

Seit acht Jahrzehnten gestaltet Wieben die Musik in den Kirchen der Wilstermarsch. "Musik ist für mich ein Lebenselement", sagt er. Dem rüstigen Senior und Vater von vier Kindern ist sein hohes Alter nicht anzumerken. Jeden Tag setzt er sich mit geradem Rücken ans Klavier.

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Die Liebe zur Musik entdeckte er schon früh: Seine Mutter hatte ihn mit fünf Jahren zum Gottesdienst mitgenommen. Die Orgel erklang und der Steppke schwor sich: "Das machst du auch." Grundlage war der Klavierunterricht, später folgte die Orchesterschule in Heide. Mit 17 wagte sich Wieben an die Orgel. "Sie ist eine ganz andere Welt. Beim Klavier klingt der Ton nach - bei der Orgel endet er abrupt." In der Kirchengemeinde Hademarschen trat er am 21. März 1932 seine Stelle als Organist und zwei Jahre später auch als Kirchenrechnungsführer an.

Sein musikalisches Talent hat Wieben wohl das Leben gerettet: Er war 25 Jahre alt, als ihn der Marschbefehl für die berittene Regimentsmusik erreichte. Sudetenland, Frankreich, schließlich Russland mit dem unerbittlichen Winter 1941/42. Während andere Soldaten erfroren, hat er im Offizierskasino Klavier gespielt. Im April 1945 kam er nach einer Verletzung am Arm per Schiff nach Dänemark, seine Kameraden gerieten in russische Kriegsgefangenschaft. Die Erinnerung schmerzt noch immer: "Ich war keinen Tag freiwillig in diesem Krieg."

Er spielt: Akkordeon, Geige, Bratsche, Trompete, Tuba

Nach Kriegsende kam Wieben im Juli 1945 nach Hademarschen zurück. Von dort ging er 1964 nach Itzehoe. In Oelixdorf spielt er seit 1995. Früher fuhr Wieben alle Strecken mit dem Fahrrad - das wagt er jetzt nicht mehr. Einen Führerschein besaß er nie. Irgendwie habe es immer Wichtigeres gegeben, sagt Wieben und verweist auf die vielen Instrumente, die er spielen kann: Orgel, Klavier, Akkordeon, Geige, Bratsche, Trompete, Tenorhorn, Tuba und Zugposaune.

Sogar zwei Schallplatten hat Wieben aufgenommen: 1974 die selbstkomponierte Kantate "Lob, Preis und Dank" und 1979 "Volkslieder und Volkstänze der Norddeutschen Heimat" mit dem Lägerdorfer Akkordeonorchester. Mit einem plattdeutschen Musical der Itzehoer Speeldeel hatte Wieben 1986 Auftritte in ganz Schleswig-Holstein.

Heute spielt er in St. Martin und in mehreren Seniorenheimen der Umgebung. Aufrecht hält ihn das Gefühl, gebraucht zu werden. Seine Ehefrau Alma starb vor zehn Jahren. "Was soll ich den ganzen Tag sonst machen?" Neben Beethoven, Mozart und den Romantikern sind es vor allem die zeitgenössischen geistlichen Lieder, die es Wieben angetan haben: "Der Pastor sagt immer, die sind ja alle viel jünger als Sie."